Halbleiterindustrie mit Blick auf 2011

Weiche Landung oder Sturz aus dem fünften Stock?

10. Januar 2011, 9:22 Uhr | Iris Stroh
Diesen Artikel anhören

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Microsoft hilft nicht mehr - ganz im Gegenteil

Früher bescherte Microsoft den Speicherherstellern regelmäßig gute Geschäfte, nämlich immer dann, wenn der Software-Riese ein neues Betriebssystem auf den Markt gebracht hat. Doch mittlerweile empfindet Schauss dies eher als Fluch denn als Segen: »Als ’Windows Vista’ auf den Markt kam, erwarteten die Hersteller, dass der Bedarf an Speicherbausteinen enorm nach oben geht. Also haben sie jede Menge Geld in die Fertigung investiert. In der Konsequenz gab es dann viel zu viele Kapazitäten.« Und wenn Schauss von ’jeder Menge Geld’ spricht, dann meint er das wörtlich, denn es ist von bis zu 70 Prozent des Umsatzes die Rede, die in den Kapazitätsausbau geflossen sind.

Laut Schauss müssen diese damals aufgebauten Kapazitäten selbst heute noch abgebaut werden. Und das, obwohl die taiwanesischen Hersteller während der letzten Krise zum Teil um 70 bis 80 Prozent ihrer Kapazitäten stillgelegt haben.

Nicht alle diese Kapazitäten konnten wieder online gehen. Denn mit einem 70-nm-Prozess lassen sich DDR3-Speicher nicht mehr produzieren. Mit 70 nm sind maximale Geschwindigkeiten von 1066 MHz möglich, der Markt ist heute aber schon bei 1333 MHz, und in diesem Jahr soll der Schritt auf 1600 MHz erfolgen. Wie viel Kapazitäten endgültig vom Markt genommen wurden, mag Schauss nicht beziffern. Doch scheint es nicht genug zu sein, denn bereits seit Monaten purzeln die Preise wieder. Und zwar so sehr, dass die ersten Speicherhersteller schon angekündigt haben, ihre Wafer-Kapazitäten erneut um zirka 30 Prozent senken zu wollen. Daraus schließt Schauss: »Das heißt, dass diesen Unternehmen bereits heute die Preise weh tun.«

Zusammengefasst erwartet Schauss also, dass das erste Halbjahr 2011 generell für den Speichermarkt schwierig werden wird. In der zweiten Jahreshälfte sei dann aber wieder alles möglich. Schauss persönlich ist aber davon überzeugt, dass der Markt dann wieder anzieht, und gibt die saisonalen Muster als Begründung an.

Die Einschätzung des allgemeinen Speichermarktes unterscheidet sich von der Einschätzung der Entwicklung bei Samsung: Schauss glaubt, dass Samsung nicht vom Abwärtstrend erfasst wird. Das Unternehmen habe sein Produktangebot an energieeffizienten Speicherbausteinen ausgebaut, und genau daran seien derzeit die Kunden aus den stark wachsenden Märkten mit Servern und Rechenzentren interessiert. Schauss: »Hier spielt es eine große Rolle, ob ich ein 60- oder 30-nm-Bauteil einsetze. Denn je nachdem kann ich auf der Systemebene 20 bis 30 Prozent an Energie einsparen.« Und das ist ein entscheidender Vorteil, weshalb Schauss auch überzeugt ist, dass Samsung dank seiner technologischen Führung in den Prozessgeometrien auch in diesem Jahr im DRAM-Markt ein weiteres Wachstum erreichen wird. Schauss: »Im letzten Quartal haben wir unseren Marktanteil auf 40,7 Prozent erhöht, und wir gehen davon aus, dass dieser Anteil in den nächsten Quartalen weiter steigen wird.«

Soweit die Analyse des Speichermarktes, ganz anders sieht die Analyse für den System-LSI-Bereich aus. Denn hier erwartet Schauss, dass es über das gesamte Jahr 2011 eine Verknappung geben wird. Da die amerikanischen und koreanischen Geschäfte so stark wachsen würden, hätte Samsung in Europa kapazitätsbedingt enorme Probleme überhaupt zu wachsen. »Wir wären sehr froh, wenn wir mehr Kapazitäten bekommen könnten. Momentan sieht es aber nicht so«, so Schauss.

