Ein Medienbericht sorgt für Verwirrung: Sollte es beim deutschen Chip-Hersteller Infineon Pläne geben, seine Firmenzentrale nach Asien zu verlagern? Die klare Antwort kann nur lauten: Nein.
Für die Generierung von Schlagzeilen nach dem Vorbild der englischen “Sun” scheint kein Gerücht zu schade: Unter dem Titel “Move Infineon to Asia?” auf einer englischsprachigen Website wurde allgemeine Verwirrung gestiftet – und dies völlig unnötig.
Basis des Berichts waren Gedankenspiele des ehemaligen Infineon-CEOs Dr. Schumacher, der sich im Jahr 2002 über zu hohe Steuern in Deutschland beklagt hat sowie eine Aussage von NXP-Chef Richard Clemmer, der NXP als “chinesische Firma” bezeichnet hatte, die “ihren Firmensitz nur wegen der Steuern in Holland habe”.
Wir wir heute wissen, ist Schumacher nicht über einen zu hohen Steuersatz in Deutschland, sondern über eine persönlich von ihm zu verantwortende Schmiergeldaffäre gestürzt.
Wer NXP mit Infineon vergleicht, kann auch gleich Äpfel mit Birnen vergleichen: Außer der Tatsache, dass beide Firmen Chips herstellen, haben sie wenig gemeinsam. Im Jahr 2011 erzielte NXP einen Gesamtumsatz von 4,196 Mrd. Dollar, davon 1,514 Mrd. in China, was einem Anteil von 36 % entspricht. Im Heimatmarkt den Niederlanden hingegen lag der Umsatz bei genau 126 Mio. Dollar, einem Anteil von 3 %. Zweitstärkstes Land ist Singapur mit 480 Mio. Umsatz oder 11,4 % Anteil.
Dies ist nicht verwunderlich, wenn man sich die Geschäftsbereiche von NXP anschaut: Man ist weltweit die Nr. 1 bei TV- und Settop-Boxen, Marktführer bei AC/DC-Wandlern für Notebooks und Nr. 1 in NFC-Technologie für Handys. Die Kundenliste liest sich wie das Who-is-Who in Korea, Taiwan, Japan und vor allen Dingen China. Der Umsatz in den Niederlanden wird primär durch eine Firma, nämlich Gemalto, getrieben, dem Weltmarktführer für digitale Sicherheitslösungen z.B. für den elektronischen Pass oder Personalausweis. 711 Mio. Dollar setzte NXP 2011 im Konsumer-Segment um, also in Geräten, die quasi nur noch in Asien gebaut werden.
Infineon hat sich bewusst gegen die sehr konjunkturabhängige Konsumelektronik entschieden und konzentriert sich nach dem Verkauf des Wireless-Segmentes an Intel auf Lösungen für Automotive, Industrie, Leistungselektronik, Mikrocontroller und Sicherheits-Chips. Der Umsatzanteil allein in Deutschland betrug 2011 27 %, ganz Europa stand für 48 % und China lediglich für 17 %. Schlüsselkunden sind nicht nur alle namhaften deutschen Auto-Hersteller und deren Zulieferer, sondern auch dank der Marktführerschaft in der Leistungselektronik Industrieunternehmen wie Siemens & Co. Was würde es für einen Sinn ergeben, bei dieser Kunden- und Umsatzstruktur nach China auszuwandern?
Und last but not least, kommen wir zu einem Schlüsselfaktor für Infineons Erfolg, dem “German Engineering”. Auch wenn in China massenweise Geräte zusammengeschraubt werden, steht das Land nach ZVEI-Zahlen nur für 1 % des globalen Chipdesigns. Infineon beschäftigte dagegen Ende 2011 von weltweit 25.720 Mitarbeitern allein 7.924 in Deutschland. Viele von ihnen sind für Innovationen wie u.a. die Leistungselektronik-Fertigung auf 300-mm-Dünnschicht-Wafern in Dresden verantwortlich. Selbst der Entwicklungchef der taiwanischen Foundry TSMC erklärte mir, wie sehr er deutsche Universitäten und Ingenieure schätzt. Warum sollte Infineon auf diesen enormen Wettbewerbsvorteil freiwillig verzichten?
Nein, der Beitrag “Move Infineon to Asia?” gehört nach meiner Überzeugung nur an eine Stelle: In den virtuellen Papierkorb.