Halbleiterindustrie mit Blick auf 2011

Weiche Landung oder Sturz aus dem fünften Stock?

10. Januar 2011, 9:22 Uhr | Iris Stroh
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Fortsetzung des Artikels von Teil 2

Bei dem Kapazitätsausbau muss der Markt einfach wachsen

Texas Instruments (TI) hat seine Kapazitäten im Analogbereich um 50 Prozent ausgebaut, damit ist natürlich auch klar, dass das Unternehmen davon ausgehen muss, dass der Markt wächst - langfristig sowieso, aber auch in diesem Jahr. Die Grundlage dieser Einschätzung ist eine Analyse im eigenen Hause, bei der sich TI das Stückzahlwachstum seit 1970 angesehen hat. Legt man eine Trendlinie durch all die Jahre mit ihren unterschiedlichen Stückzahlwachstumsraten, so ergibt sich im Mittel ein Plus von 8 Prozent. Und Dirk Rathsack, Director Channel Management & Communication EMEA Sales & Marketing bei Texas Instruments, erklärt, dass TI davon ausgeht, dass dieses Stückzahlwachstum auch in Zukunft nicht abflachen wird, sondern weiterhin stabil bleibt - wenn nicht sogar noch leicht ansteigen wird, was die persönliche Einschätzung von Rathsack ist: »Es gibt immer mehr Applikationen, in denen Halbleiter gebraucht werden«, so seine Begründung.

Aber selbst wenn man die 8 Prozent als Grundlage nimmt, ist festzustellen, dass diese seit Jahren geltende Trendlinie 2007 verlassen wurde, und zwar nicht nur ein wenig, sondern deutlich. Rathsack weiter: »Wenn diese Trendlinie also irgendwo noch eine gewisse Relevanz hat, dann muss wieder eine Annäherung stattfinden. Und diese hat zum Teil sicherlich 2010 stattgefunden. Aber das reicht bei weitem nicht aus, um wieder auf diese Kurve zurückzukommen.« Dabei hat sich bislang der eigentliche Verbrauch immer relativ eng um diese Trendlinie herumbewegt, mit einigen wenigen Ausreißern, wie beispielsweise 2000/2001. Damals hat es dann auch ein paar Jahre gedauert, bis der Kurvenverlauf wieder erreicht wurde. Nachdem also die Kurve 2007 wieder verlassen wurde, es aber keinen Grund gibt, dass die Kurve an Relevanz verloren hat, sieht Rathsack auch mittel- und längerfristig ein entsprechendes Stückzahlwachstum.

Inwieweit sich das in harten Dollar niederschlägt, muss man sehen, das sollte man laut Rathsack im Auge behalten. Er erwartet allerdings im Analogbereich keine großen Preisverfälle. Natürlich werde es auch hier Preisreduzierungen geben, das erwartet schon die Kundschaft, aber die Hersteller hätten in diesem Produktsegment noch viel mehr Möglichkeiten, sich vom Wettbewerb zu differenzieren, und somit sei der Preiskampf nicht so hart. Im Umsatz soll der Halbleitermarkt in diesem Jahr laut Rathsack weltweit zwischen 8 und 10 Prozent wachsen, in Europa vielleicht um 5 bis 6 Prozent. Rathsack: »Das heißt, dass der asiatische Markt nach wie vor eine höhere Dynamik aufweist.«

Für Edmund Eisler, Director Global Sales bei Freescale Semiconductor, bringt der amerikanische Markt in diesem Jahr die meisten Fragezeichen mit sich. Er mag ähnlich wie seine Kollegen nicht abschätzen, inwieweit die Nachfrage dort nachhaltig ist. Und dass der Markt schwer zu durchschauen ist, belegt er mit der Entwicklung bei GM. Stand das Unternehmen vor 18 Monaten noch kurz vor der Pleite, hat es jetzt wiederum einen fulminanten Börsengang hingelegt.

