Interview mit Günther Klasche

Die Mär von Mikroprozessor und Industrie 4.0 als Jobkiller

7. Juli 2017, 13:06 Uhr | Gerhard Stelzer
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Technische Entwicklungen und Anwendungsmöglichkeiten

Elektronik: Was waren in Ihren Augen die wichtigsten Meilensteine der technischen Entwicklung in der Elektronik?

Günther Klasche: Es ist natürlich klar, dass es ohne Basis-Erfindungen wie die des Transistors oder der monolithisch integrierten Schaltung diese Fortschritte nicht gegeben hätte. Aber aus meiner Sicht ist entscheidend, wie eine Entwicklung die Anwendungsmöglichkeiten forciert und flexibilisiert. Und da sticht eben der Mikroprozessor dank seiner Programmierfähigkeit und der damit einhergehenden „Intelligenz“ hervor. Wie dieser Baustein die Industrialisierung weltweit beflügelt hat, war schon beeindruckend. In ähnlicher Weise trifft dies für mich auch auf Datenübertragungstechnologien per Draht und per Funk zu, deren Entwicklung schon in den 1970er Jahren begonnen hat und die in den 90er Jahren mit den Feldbussen einen rasanten Aufstieg erlebt haben. Ohne diese würde es z.B. kein Internet, kein Mobiltelefon oder keine autonom fahrenden Autos geben. Wichtig sind freilich auch die modernen Halbleiter-Produktionsverfahren im Nanometer-Bereich oder die enormen Fortschritte in der Sensorik.

Elektronik: Welche politischen und wirtschaftlichen Veränderungen in unserer Gesellschaft und in der Elektronikbranche sehen Sie positiv bzw. negativ?

 

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Fahrt auf einem Reitbalken in 1000 m Teufe im Kohlebergwerk Aden im Ruhrgebiet (1984): erste Installation einer Glasfaser zur Datenübertragung aus 1100 m Teufe an die Oberfläche
Bild 2. Fahrt auf einem Reitbalken in 1000 m Teufe im Kohlebergwerk Aden im Ruhrgebiet (1984): erste Installation einer Glasfaser zur Datenübertragung aus 1100 m Teufe an die Oberfläche.
© Günther Klasche

Günther Klasche: Diese Fragen lassen sich nicht so leicht in ein paar Sätzen beantworten. Was die Wirtschaft hierzulande anbelangt, können wir alle froh sein, dass wir über technisch innovative und weltweit tätige Unternehmen in verschiedensten Größenklassen verfügen, die dank fähiger, gut ausgebildeter und meist motivierter Mitarbeiter exzellente Produkte entwickeln. Die meisten von ihnen haben auch die Bedeutung der Digitalisierung erkannt. Was mich in letzter Zeit stört, sind die negativen Berichte über Industrie 4.0, in denen Horror-Szenarien über menschenleere Fabriken diskutiert werden. Das erinnert mich ganz an die Zeit mit dem Mikroprozessor als Jobkiller – das Gegenteil war der Fall! An der Vernetzung führt kein Weg vorbei – oder wir haben bald gar keine Arbeit mehr. Im Idealfall könnte hier durchaus der Staat Vorreiter sein. Aber was sind das für Wünsche! Dank unserer föderalen Länderstruktur schafft er es nicht einmal, dass unsere Jugendlichen in allen Ländern eine gleich gute bzw. eine wirklich gute Ausbildung erhalten. In einem Land wie Deutschland, das über keine Bodenschätze verfügt, sollte Bildung die absolut höchste Priorität haben.

Ich habe die Errungenschaften der im Silicon Valley ansässigen Firmen stets bewundert. Das betrifft auch die sog. sozialen Medien. Jedoch haben die dafür verantwortlichen Unternehmen wie Facebook und Google in ihrer Arroganz und Überheblichkeit mittlerweile eine Grenze überschritten. Diese Überschreitung stellt ein vernünftiges Zusammenleben der Menschen in Frage. Ihre Geschäftsmethoden widersprechen der Menschlichkeit. Hier sollte unbedingt der Staat einschreiten. Besser wäre allerdings, wenn die User diesen Unternehmen ihr Vertrauen entzögen.
Elektronik:Welche Ratschläge würden Sie aus Ihrer Erfahrung dem Elektronik-Nachwuchs heute für seinen Karriereweg mitgeben?

Günther Klasche: Ich weiß nicht, ob es mir zusteht, hierzu Ratschläge zu erteilen. Zunächst ist natürlich eine gute und fundierte Ausbildung die beste Voraussetzung. Ich meine allerdings, dass sie nicht allzu spezialisiert sein sollte. Man sollte sich für viele unterschiedliche Themen interessieren – auch während des Studiums. So legt man die Basis, um immer offen zu sein gegenüber allem Neuen. Und diese Offenheit sollte man auch auf das soziale Umfeld in der Arbeit bzw. im Betrieb übertragen und praktizieren. Dann ist man bestens gerüstet für ein gut funktionierendes Teamwork, das heute im Arbeitsleben unabdingbar ist. Und es hilft auch später, wenn man einmal Leitungsfunktionen übernehmen muss.


Das Gespräch führte Elektronik-Chefredakteur Gerhard Stelzer.

 

 

Günther Klasche ehemals Chefredakteur der Elektronik
Günther Klasche, ehemals Chefredakteur der Elektronik.
© Günther Klasche

Günther Klasche

schloss 1966 sein Ingenieurstudium ab und begann dann als Entwicklungsingenieur bei Carl Zeiss in Oberkochen seine berufliche Laufbahn. 1968 wechselte er in den Journalismus zum Fachmedium Elektronik, das er bis seiner Pensionierung über mehr als 25 Jahre als Chefredakteur führte.

 


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