Mikrocontroller

Strategien zur Auswahl der richtigen MCU

4. September 2013, 16:41 Uhr | Von Erich Brockard und Frank Riemenschneider
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Theoretisch können die Kunden sich im Internet umfassend informieren, indem sie sich die jeweiligen Informationen aus den Datenblättern der einzelnen Halbleiterhersteller herunterladen und diese Datenblätter dann in allen Einzelheiten vergleichen. Das ist durchaus machbar, bedeutet aber viel Arbeit. Allerdings gibt es dabei viele Feinheiten, die nicht immer so explizit erwähnt sind, die gute Distributoren aber schon im Rahmen der täglichen Arbeit kennengelernt beziehungsweise festgestellt haben.

Im Prinzip ist nämlich das Internet eine Marketing- und Werbe-Plattform der Halbleiterhersteller, aber es gibt jenseits der Blogs nur selten Benchmarks, aus denen hervorgeht, welcher Halbleiterhersteller wo seine besonderen Stärken und Schwächen hat. Auch die Unterschiede der einzelnen ARM-Cortex-Implementierungen liefert das Internet praktisch nicht herstellerübergreifend, obwohl die Details der Implementation sehr wichtig sind.

So kann sich beispielsweise die interne Busstruktur einer MCU positiv auf die eine Anwendung auswirken, aber negativ auf eine andere Anwendung. Vielleicht ist ein Leistungsmerkmal A beim Hersteller X nicht so gut implementiert wie beim Hersteller Y, während das Leistungsmerkmal B beim Hersteller X besser implementiert ist als bei Hersteller Y. Der eine (beim jeweiligen Leistungsmerkmal bessere) Hersteller wird diese Eigenschaft nicht immer besonders herausheben, während der andere (beim jeweiligen Leistungsmerkmal eher schlechtere) Hersteller die entsprechende Eigenschaft eher unter den Tisch kehrt. Es gibt ja keinen wirklich schlechten Mikrocontroller, sondern es gibt Mikrocontroller, die besser oder schlechter für eine individuelle Applikation passen.

Rein prinzipiell betrachtet liefert ein guter Distributor eine neutrale Beratung über seine Herstellerpalette hinweg. Da ist es natürlich gut, wenn die Linecard des Halbleiter-Distributors alle wesentlichen Mikrocontroller-Hersteller enthält, denn schließlich geht es bei jedem Design um individuelle Entscheidungen, die auf die jeweils aktuelle Applikation der Entwickler zugeschnitten sind. Die große Produktmatrix über sämtliche vertretene Hersteller hinweg ist als Know-how beim Distributor vorhanden. Welche Distributoren seitens der technischen Kompetenz besser oder schlechter sind, lassen sich z.B. an den Ergebnissen der Wahlen zum „Distributor des Jahres” seitens der Fachzeitschrift Elektronik feststellen - und diese Kompetenz fließt in die Beratungsgespräche ein.

Ein weiterer Aspekt kommt dann ins Spiel, wenn die prinzipielle Entscheidung für einen bestimmten Mikrocontroller gefallen ist: Nicht nur bei brandneuen Mikrocontrollern ist es nämlich wichtig, dass das BSP (Board Support Package) dann auch wirklich zur Verfügung steht (und funktionstüchtig ist), wenn die Entwickler es benötigen. Eines ist jedoch klar: Wenn ein Entwicklungsteam den Sprung von der 8-bit-Welt in die 32-bit-Welt macht, dann benötigt es mehr Unterstützung als ein anderes Team, das von der einen 32-bit-Plattform zu einer anderen wechseln möchte.

Familienkonzepte/Familienplanung und mehr

Oftmals geht es in den Entwicklungsabteilungen darum, nicht nur eine individuelle Einzelentwicklung durchzuführen, sondern den Grundstein für eine ganze Produktfamilie zu legen. In diesem Fall spielt das Familienkonzept der Halbleiterhersteller eine wesentliche Rolle bei der Entscheidung. Auch das Ökosystem um die Halbleiter herum ist von großer Bedeutung: Welche BSPs stellen die Halbleiterhersteller zur Verfügung, wie gut ist der Support der BSPs und welche geeigneten Tools gibt es von Drittanbietern? Letztendlich zählt bei der finalen Entscheidung das gesamte Paket.

In vielen Steuerungsaufgaben spielen auch Sicherheitsaspekte (Safety) eine große Rolle, so dass die Safety-Konzepte der Mikrocontroller in bestimmten Applikationen zu einem, wenn nicht gar zum entscheidenden Faktor werden. Derartige Mikrocontroller müssen dann den geforderten SIL (Safety Integrity Level) erfüllen.

In diversen Anwendungen wie zum Beispiel Metering hat eine besonders geringe Verlustleistungsaufnahme gepaart mit einem niedrigen Preis eine ganz zentrale Bedeutung. Eine steigende Anzahl von Applikationen benötigt mittlerweile eine Ethernet-Anbindung, so dass für derartige Entwicklungen nur Mikrocontroller mit integrierter Internet-Peripherie in Frage kommen. Viele High-End-Anwendungen fordern sogar mindestens zwei Ethernet-Kanäle, die der Mikrocontroller dann möglichst bereits auf seinem Chip komplett bedient.

Für den Einsatz im Automobil wiederum eignen sich in der Regel nur Bauelemente, die entsprechend Automotive-qualifiziert sind, wobei Mikrocontroller, die in sicherheitsrelevanten Anwendungen wie der Steuerung von Bremsen, Elektroantrieben etc. zum Einsatz kommen, nochmals spezifischen Anforderungen wie zum Beispiel ASIL-D genügen müssen.

Bei Produkten für das Internet der Dinge beziehungsweise im Rahmen von Industrie 4.0 kommt vermehrt die Frage nach der Security, also nach der Daten- und Manipulationssicherheit auf. Auch in dieser Hinsicht muss das zu entwickelnde System und damit auch der Mikrocontroller die entsprechende Lösung parat haben. Je nach Anwendung kann der Security-Aspekt sogar an erster Stelle bei der Entscheidung für den passenden Mikrocontroller stehen - und zwar ganz besonders, wenn ein Zugriff auf das System per Fernwartung möglich sein soll. In diesem Fall muss dann meist ein sicherer Zugang per -HTTPS erfolgen, den die MCU möglichst auch unterstützen soll.

Ein ganz wichtiges Thema ist auch das Gehäuse des Mikrocontrollers. In manchen Anwendungen spielt auch die Bauhöhe eine Rolle. BGAs sind beispielsweise sehr klein, aber nicht jedes Unternehmen kann BGAs verarbeiten. Auch wenn der Pitch (Abstand der Anschlüsse) zu klein ist, können manche Firmen ein Bauteil nicht mehr nutzen.


  1. Strategien zur Auswahl der richtigen MCU
  2. ARM oder nicht ARM?
  3. Erfolgskritische Peripherie
  4. Beratung nutzen!
  5. Tools und Referenz-Boards

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