Trotz dieser Unwägbarkeiten ist Eisler zuversichtlich, was das Jahr für Freescale bringt. Denn Freescale ist in wichtigen Wachstumsmärkten vertreten, seien es e-Books oder auch Tablett-PCs. Längerfristig verspricht sich Eisler aber auch noch von einem anderen Trend wichtige Wachstumsimpulse: die immer älter werdende Gesellschaft, die in Zukunft immer mehr elektronische Geräte benötige. Eisler betont: »Freescale plant, in diesem Jahr solide zu wachsen.« Und er fügt hinzu, dass dafür auch die entsprechenden Kapazitäten aufgebaut werden.

Ebenfalls optimistisch beurteilt Susanne Horn, Vice President Distribution Europe bei Infineon Technologies, die Situation für ihr Unternehmen in diesem Jahr. Sie argumentiert ähnlich wie Derpmanns. So habe sich auch Infineon neu aufgestellt und auf Bereiche fokussiert, die hohe Wachstumschancen bieten, etwa Energieeffizienz/Power-Management, und Mobilität. Viele neue Produkte, die sich durch eine höhere Integrationsdichte auszeichnen, sollen das Wachstum zusätzlich fördern. Horn erläutert: »Im Automotive-Markt erwarten wir ein moderates Wachstum. Ein großes Wachstum dürfte dagegen von den neuen Applikationen rund um das Thema Energieeffizienz herrühren.« Dazu gehört auch das Thema Lighting (Automotive und Industrie), in dem Infineon verstärkt aktiv werden will. Derzeit sei Infineon vom Portfolio vielleicht noch eher unbekannt, aber dank einiger interessanter Neuvorstellungen soll sich das in diesem Jahr ändern.

Brendan Mc Kearney, Executive Vice President Managing Director bei Fujitsu Semiconductor Europe, beurteilt die Situation ähnlich positiv wie seine Kollegen. Auch er erwartet ein solides Wachstum in den Märkten, in denen das Unternehmen aktiv ist, was in der Summe dazu führen soll, dass Fujitsu in diesem Jahr einstellig wachsen wird. Dazu sollen mehrere Bereiche beitragen. Ein Wachstumsträger ist die Automobilindustrie, die zumindest im letzten Jahr stark von China getrieben wurde. Daran wird sich in diesem Jahr nichts ändern, aber Mc Kearney glaubt auch, dass das kein Problem ist, denn er ist überzeugt, dass der dort herrschende Boom deutscher Autos weiter anhalten wird. Aber selbst der deutsche Automobilmarkt soll sich seiner Einschätzung nach erholen. Die Effekte der Abwrackprämie seien überwunden, wodurch auch hier wieder der Absatz mit Prämienfahrzeuge steigen soll.
Ein zweiter Wachstumsmarkt ist die Industrieelektronik. Besonders gute Aussichten wird Smart Metering zugesprochen, allerdings schränkt Mc Kearney ein, dass dies sicherlich noch nicht in diesem Jahr der Fall sein wird. Das ändert aber nichts an der Zuversicht von Mc Kearney, denn der deutsche Export im Industriebereich boomt, davon würde Fujitsu profitieren.

Dem Unternehmen kommt aber noch ein weiterer Wachstumstreiber zugute: Die nicht enden wollende Nachfrage nach mehr Bandbreite. Dafür werden leistungsfähigere Netze gebraucht, was die Nachfrage nach den optischen Lösungen von Fujitsu steigen lässt. Deshalb erwartet Mc Kearney in diesem Bereich ebenfalls ein starkes Wachstum. Zu guter Letzt erwartet er, das Fujitsu auch noch vom Boom der Smart-Phones profitiert, denn hier ist das Unternehmen ebenfalls vertreten. Bei allem Optimismus warnt Mc Kearney aber davor, makroökonomische Besonderheiten außer Acht zu lassen. Das heißt, dass beispielsweise die Probleme der Euro-Zone in die Beurteilung des Jahres nicht eingeflossen sind. Mc Kearney abschließend: »Diese Entwicklungen können natürlich einen großen Einfluss haben. Sie sind aber sehr schwer vorhersehbar.«


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