Sie sprachen davon, Murata zum »Capacitor House« der Zukunft auszubauen. Bedeutet dies, dass Sie neben MLCCs in Zukunft auch andere elektrochemische Kondensatorsysteme entwickeln und anbieten?
Nein, sie werden auch in Zukunft wohl keinen Alu-Elko mit nassem Elektrolyten oder Standard Tantal-Kondensator von Murata bekommen. Wir konzentrieren uns auf die Technologien der Zukunft und das bedeutet für uns nicht nur keramikbasierte Lösungen, bei denen wir auch weiterhin unsere Technologie- und Marktführerschaft verteidigen werden, sondern wir werden auch in andere Materialien investieren. Die Möglichkeiten der Schichttechnologie zeigen wir nun auch bei den Doppelschicht Kondensatoren. Hier liefert Murata demnächst den dünnsten und leistungsstärksten SuperCap, der derzeit am Markt erhältlich sein wird. Ein anderes Beispiel ist ein keramikbasierter Multilayer-Varistorersatz für den ESD-Schutz. Von diesem erst vor einiger Zeit eingeführten Bauelement verkaufen wir wegen der hervorragenden elektrischen Werte, vor allem bei hohen Frequenzen, viele Millionen Stück im Monat. Wir lösen damit vermehrt Varistoren wegen deren hohen kapazitiven Werte ab. Auch liefert Murata in der Zwischenzeit SMD-Polymer-Aluminium-Kondensatoren, um den Bereich mit mehreren 100 µF oberhalb des MLCC-Spektrums abzudecken.
Technologisch konzentrieren Sie sich weiter auf Ihre Kernkompetenzen, hinsichtlich zukünftiger Wachstumsentwicklungen sondiert Murata verschiedene Zukunftsmärkte. Verändert sich das Unternehmen durch die zur Zukunftsentwicklung gehörenden Akquisitionen?
Ja, und das ist ein absolut gewollter Effekt. Murata treibt den Anteil internationaler Manpower gezielt voran. So ist es für ein japanisches Unternehmen sicher bisher ungewöhnlich, dass sowohl der Europa- als auch der USA-Chef des Unternehmens kein Japaner ist. Die ganz klare Strategie dahinter lautet: Murata war bislang ein japanisches Unternehmen mit weltweiten Geschäftsbeziehungen, in Zukunft wird Murata ein internationales Unternehmen mit Hauptsitz in Japan sein. Für japanische Unternehmen ein fast schon revolutionärer Ansatz.
In diesem Jahr wurde die Lieferkette der Bauelementebranche zweimal durch Naturkatastrophen in Japan und Thailand starken Belastungen unterzogen. Hat die jüngste Flutkatastrophe in Thailand Ihre Lieferfähigkeit beeinträchtigt?
Nein, da sich unsere Werke in Thailand im Norden des Landes befinden, wurden sie von der Flutkatastrophe nicht in Mitleidenschaft gezogen. Natürlich erzwangen der Ausfall von Flughäfen und Verkehrsrouten Alternativlösungen, aber die wurden schnell gefunden, wir haben einfach auf unsere Notfallpläne zurückgegriffen. Auch die Dreifachkatastrophe von Fukushima hat sich- bis auf ein kleines Segment- nicht negativ auf unsere Lieferfähigkeit ausgewirkt. Alle Lieferverpflichtungen auch bei diesen Produkten konnten erfüllt werden. Neben den immensen Anstrengungen vor Ort in Japan lag das auch daran, dass wir zusammen mit unserem Logistikpartner Panalpina nach den Ereignissen um den Ausbruch des isländischen Vulkans »Eyjafjalla« im April 2010 einen weit reichenden Notfallplan für solche Situationen entwickelt hatten, den wir dann nur noch aus der Schublade ziehen mussten. Auch hier ist die Tatsache bemerkenswert, dass wir als japanische Firma mit einem europäischen Logistikpartner die Versorgung unserer Kunden von den Werken in Asien nach Europa sicherstellen.
Thema Europa: Wie stellt sich aus Ihrer Sicht die aktuelle Entwicklung auf dem europäischen und deutschen Markt für passive Bauelemente dar, und mit welchem Geschäftsverlauf rechnen Sie aus heutiger Sicht für 2012?
Wir sind im Commodity-Bereich tätig, und der reagiert sehr schnell auf aktuelle Marktentwicklungen, die sich für andere Branchenbereiche erst in sechs bis neun Monaten auswirken. Konkret beobachten wir speziell in der Distribution seit Sommer Bremsspuren im Auftragseingang. Dafür läuft Automotive derzeit besser als in den ersten sechs Monaten dieses Jahres. Entscheidend für das Geschäft 2012 wird sein, dass die Automobilkonjunktur nicht abreißt. Das ist in Europa unser absoluter Hauptabsatzmarkt. Aber ich sehe hier für die Zukunft noch Wachstumspotenzial, was auch damit zusammenhängt, dass sich durch den Zusammenschluss von TDK und EPCOS für uns neue Möglichkeiten am Markt erschließen, weil Produkte, bei denen es bisher zwei Lieferanten gab, nun plötzlich zum Single-Source-Produkt wurden.
Mit dem Thema Automotive waren vor zwei Jahren auch völlig neue Produktaktivitäten bei Murata verbunden. Sie haben Lithium-Akkus für E-Mobility-Lösungen entwickelt und in Ihrem Geschäftsbericht vorgestellt. Was ist aus diesen Aktivitäten geworden?
Wir haben in der Zusammenarbeit mit unseren Kunden lernen müssen, dass speziell in diesem sich gerade entwickelnden Markt die Prognosen großen Schwankungen unterliegen. Wir arbeiten weiter an marktgerechten Lösungen, und wenn alles nach Plan läuft, werden wir in ein bis zwei Jahren hier Umsätze generieren.