Die Stadt Wuxi hat uns ausgezeichnet als eines der Top-10-Anwendungsbeispiele für IoT. Warum? Wir haben einerseits eine hoch automatisierte Backend-Fertigung und andererseits eine enge Vernetzung zwischen Wafer-Fertigung und Backend über Kontinente hinweg. Wir leben sozusagen die Smart Factory vor. Die Analyse von Big Data zur Optimierung von Fertigungsabläufen ist für uns bereits Realität und die hier gewonnenen Erfahrungen geben wir auch gerne an andere interessierte Unternehmen etwa im Mittelstand weiter. Daneben ist Infineon Gründungsmitglied des europäischen Verbands »Alliance for Internet of Things Innovation« (AIOTI). Davon erhoffen wir uns, die Kräfte beim Thema IoT in Europa zu bündeln.
Wäre eine »IoT-Prototyping-City« à la Wuxi auch ein Vorbild für Deutschland, um smarte Cities voranzutreiben und mal erlebbar zu machen?
Als Idee ist das sehr spannend. In Deutschland ist das nicht ganz einfach wegen der Vielzahl der politischen Interessen. Doch es gibt einige vielversprechende Projekte wie die vor kurzem vorgestellte Digital-Hub-Initiative der Bundesregierung unter Beteiligung des Verbands Bitkom. Ich denke, hier werden wir in den nächsten Jahren noch sehr spannende Entwicklungen sehen können. Und das könnte dazu führen, dass die zugegebenermaßen relativ geringe Technologiebegeisterung in der Bevölkerung wieder wächst. Natürlich ist die Begeisterung heute in manchen asiatischen Städten deutlich ausgeprägter.
Neben China sind da auch noch Seoul oder Singapur zu nennen ...
Ja, schauen Sie mal das neue Verkehrsleitsystem in Singapur an: Dort wird die Bewegung jedes Fahrzeugs erfasst, was dann den Verkehrsfluss optimiert. In Deutschland würden wir darüber aus guten Gründen sicher eine sehr intensive Diskussion erleben. Wir müssen die richtige Balance finden.
Vergleicht man die mit der chinesischen Strategie »Made in China 2025« verbundenen Investitionen in High-Tech mit den europäischen Aktivitäten, stellt sich vielen Branchenkennern die Frage, wie eine mittel- und langfristige Wettbewerbsfähigkeit erhalten werden soll. Da Sie bei Infineon auch für die Strategieentwicklung verantwortlich sind, gebe ich diese Frage an Sie weiter. Werden wir von China (und anderen asiatischen Staaten wie Korea) im Punkt Innovation abgehängt?
» Wir können an ‚Made in China 2025‘ partizipieren «
»Made in China 2025« heißt ja nicht, dass wir abgehängt werden, sondern dass wir daran auch partizipieren können. Wir haben eine Fertigung in China, die wir zurzeit ausbauen, und wir werden weiterhin am chinesischen Markt teilnehmen. Hinzu kommt: Wir differenzieren uns über Innovation und in der Fertigung, auch wenn Vorweglaufen anstrengender ist als Hinterherlaufen. Und last, but not least vernetzen wir uns in der Breite: Wenn die Wechselwirkung zwischen uns und unseren Kunden einen gemeinsamen wirtschaftlichen Erfolg begründet, ist es für einen Wettbewerber viel schwieriger, diesen zu kopieren. Da reicht ein einfacher Masterplan zum Überholen nicht mehr aus. Wir gehen also einen alternativen Weg, das Managen der Vielfalt. Bei alledem dürfen wir uns aber immer auch vor Augen halten, dass Europa in wichtigen Branchen trotz seit Jahrzehnten anhaltender Unkenrufe noch immer die Innovationsführerschaft innehat, etwa in der Automobilindustrie oder im Maschinenbau.
Auch Mergers & Acquisitions gehören in Ihren Verantwortungsbereich. Der Kauf der Cree-Tochter Wolfspeed ist wegen Bedenken der US-Behörden gescheitert, was ja umso bitterer ist, als dass dieses Geschäft pro Jahr im Schnitt um 20 Prozent hätte wachsen sollen und zudem margenstärker ist als das bisherige Infineon-Geschäft insgesamt. Was nun?
Unser existierendes Geschäft steht auch ohne die Akquisition von Wolfspeed auf einer soliden Grundlage. Bei HF-Anwendungen und bei den Materialien werden wir weiterhin Kunde bei Wolfspeed sein. Wir werden unser Portfolio an Verbindungshalbleitern weiter aus eigener Kraft strategisch erweitern. Das betrifft HF-Anwendungen, wo es insbesondere um Galliumnitrid-auf-Siliziumkarbid geht, und den Bereich Leistungsanwendungen mit eigenentwickelten Siliziumkarbid-MOSFETs.