Gefälschte Bauteile

Schutz vor Fälschungen

5. Oktober 2012, 15:36 Uhr | Von Dr.-Ing. Hartmut Poschmann

Mit krimineller Energie agieren Fälscher – so auch die Fälscher elektronischer Bauteile – um ihre Opfer zu täuschen. Dabei nutzen sie geschickt menschliche Schwächen aus. Um es den Fälschern nicht gar so leicht zu machen, können international, national und innerbetrieblich Maßnahmen gegen Fälschungen ergriffen werden.

Fachleute sind der Meinung, dass der Einsatz gefälschter Bauteile in der amerikanischen Wehrtechnik massiv durch die Kürzungen des Etats des Verteidigungshaushalts während der Regierungszeit von Bill Clinton (1993 – 2000) in Gang gesetzt wurde. Damals empfahl die Regierung den Firmen der Wehrtechnikindustrie, statt auf teure Sonderentwicklungen für besonders belastbare und zuverlässige Bauelemente lieber vermehrt auf Standardbauteile für industrielle Anwendungen zu setzen. Seit 2010 reagiert die Regierung der USA auf die wachsende Zahl von Fälschungen und die daraus für die Sicherheit als auch Ökonomie des Landes erwachsenden Gefahren mit verschiedenen Maßnahmen.

Das passierte vor allem angesichts der schockierenden Ergebnisse des in [1] vorgestellten DoD-Berichtes „Defense Industrial Base Assessment: Counterfeit Electronics” vom Januar 2010. Die Maßnahmen sind eine Mischung aus Aufklärung und Geboten. Eindeutig ist jedoch die Tendenz zu schärferen Vorgaben für US-amerikanische Unternehmen erkennbar, die im Bereich der Wehrtechnik aktiv sind.

Als erstes forderte der US-Senat die chinesische Regierung zur Zusammenarbeit auf, mit dem Ziel das Problem gefälschter Bauteile zu eliminieren. Er drohte an, im Gegenfall alle aus China kommenden elektronischen Bauteile als „gefälscht“ anzusehen und entsprechend tiefe Kontrollen in amerikanischen See- und Flughäfen für alle eintreffenden Lieferungen einzuführen.

Liste berüchtigter Handelsplätze

Im April 2011 veröffentlichte das „United States Trade Representative“ (USTR) als Warnung erneut die sogenannte „Notorious Markets List 2011“. Eine Liste berüchtigter Handelsplätze, wo gefälschte Produkte aller Art gehandelt werden [2]. In ihr sind u.a. auch die chinesischen Business-to-Business (B2B)- und Business-to-Consumer (B2C)-Handels-Internetseiten Alibaba und Taobao genannt. Insbesondere Alibaba wurde in den vergangenen Jahren als virtueller Handelsplatz für Elektronikbauteile und Leiterplatten weltweit bekannt.

Unter dem Suchbegriff „Integrated Circuits“, eingegeben auf www.alibaba.com, erscheint eine umfangreiche Anzahl von Anbietern, deren Status größtenteils als Handelsfirma (Trading Company) angegeben ist. Darunter befinden sich Firmen mit recht poetischen Namen wie Shenzhen Wonderwing Electronics Ltd. Die Anzahl der angezeigten Handelsfirmen für elektronische Bauteile, die als Sitz Shenzhen angeben, ist schier unübersehbar.

US National Defense Authorization Act (NDDA)

Einen weiteren Schritt unternahm die Regierung der USA mit der Aufnahme dieses Themas in den US National Defense Authorization Act für 2012 (NDDA). Präsident Obama unterzeichnete ihn am 31.12.2011 [3, 4].

Das Gesetz hat zwar die Gesamtsicherheit des Landes im Auge (Stichworte: Militär bzw. Verteidigung, Gesundheit, Terrorismus u.a.) und ist aufgrund seiner generellen Festlegungen zum Thema Terrorismus international umstritten, doch hielten es die US-Behörden für richtig, hier auch entsprechende Auflagen im Kampf gegen die Produktfälschung in der Elektronikindustrie einzubinden. Das zeigt, dass das Thema Produktfälschung an Schärfe zunimmt und es aus Sicht der Verteidigungssicherheit allmählich mit auf die Ebene des Terrorismus geschoben wird.

