Gefälschte Bauteile

Schutz vor Fälschungen

5. Oktober 2012, 15:36 Uhr | Von Dr.-Ing. Hartmut Poschmann

Fortsetzung des Artikels von Teil 3

Normen gegen Produktpiraterie

Bei den weithin bekannten Normeninstitutionen ISO und IEC, aber auch bei SAE International (Society of Automotive Engineers) gibt es entsprechende Arbeitsgruppen, die sich mit der Erarbeitung normativer Grundlagen für den Kampf gegen Produktpiraterie befassen (Tabelle 4).

Gremium
Name
Weitere Informationen
ISO TC 247 Fraud countermeasures and controls (Betrugs-Gegenmaßnahmen und Kontrolle) Website
ISO TC 246 Anti-counterfeiting tools Website
SAE G-19 Counterfeit Electronic Parts Committee Website
IEC TC 107 Process management for avionics Website

Im Normenkomitee ISO TC 246 arbeiten 16 Länder mit, darunter alle großen Industrieländer und auch China. Insbesondere SAE hat mit den AS-Dokumenten bereits Standards erarbeitet, die recht genau die Belange der Bauteilindustrie beachten. Bei der IEC und bei ISO sind einige neue Normenprojekte zum methodischen Herangehen in Arbeit.

Als eine wesentliche Grundlage für den internationalen Kampf gegen Fälschungen werden die Standards der Society of Automotive Engineers gesehen. Der Standard AS5553 beispielsweise wird in den USA allen Firmen empfohlen, die Bauteile für Anwendungen mit hoher Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit einsetzen. Die AS-Standards werden deshalb nicht nur von den Elektronikzulieferern der Automobilbranche genutzt, sondern auch von Elektronikproduzenten für andere Branchen, so Luft- und Raumfahrt, Medizintechnik, Militärtechnik.

AS5553 gibt Hilfe zu folgenden Sachgebieten:

  • Maximale Verfügbarkeit von authentischen Teilen.
  • Beschaffung von Teilen aus zuverlässigen Quellen.
  • Sicherstellung der Echtheit und Übereinstimmung der beschafften Teile.
  • Kontrolle der Teile, die als Fälschungen identifiziert wurden.
  • Berichterstattung über gefälschte Teile an andere potenziellen Nutzer und staatliche Ermittlungsbehörden.

Mark Stevens (SCB Training Center Inc., Kalifornien) stellt in einem Vortragsmanuskript mit dem Titel „Counterfeit Parts Prevention Using Import/Export Controls as a Tool in Risk Mitigation“ 53 Punkte vor, die bei der Umsetzung von AS5553 im Unternehmen zu berücksichtigen sind [21].

Parallel zu AS5553 kommt 2012 der Standard AS6174 heraus. Er behandelt alle Gebiete, die mit Materialien, Teilen, Baugruppen zu tun haben, klammert allerdings elektronische Bauteile aus, da diese schon Inhalt von AS5553 sind. Im Februar 2012 wurde die Kritik geäußert, dass die Abgrenzung der Geltungsbereiche beider Standards im jetzigen Proposal (Entwurf) von AS6174 nicht klar genug sei, um in der Praxis nicht für Verwirrung zu sorgen [22].

Es wurde empfohlen, bei der Fertigstellung des neuen Standards besser die in 2010 und 2011 von verschiedenen US-Regierungs- und US-Army-Institutionen erarbeiteten umfangreichen Studien zu beachten und in AS6174 mehr herauszuarbeiten, welche strategisch wichtigen Materialien besonders im Blickfeld von Fälschungsbeobachtungen stehen müssten.

In der internationalen Fachwelt ist man der Meinung, dass auch die konsequente Anwendung des Standards IDEA-STD-1010-B „Acceptability of Electronic Components Distributed in the Open Market“ schon erheblich dazu beitragen kann, gefälschte Bauteile sozusagen bereits am Werkseingang besser zu erkennen. Diese Richtlinie liefert wichtige Grundlagen für eine ordnungsgemäße Wareneingangskontrolle insbesondere solcher Bauteile, die von Händlern bzw. Distributoren im sogenannten „offenen Markt“ gekauft wurden – wie es auch in der Regel die chinesischen Händler sind [23, 24]. Der Standard wurde vom amerikanischen Fachverband IDEA (Independent Distributors of Electronics Association, Buena Park, California, USA) als praktische Arbeitshilfe bereitgestellt.

Das Dokument mit Arbeitsstand 2011 kann Grundlage der Bauteilinspektion entweder beim Bauteilanwender selbst oder bei einer von ihm beauftragten Institution sein. Es ist ähnlich wie IPC-A-610 aufgebaut und beschreibt in 14 Kapiteln mit vielen Farbaufnahmen, wie Bauteile aussehen müssen, um eine gewisse Sicherheit vor Fälschung zu geben. Um sicherzugehen, dass das Inspektionspersonal auch tatsächlich über das erforderliche Fachwissen verfügt, hat IDEA die Richtlinie IDEA-ICE-3000 entwickelt. Anhand dieser können Mitarbeiter gezielt geschult und nach der Richtlinie zertifiziert werden (Certified IDEA-ICE-3000 Counterfeit Component Auditor/Inspector).

ERAI hat 2011 eine Sonderausgabe der Fachzeitschrift Supply & Demand Chain Executive herausgegeben, die sich unter dem Titel „The Counterfeit Crisis“ auf 23 Seiten mit der aktuellen Situation und Handlungsempfehlungen befasst [25, 26]. Zu letzteren zählt der Einsatz der Richtlinien der AS-Serie der SAE.

Werkzeuge zum Erkennen gefälschter Bauteile

Aus Platzgründen hier nur ein Beispiel für Werkzeuge, die bereits jetzt verfügbar sind: Das englische Unternehmen ABI Electronics Ltd. hat mit dem „SENTRY Counterfeit IC Detector“ einen einfach zu bedienenden Tester entwickelt. Ein Kästchen mit Aufnahmen für unterschiedliche IC-Formen arbeitet mit einem Computer zusammen, auf dem eine spezielle, von ABI entwickelte Testsoftware installiert ist [27].

Literatur zu gefälschten Bauteilen

Harold Hewett von Electro-Comp Services Inc. (Clearwater, Florida, USA) hat zur SMTA International Conference 2011 einen Vortrag gehalten, in dem er ausführlich Analysemethoden und Merkmale zur Ermittlung gefälschter Bauteile vorstellte. Das 11-seitige Manuskript, welches zahlreiche Bilder mit untersuchten Fälschungsbeispielen enthält und den Blick für die Problematik schärft, wird vom IPC bereitgestellt und ist unter [28] herunterladbar.

Einen kleinen Einblick in die Gefährlichkeit, seltene Bauteile insbesondere für militärische Anwendungen über bestimmte Internetplattformen zu bestellen, gibt ein 23-seitiger Bericht des U.S. Government Accountability Office (GAO) vom Februar 2012 [29]. Er basiert auf eigenen Erfahrungen zu Testbestellungen bei chinesischen Händlern.

Der ZVEI hat im November 2011 die Schrift „Gefälschte Bauteile in der Elektronikproduktion“ als Handlungsempfehlung heraus gegeben, die über [30] gegen Entgelt bezogen werden kann.


  1. Schutz vor Fälschungen
  2. Maßnahmen in der EU gegen Bauteilfälschung
  3. IHS – weltweite Dienstleistung gegen gefälschte Produkte
  4. Normen gegen Produktpiraterie
  5. Links und Quellen

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