Mit enorm viel Optimismus wiederum startet National Semiconductor ins neue Jahr. So verspricht sich Robert Fischer, Account Manager Automotive bei National Semiconductor, viel von Anwendungen wie Fahrerassistenz- und Infotainment-Systemen, LED-Lighting und Batteriemanagement - alles Bereiche, auf die sich National innerhalb des Automotive-Segments fokussiert. Fischers Zuversicht basiert auf den zum Teil enormen Wachstumsraten, die diesen Anwendungen prognostiziert werden. Als Beispiel verweist er auf Infotainment-Systeme. Hier gehen die Prognosen davon aus, dass der Umsatz mit Komplettsystemen zwischen 2010 und 2015 im Durchschnitt um 30 Prozent pro Jahr wachsen soll; bei den Fahrerassistenzsystemen sind es sogar 49 Prozent. Wobei Fischer es sogar für möglich hält, dass der Halbleiterumsatz noch stärker wächst, einfach weil der Anteil der Halbleiter in diesen Systemen steigen wird.

Ähnlich optimistisch blickt auch Axel Bertram, Regional Sales Manager bei austriamicrosystems Germany, in die Zukunft und betont, welche Vorteile es doch für ein Unternehmen hat, wenn es im Analogmarkt tätig ist. So erwartet Bertram für den gesamten Analogmarkt in diesem Jahr ein einstelliges Wachstum, für austriamicrosystems aber ein größeres Wachstum. Wobei Bertram betont, dass diese Annahme nicht aus der Luft gegriffen sei, ganz im Gegenteil: Zum einen hat das Unternehmen bereits diverse, langfristige Designs an Land gezogen. Zum anderen hat austriamicrosystems auch Sorge getragen, diese Produkte fertigen zu können. Denn das Unternehmen hat sowohl seine eigene Fertigung ausgebaut als auch sich Kapazitäten von außen gesichert. Bertram abschließend: »Wir haben eine sehr gut gefüllte Pipeline. Wie sich allerdings der Gesamtmarkt entwickelt, kann keiner vorhersagen. Ich glaube aber, dass wir uns ein wenig von den Zahlen lösen und ein etwas mehr Selbstvertrauen entwickeln sollten.«

Sehr pragmatisch wiederum beurteilt Armin Derpmanns, General Manager Strategic Business Planning bei Toshiba Electronics Europe, die derzeitige Lage, indem er einfach darauf hinweist, dass auf jeden Aufschwung auch wieder ein Abschwung folgt. Allerdings will er sich natürlich nicht festlegen, wann dieser Abschwung stattfindet. 2011 jedenfalls sollte noch Wachstum bieten - wenn auch nicht in allen Produktsegmenten.
Für Toshiba selbst trifft die Einschränkung nicht zu, denn laut Derpmanns hat das Unternehmen die Zeit seit 2008 genutzt, sein Produktportfolio aufzuräumen und sich auf neue Märkte auszurichten - in diesem Zusammenhang verweist er auf Beispiele wie erneuerbare Energien, Smart Grid etc. Und in diesen Bereichen habe Toshiba auch schon einige Sockets gewonnen, was ihm die Zuversicht verleiht, dass das Unternehmen auch in diesem Jahr wachsen wird.

Wie sich der Halbleitermarktmarkt selbst entwickeln wird, will er nicht beurteilen, er erklärt lediglich, dass Toshiba davon ausgeht, dass auch der Gesamtmarkt wächst. Allerdings hält er es für vermessen, Wachstumsraten im hohen zweistelligen Bereich zu erwarten. Dafür würden einfach die Grundlagen fehlen.


  1. Weiche Landung oder Sturz aus dem fünften Stock?
  2. Microsoft hilft nicht mehr - ganz im Gegenteil
  3. Bei dem Kapazitätsausbau muss der Markt einfach wachsen

Lesen Sie mehr zum Thema


Das könnte Sie auch interessieren

Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!