Gemäß [4] sind alle Betroffenen innerhalb von 270 Tagen nach Unterzeichnung des Gesetzes durch den US-Präsidenten – d.h. bis zum Herbst 2012 – verpflichtet, verschiedene Schritte und Maßnahmen vorzunehmen, welche die Konformität zu den Festlegungen des Gesetzes herstellen.

Demnach müssen das Verteidigungsministerium (Department of Defense), die Auftragnehmer und Subunternehmer (contractors, subcontractors) auf allen Stufen der Zulieferkette Prozesse und Systeme zur Minderung des Fälschungsrisikos integrieren. Sektion 818 des NDDA (H.R.1540) legt der Industrie folgende Verpflichtungen auf:

  • Die Vertragsanforderungen (contractor requirements) müssen beinhalten, dass Kosten, die wegen Fälschungen entstehen, nicht länger erlaubte Programmkosten sind.
  • Es sind Systeme und Methoden zur Aufdeckung, Analyse, Vermeidung und Mitteilung von Fälschungen zu entwickeln.
  • Elektronik darf nur von vertrauenswürdigen, autorisierten Lieferquellen beschafft werden.
  • Fälschungsvorfälle müssen innerhalb von 60 Tagen nach der Entdeckung mitgeteilt werden.

In einer Ende April 2012 von IHS bzw. iSupply veröffentlichten Studie [5] wurde vorausgesagt, dass der US National Defense Authorization Act für 2012 (NDDA) auch für eine große Anzahl von Firmen außerhalb der USA, also auch in Europa, bestimmte spürbare Folgen haben wird. Es geht vor allem um solche Unternehmen, die im Zeitabschnitt 2007 – 2011 im Rahmen ihrer Einbeziehung in die Zulieferkette Lieferungen im Elektroniksektor an den amerikanischen Staat, d.h. an die „Defense Supply Chain“ geleistet haben.

Für die EU werden in [5] 283 Firmen genannt, die Waren im Wert von über einer Milliarde US-Dollar bereitstellten. Sie bilden die weltweit größte Zuliefergruppe an die USA. Auch diese Unternehmen müssen nachweislich Maßnahmen zur Vermeidung gefälschter Zulieferteile treffen und entsprechende Werkzeuge einsetzen.

Excluded Party List System (EPLS)

Im Ergebnis der Recherchen zu den Quellen gefälschter Bauteile haben die US-amerikanischen Behörden Anfang 2012 mit dem Excluded Party List System (EPLS) eine spezielle Informationsmöglichkeit via Internet geschaffen, wo Firmen und ihre Produkte aufgenommen werden, die in Aufträgen von Einrichtungen der US-Regierung (Federal Contracts) für mindestens drei Jahre nicht berücksichtigt werden dürfen [6].

Firmenname Land, Stadt
Web-Adresse
Huajie Electronics China, ZhangJiagang/Shenzhen www.huajie.com
Hong Dark Electronic Trade Company China, Shenzhen http://bastenzhang.hobid.com
A Access Electronics China, Shenzhen unbekannt, nur Telefon

Die in der Tabelle 1 enthaltene Recycling- und Handels-Firmengruppe Hong Dark Electronic Trade Company ist im EPLS mit vielen Einträgen enthalten. Sie wurde mit allen ihren Unterfirmen wie Hong Dark Electronic Trade, Hong Dark Electronics Co., Shenzhen Hong Dark Electronics Co., Hongdark Electronic, Hongdark Technology Co., HongXing Da Technology Co. usw. von weiteren „sensiblen“ direkten oder indirekten Handelsgeschäften mit den USA ausgeschlossen.

Doch auch US-amerikanische Bauteilhändler wie VisionTech Components, die die Zulieferketten gefälschter Bauteile unterstützt haben, müssen mit gerichtlichen Konsequenzen rechnen. Zwischen 2006 und 2010 hat VisionTech gefälschte Bauteile, die aus China importiert wurden, an mehr als 1000 Kunden in den USA und anderen Ländern verkauft, darunter einige Wehrtechnik-Hersteller.


  1. Schutz vor Fälschungen
  2. Maßnahmen in der EU gegen Bauteilfälschung
  3. IHS – weltweite Dienstleistung gegen gefälschte Produkte
  4. Normen gegen Produktpiraterie
  5. Links und Quellen

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