Frage: Stellen die Ingenieurdienstleister mittlerweile einen »zweiten Arbeitsmarkt« dar, mit geringeren Gehältern und unsicheren Jobverhältnissen?
Thorsten Otremba, Partner Kienbaum Executive Consultants: »Generell gilt, dass Unternehmen strategisch wichtige Positionen natürlich ausschließlich unbefristet besetzen wollen. Auslastungsspitzen hingegen werden eher mit befristeten Arbeitsverhältnissen oder Zeitarbeit geschlossen. Die Unternehmen nutzen diese Dienstleister gerne, um Ihre Verwaltungs- und Entwicklungskosten möglichst niedrig zu halten. Die Rahmenbedingungen sind dabei in der Regel deutlich schlechter als bei dem beauftragenden Unternehmen. Den Kunden interessiert in erster Linie die relevante Projekterfahrung der Zeitarbeiter. Naturgemäß werden Kandidaten als externe dabei nicht so tief in sensible Themenbereiche eingebunden wie Festangestellte. Das bei Dienstleistern erworbene Wissen geht somit eher in die Breite als in die Tiefe. Besonders gute Kandidaten werden - wenn geeignete Planstellen im Unternehmen vorhanden sind – dann auch übernommen. Die absolute Zahl hat jedoch in den letzten Jahren deutlich abgenommen. Positiv wirkt sich eine Tätigkeit oder ein Projekteinsatz im Ausland auf den Lebenslauf aus. Insgesamt sollte aber die Verweildauer bei einem Dienstleister nicht zu lang werden.«
Norbert Ritter, Ritter&Partner Personalberatung: »Was unterscheidet einen Entwicklungsdienstleister wie z.B. Bertrandt oder Ferchau von einem Fertigungsdienstleister für Leiterplattenbestückung? Ich bin überzeugt, in den Kernkompetenzen der OEMs liegen Wachstum und Profitabilität und nicht darin, dass eine Firma alles selbst macht. Natürlich sind Zeitarbeit und befristete Verträge flexible Tools der Firmen, um auf schwankende Auftragssituationen reagieren zu können ohne gleich negative Presse und Kündigungsschutzklagen befürchten zu müssen. Aber wie bei jeder Medaille gibt es auch hier zwei Seiten. Auf der einen die Flexibilität, auf der anderen Einarbeitungszeit, -kosten, Produktivität und Engagement der Mitarbeiter. Wir vermitteln niemanden in einen befristeten Vertrag.«
Marlen Erber-Ludwig, Erber-Ludwig & Partner GmbH: »Das Verhältnis zwischen befristeten und unbefristeten Arbeitsverträgen verändert sich tendenziell zugunsten befristeter Verträge. Ingenieurdienstleister liegen ebenfalls im Trend, weil sie gerade in der Krise für Hersteller eine willkommene Flexibilität darstellen. Allerdings bezieht sich dies vor allem auf Einstiegspositionen. Je höher Positionen angesiedelt sind - und je weniger austauschbar, je strategischer die Aufgabe ist - desto weniger bringt das Modell ‚Ingenieurdienstleister’ einen Vorteil. Für junge Ingenieure ist die Anstellung bei einem Dienstleister zwar oft mit geringeren Gehältern verbunden, aber nicht unbedingt mit weniger Sicherheit. Denn die hat auch bei den Festangestellten der Dienstleister-Kunden abgenommen und ist somit durchaus vergleichbar. Außerdem bietet die Tätigkeit bei einem Ingenieurdienstleister die Chance, Einblick in unterschiedliche Anwendungsfelder für Ingenieure zu bekommen, sich evtl. in Projekten zu beweisen und so Kontakte zu knüpfen. Um für Festanstellungen attraktiv zu bleiben, werden Soft Skills, (mobile) Flexibilität, gute Leistungen und nachweisbare Erfolge, fachliches Know-How, Markt- und Firmenkenntnis und betriebswirtschaftliches Know-How - schon als Berufseinsteiger - immer wichtiger.
Renate Schuh-Eder, Schuh-Eder Consulting: »Ich sehe Dienstleister nicht als Arbeitgeber zweiter Wahl. Ich kenne Ingenieure, die sehr gerne dort arbeiten, weil sie viele unterschiedliche Dinge kennenlernen und flexibler sind. Gerade für Nachwuchsleute eine gute Möglichkeit, etwas zu lernen. Und auch für Erfahrene gibt es spannende Projektaufgaben. Allerdings sind die Gehälter tendenziell niedriger - wobei es auch hier 'Topverdiener' gibt. Das hängt ganz stark vom Einsatz ab. Prinzipiell gilt: Ein guter Ingenieur in der Elektronik lebt nicht 'unsicher', vorausgesetzt, sein Gehalt passt in das jeweilige Gefüge, er hat die notwendigen sozialen Fähigkeiten und er ist ggf. mobil. Unsicher leben Arbeitnehmer in Managementfunktionen. Diese Positionen fallen nun mal nicht täglich vom Himmel.«
Christian Pape, Pape Consulting: »Ingenieur-Dienstleister und befristete Arbeitsverträge liegen klar im Trend, da man hier als Unternehmen kein langfristiges Beschäftigungsrisiko hat. Jobsucher brauchen aber keine Angst vor Zeitverträgen haben. Wer gut ist, dem winkt auch ein unbefristeter Vertrag und eine Jobgarantie gibt es ja auch bei unbefristeten Verträgen nicht. Das Risiko ist also nicht größer, man muss nur an seine eigenen Qualitäten glauben. Ingenieur-Dienstleister können ein guter Einstieg in den Beruf sein, weil man mehrere Unternehmen als Kunden kennenlernt und besser beurteilen kann, in welche Kultur man am Besten passt. Man erhöht dadurch den eigenen Marktwert. Nur die Bezahlung ist meist unter dem Niveau eines soliden Unternehmens. Oft werden 'Leiharbeitnehmer' übernommen, wenn sie einen guten Job machen. Die Chance ist also größer als das Risiko, welches bei einem Jungingenieur sowieso überschaubar ist. Schwierig ist es immer nur, den ersten Job nach dem Studium zu kriegen. Hat man dann erst einmal Berufserfahrung gesammelt, ist man hochattraktiv für den Arbeitsmarkt. Insofern kann Zeitarbeit ein schlauer Schachzug sein.«