Rayk Blechschmidt, Microchip
Rayk Blechschmidt, Europe Segment Manager Automotive bei Microchip Technology, betont, dass es sich um seine persönliche Meinung und kein offizielles Statement von Microchip handelt.
Der Bedarfsanstieg basiert auf den Produktions-Forecasts der Autohersteller. In wieweit diese den tatsächlichen Marktbedarf widerspiegeln, ist schwer zu beurteilen, da die unterschiedlichen globalen Marktplätze auch unterschiedlichen Marktmechanismen unterliegen. In Asien und China können wir tatsächlich von einem hohen Bedarfsniveau sprechen. In den USA z.B. werden Autos meist vom Parkplatz der Händler gekauft und nicht wie z.B. in Deutschland mit Lieferzeiten von 6 bis 12 Monaten speziell für den Kunden bestellt. Diese Vorräte der Händler in den USA hatten sich während der Sommermonate 2020 sehr stark reduziert, was zu hohen Bedarfen der Händler dort führte. In Europa gab es ein kleines Wachstum der Verkaufszahlen im September, das aber Oktober/November wieder ins Negativ umgeschlagen ist. In Europa fehlen verlässliche Rahmenbedingungen für Autokäufer Stichwort „Fahrverbote“.
Generell ist zu sagen, dass die Autohersteller nach dem „Full Stop“ im März/April 2020 mittlerweile wieder eine bessere Vorrauschau auf Ihre Bedarfe geben. Das löst aber leider nicht das Problem, das der „Full Stop“ der Automotive-Industrie generiert hat: Die Kapazitäten wurden zu anderen Industrien verlagert. Die Lieferkette war gezwungen sich umzustellen, in Zeiten, in denen der Automotivmarkt für Monate stillstand.
Alle OEMs/Tiers-Ones sind aus meiner Sicht gleichermaßen betroffen. Die Marktverwerfungen, die durch den „Full Stop“ der Autoindustrie und der gleichzeitig weltweiten Bedarfssteigerung an Elektronik in Bereichen wie Medizin, Datacenter, Netzwerk- und Computer-Elektronik sowie Telekommunikation entstanden sind, lassen sich nur langsam wieder ausgleichen.
Dem Aufruf im Juli 2020 an die Tier1 Ihre Bedarfe bis Ende 2020 zu platzieren, ist nur sehr langsam und teilweise viel zu träge gefolgt worden. Manche Tier-Ones haben erst im September und Oktober 2020 reagiert, als die Lieferzeiten zum Teil bereits im Bereich von 20 bis 30 Wochen lagen.
Wir sehen in allen Bereichen Fertigungen, die über ihre Kapazitätsgrenzen hinaus ausgelastet sind. Microchip besitzt selbst Front- und Backend-Fabriken, arbeitet aber auch mit Lieferanten zusammen. Und auch hier zeigt sich: Unsere Lieferanten für Front-End und Assembly sind komplett ausgelastet. Außerdem haben Zuliefermaterialien wie Leadframes sehr lange Lieferzeiten. Dasselbe gilt für Equipment zur Erweiterung der Kapazitäten. Zur Erweiterung der Kapazitäten werden hohe Investitionen und Zeit benötigt.
Da wir eigene Front-End und Assembly-Fertigungen betreiben, versuchen wir, wo immer möglich, Produkte auf eine zusätzliche In-House-Produktion umzustellen. Hierfür benötigen wir die uneingeschränkte Flexibilität unserer Kunden. Das ist im Automotive-Bereich manchmal eine große Herausforderung. Eine Umstellung auf einen zusätzlichen Produktionsstandort heißt aber nicht, dass damit alle Engpässe sofort überwunden werden, aber es trägt zur Stabilisierung der Situation bei.
Zusätzlich werden wir mit erheblichen Preissteigerungen in den Bereichen Front- und Backend konfrontiert. Diese sind auf nötige Investitionen der gesamten Lieferkette in Kapazitäten zurückzuführen. Langfristige feste Liefervereinbarungen in der gesamten Lieferkette bis zum OEM sind notwendig, um die Lieferkette in ruhigere Fahrwasser zu bringen. Das wird am Ende des Tages Geld kosten. Und das wird unweigerlich zu Preissteigerungen beim Endverbraucher, den Fahrzeugkäufern, führen.