Nuvoton ist in Europa noch relativ unbekannt, das soll sich aber ändern. Hsin-Lung Yang, President von Nuvoton, erklärt im Gespräch mit Markt&Technik, warum er glaubt, dass das Unternehmen das auch ändern kann.
Markt & Technik: Worin sehen Sie die besondere Expertise von Nuvoton?
Hsin-Lung Yang: Ich denke, wir konzentrieren uns insbesondere auf drei Bereiche. Der erste ist Sicherheit im Sinne von Security. Nuvoton verfügt über ein sehr starkes Team von Security-Experten.
Heißt das, dass Nuvoton auch eigenständige Security-Elemente anbietet, oder wird die Expertise ausschließlich genutzt, um Security in Komponenten zu integrieren, beispielsweise Mikrocontroller?
Wir gehen in beide Richtungen, das heißt, wir bieten beispielsweise auch zahlreicher TPM-Produkte (Trusted Plattform Module) an. Allerdings entwickeln wir inzwischen immer mehr Produkte mit eingebetteter Sicherheit, ein Trend, der beispielsweise von IoT-Anwendungen getrieben wird. Diese Sicherheitsfunktionen fangen bei einfachen, gängigen Security-Verfahren an und reichen bis zu den sehr komplizierten Security-Features. Zusammenfassend heißt das: die meisten unserer heutigen Produkte verfügen über einen gewissen Grad an eingebetteten Sicherheitsfunktionen.
Gehört Post-Quanten-Sicherheit auch dazu?
Für einige unserer Produkte mit höherer Rechenleistung können wir bereits jetzt Post-Quanten-Sicherheit in Form von Software anbieten. In unserer Roadmap steht aber bereits die Entwicklung von Komponenten, die über eigene Beschleuniger zur Unterstützung der Post-Quanten-Sicherheit verfügen.
Zurück zu den Expertisen von Nuvoton…
Ich bin überzeugt, dass Nuvoton darüber hinaus ein absoluter Spezialist ist, wenn es um niedrige Leistungsaufnahme geht. Auch hier ist das IoT der treibende Markt, denn viele unserer Produkte wandern in entsprechende Anwendungen, die batteriebetrieben sind, so dass es unabdingbar ist, dass die Leistungsaufnahme so gering wie möglich ausfällt, denn je geringer die Leistungsaufnahme, desto länger die Laufzeit der Geräte. Und eine geringe Leistungsaufnahme bezieht sich nicht nur auf Controller, sondern auch in anderen Produktkategorien achten wir sehr darauf, die Leistungsaufnahme soweit wie möglich abzusenken. Das zeigt sich zum Beispiel daran, dass sich unser neues Batterie-Überwachungs-IC für industrielle Anwendungen im Vergleich zur Vorgängergeneration um eine um 90 Prozent verringerte Leistungsaufnahme auszeichnet.
Können Sie bitte noch ein paar Anmerkungen zu wichtigen Neuankündigungen von Nuvoton in diesem Jahr machen?
Ja, das erste Produkt, das wir in diesem Jahr offiziell auf den Markt gebracht haben, ist mit unserer KI-MCU »M55M1« verbunden, die auf einem Cortex-M55-Prozessor und einer Ethos-U55-NPU basiert und eine hohe Leistung im Bereich der digitalen Signalverarbeitung und On-Device-KI bietet.
Die M55M1-MCU wurde letztes Jahr vorgestellt, damals haben wir auch eine Entwicklungsumgebung namens »NuEdgeWise« eingeführt. Sie wurde entwickelt, um unseren Kunden das Training ihrer KI-Modelle zu erleichtern. Sie nutzt das TensorFlow Lite-Framework und deckt den gesamten ML-Entwicklungszyklus ab – von der Datenannotierung und dem Training bis hin zur Validierung und dem Rollout –und bietet somit eine reibungslose TinyML-Entwicklung.
Wir haben jedoch festgestellt, dass viele Entwickler mit der Entwicklung von KI-Produkten nicht sehr vertraut sind. Deshalb haben wir dieses Jahr ein Entwicklungsboard namens NuEzAI-M55M1 auf den Markt gebracht, eine No-Code-Plattform, die selbst für Anfänger sehr einfach zu bedienen ist. Mit diesem Board können KI-Entwicklungen in nur wenigen Minuten umgesetzt werden. Und genau das ist unser Ziel: KI-Entwicklung ohne Programmierung.
Und dieses Jahr werden wir auch noch ein neues Batteriemanagement-IC für industrielle Anwendungen auf den Markt bringen, der speziell auf die Anforderungen von erneuerbaren Energien und Energiespeichersystemen zugeschnitten ist.
Erreichen Sie Energieeinsparung aufgrund ihres Know-hows aufseiten des Schaltungsdesigns oder nutzt Nuvoton auch besondere Prozesstechnologien?
Prozesstechnologien halfen früher, die Leistungsaufnahme zu senken. Aber mit den fortschrittlicheren Prozessknoten ist die Verlustleistung so stark angestiegen, dass dieser Ansatz heute kaum mehr funktioniert. Also fokussieren wir uns auf architektonische Änderungen unserer Schaltungen, inklusive diverser Energiesparmodi wie Sleep- oder Hold-Modi, was wiederum eine schnelle Aufwachzeit unabdinglich macht.
