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Die Halbleitertechnik hat die zelluläre Schnittstelle erreicht

11. Februar 2019, 11:15 Uhr | Engelbert Hopf

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Fitnessarmbänder & Co

Spätestens seit im Zuge von IoT Fitnessarmbänder oder Smart Watches ihren Trägern Informationen über die Zahl der täglich zurückgelegten Schritte, Puls-Monitoring und ähnliches anbieten, scheint sich die Stimmung wieder mehr Richtung verstärkter Einsatz von Mikroelektronik und unterstützenden Algorithmen zu drehen. »Apple hat das Geld in die Hand genommen und einen Halbleiterhersteller für die Entwicklung der entsprechenden Lösung bezahlt«, so Prof. Wolf. »Technisch wären wir heute bereits viel weiter. Im Dimensionierungsbereich der Halbleitertechnik bewegen wir uns heute an der zellulären Schnittstelle. Wir könnten beliebig Chips absetzen und die mit Nervenzellen verkoppeln.«

Doch das scheint vorerst nicht das Ziel der amerikanischen Tech-Konzerne zu sein. »Ein elektronisches Gerät wie die Apple Watch ist ein schöner Indikator, mit dem ich als Träger meine Werte tracken kann und mir dadurch im Idealfall Veränderungen auffallen, die mich dazu bewegen, zum Arzt zu gehen, der dann beispielsweise ein richtiges 3- oder 12-Kanal-EKG macht, um eventuellen gesundheitlichen Problemen auf die Spur zu kommen«, bewertet Dr. Johannes Kreuzer, Gründer und CEO von cosinuss° die aktuelle medizinische Bedeutung von Fitnessarmbändern oder Smart Watches. Aus diesem Grund, so Tobias Hübner, Executive Director für Central European Sales bei Maxim Integrated, »weist Apple ja auch darauf hin, dass die Uhr FDA-Cleared, aber eben nicht Approved ist«. Nach seiner Einschätzung haben sich solche Geräte in den letzten Jahren vom Gadget zum Feel-Good-Produkt entwickelt, mit Tendenz nach oben. »Es gibt sicherlich Stellen des Körpers, die zur Aufnahme der Daten prädestinierter wären als das Handgelenk«, so Hübner, »aber das Handgelenk kombiniert eben die täglichen Bedürfnisse des Nutzers sehr gut und erhöht damit dessen Akzeptanz«.

»Das Handgelenk und die Uhr sind sicher die einfachste Lösung, um ein solches Gerät zu tragen«, pflichtet Jan Broeders, Healthcare Business Development Manager Europe bei Analog Devices, bei. »Es gibt sicher Messverfahren, die können am Handgelenk funktionieren, aber ich sehe diese Lösung in erster Linie als eine Hilfe für präventive Anwendungen.« – »Wenn man berücksichtigt, dass klassische EKGs durch Muskelartefakte verfälscht werden, dann könnte es durchaus sein, dass EKGs, die etwa durch eine Smart Watch aufgenommen werden, weniger verfälscht sind«, meint Prof. Wolf, »das müsste man einmal überprüfen«. Er weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es inzwischen viele EKG-Datenbanken gibt. »So etwas kann ich in einem EPROM ablegen und bekomme damit auch aus dem verrauschtesten EKG ein sauberes EKG, indem ich die Daten linearisiere, korrigiere und referenziere.«

Hübner und Dr. Kreuzer sehen durchaus positive Aspekte darin, dass sich mit den Tech-Konzernen nun neue Player im Healthcare-Bereich bewegen, die es gewohnt sind, mit anderen Formfaktoren umzugehen und auch Aspekte wie Design bei ihren Produktideen zu berücksichtigen. »Ab einem bestimmten Alter stellen die Menschen eben fest, dass Leute um sie herum sterben, sie achten deshalb mehr auf ihre gesunde Ernährung, darauf, sich zu bewegen, und wenn mir ein solches Device die Möglichkeit gibt, mich selbst zu monitoren, dann nutze ich das«, gibt Hübner zu bedenken. »Die vergleichsweise geringen Preise erlauben es mir, so ein Gerät einfach zu kaufen und nicht warten zu müssen, bis mir die Krankenkasse so etwas zur Verfügung stellt. Wenn man nur auf das Gesundheitssystem angewiesen ist, dann kann das mitunter ziemlich lange dauern.«

Fazit: Elektronische Geräte, wie sie seit einigen Jahren von der Konsumgüterindustrie angeboten werden, haben im Idealfall einen präventiven Nutzen, so die Diskussionsteilnehmer; eine klassische medizinische Untersuchung ersetzen sie nach heutigem Stand auf keinen Fall. Wie das in zehn Jahren aussehen mag, lassen die versammelten Experten ausdrücklich offen. Mit welchen Schwierigkeiten speziell das Deutschen Gesundheitswesen beim Einsatz neuer Technologien kämpft, zeigt das Beispiel der Gesundheitskarte. Für ihre Entwicklung wurden bislang mehrere hundert Millionen Euro versenkt, ohne dem gewünschten Ergebnis näher zu kommen. »Das ist eine Blamage, was dort passiert ist«, meint Dr. Kreuzer, »man darf sich nicht wundern, dass man dann irgendwann entwicklungstechnisch rechts und links überholt wird«. Als Reaktion auf das Entwicklungs-Debakel bei der Gesundheitskarte bieten inzwischen einige Krankenkassen ihren Kunden die App Vify an, um medizinische Daten und Untersuchungsergebnisse als Datei auf dem Handy zu speichern.

 


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