Unser dritter Schwerpunkt ist die zunehmende Ausrichtung auf globale Klimaneutralitätsziele. In diesem Zusammenhang rücken bei Nuvoton ESG-Kriterien (Environmental, Social and Governance) stärker in den Fokus. Neben der Entwicklung energieeffizienter Systeme arbeiten wir daher auch verstärkt mit Kunden an Lösungen im Bereich neuer Energietechnologien und dekarbonisierter Anwendungen.
Was heißt das konkret?
Nuvoton entwickelt zum Beispiel das Batteriemanagement für erneuerbare Energien.
Nuvoton hat viel Konkurrenz, und die meisten von ihnen legen den Schwerpunkt auf geringen Stromverbrauch. Wie positioniert sich Nuvoton also im Vergleich zu seinen Mitbewerbern?
Stimmt, viele Unternehmen erwähnen ähnliche Differenzierungsmerkmale, wobei ich betonen möchte, dass sich Nuvoton grundsätzlich nicht mit der Konkurrenz vergleicht. Wir konzentrieren uns mehr auf die Kundenbindung und ob wir hier gut abschneiden. Und das gilt sowohl für den vertikalen als auch den horizontalen Bereich. In beiden Segmenten hören wir unseren Kunden zu und versuchen, ihre Bedürfnisse zu verstehen und unsere Designs und Architekturen entsprechend zu verbessern. Ich bin überzeugt, dass Energieeinsparungen nur möglich sind, wenn die Entwicklung bzw. das Produkt zur Anwendung passt, sonst hilft es nicht, sonst spricht man nur über allgemeine Zahlen, die in der jeweiligen Anwendung aber ganz anders ausfallen können, nämlich dann, wenn das Produkt eben nicht zur Anwendung passt. Und das hilft weder unseren Kunden noch uns noch der Umwelt.
Heißt das, dass Nuvoton auch maßgeschneiderte Produkte entwickelt?
Wir haben tatsächlich einige davon entwickelt. Aber wir bieten auch Komponenten für den breiten Markt an.
Das eine ist der vertikale Markt, das andere der horizontale, ist ein Bereich wichtiger für Nuvoton?
Nein, für uns sind beide Absatzsegmente wichtig. Wir haben verschiedene Geschäftsgruppen, um mit den unterschiedlichen Kunden in Kontakt zu treten. Die Herangehensweise ist wirklich unterschiedlich, geht es um das vertikale Geschäft, muss man sich als Unternehmen tiefgreifend engagieren. Für den horizontalen Markt sind die richtigen Plattformen entscheidend. Kein Unternehmen ist in der Lage ist, im horizontalen Markt allen Kunden zuzuhören, aber wir nutzen das Know-how, das wir mit Kunden auf der vertikalen Ebene erzielt haben, und setzen es in Plattformen ein, die für den vertikalen Markt entwickelt werden, so dass auch der allgemeine Markt davon profitieren kann.
Schaut man sich die Webseite von Nuvoton an, so bedient das Unternehmen mehr oder minder alle Märkte, gibt es irgendwelche Schwerpunkte?
Ja natürlich, ein Bereich ist zum Beispiel das Computersegment. Nuvoton hat seinen Hauptsitz in Taiwan, und hier gibt es eine sehr gesunde Lieferkette für Computeranwendungen, angefangen beim Server, bis hin zum PC, aber auch Mobiltelefone. Entsprechend sind wir natürlich im Computing-Segment sehr engagiert.
Darüber hinaus haben wir eine große Niederlassung in Japan und damit sind wir automatisch auch sehr stark im Industriemarkt und Automobilmarkt engagiert, beide sind traditionelle Märkte in Japan.
Europa macht derzeit nur 3 Prozent des Umsatzes von Nuvoton aus. Soll sich das ändern?
Ja, wir betrachten Europa als wichtige Wachstumsregion. Wie gesagt, wir haben in Japan bereits eine sehr gute Basis, das gilt auch für China, Taiwan und Korea. Aber in den USA und Europa sieht es anders aus.
Letztes Jahr haben wir unser Büro in München eröffnet. Aus unserer Sicht entscheidend, bevor wir in einer Region aktiv werden. Aber jetzt können wir dank der neuen Mitarbeiter vor Ort mit europäischen Kunden in Kontakt treten. Und das ist entscheidend, denn wie ich bereits betont habe, ist es für Nuvoton wichtig, mit unseren Kunden in einen engen Austausch zu treten. Und das wird hoffentlich mit unserem Münchner Büro möglich sein, so dass wir unser Wachstum in dieser Region in den nächsten Jahren ausbauen können.
Und wie sieht es mit den Vereinigten Staaten aus?
Anfänglich hatten wir ein Forschungs- und Entwicklungsteam in San Jose. Vor zwei Jahren haben wir noch ein Büro im Großraum Detroit eingerichtet und letztes Jahr eines in Texas. Das heißt, wir haben mittlerweile auch in den USA drei Standorte, mit dem gleichen Ziel: die Kunden in den Vereinigten Staaten zu unterstützen.
Das Interview führte Iris Stroh