Halbleiterfertigung

Die Geschichte hat mal »Groß« angefangen

27. Oktober 2022, 14:35 Uhr | Iris Stroh

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Bezieht das eine Fertigung mit modernsten Prozessen in Europa mit ein?

Welche Fortschritte seit den Anfängen der Halbleiterfertigung bis heute zu der 5-nm-Strukturen. Und wie es weitergeht.
© imec

Ich persönlich denke, dass wir nicht versuchen sollten, alles selbst zu machen. Die Welt kann es sich nicht leisten, getrennte Ökosysteme zu haben, sprich: ein komplettes Ecosystem in Europa, eines in USA und eines in Asien. Wir müssen diese Ökosysteme miteinander verbinden, aber wir müssen sicherstellen, dass Europa in diesem weltweiten Ecosystem eine wichtige Rolle spielt. Momentan findet die Fertigung mit kleinsten Prozessstrukturen zum Großteil auf einer Insel statt, das ist ein Risiko, das zu groß ist. Das heißt, es ist wichtig, dass es weltweit mehrere Fertigungsstandorte geben muss, in denen ICs mit kleinsten Strukturen gefertigt werden können, aber noch einmal: Das heißt nicht, dass wir es selbst tun müssen.

Es ist vielmehr wichtig, die Stärken Europas zu fördern, und davon gibt es einige. Das fängt beispielsweise bei ASML an, ein einzigartiger Equipment-Hersteller, dazu gehören aber auch Unternehmen wie Zeiss oder Soitec. Dazu kommt noch, dass Europa mit Organisationen wie dem imec, Fraunhofer und Leti auf der R&D-Seite durchaus führend ist. Darüber hinaus sind wir beispielsweise auch in der Fertigung von Sensoren oder Leistungshalbleitern führend. Infineon oder Bosch sind hier sehr gute Beispiele. Diese Stärken müssen gefördert werden.

Geht es um modernste Fertigungsprozesse, sollten wir auf Partnerschaften setzen. Das heißt, ich unterstütze die europäische Strategie, internationale Unternehmen wie Intel in Magdeburg zu unterstützen oder TSMC dazu zu bewegen, sich in Europa mit einer eigenen Fertigung zu etablieren. Das ist genau der richtige Weg. Wie gesagt: Die europäischen Industrien wie beispielsweise die Automobilindustrie, die Kommunikationsindustrie, in Zukunft sicherlich auch die Healthcare-Industrie brauchen beide Technologierichtungen. Und genau das müssen wir adressieren.

Luc Van den hove von imec
Luc Van den hove von imec
© imec

Hier kann das imec einen sehr wichtigen Beitrag als Innovationsmotor leisten, sodass europäische Unternehmen die ersten sind, die besondere Innovationen implementieren können. Ich bin überzeugt, dass die Automotive-Industrie bislang zu weit von den Innovationen der Halbleiterindustrie entfernt war. Dort herrschte die Einstellung, dass Halbleiter ein Commodity-Produkt sind, also einfach ein Produkt, was sie zukaufen müssen. Aber es hat sich gezeigt, dass Halbleiter genau die Komponenten sind, die die neuen Fahrzeuge ausmachen.

Die Automotive-Industrie hat wahrscheinlich ihre Lektionen gelernt.

Ja, aber dennoch: Wir müssen die Automotive-Industrie enger mit den Innovationszyklen im Halbleiterbereich zusammenbringen. Ich bin überzeugt, dass wir mit Organisationen wie dem imec in Europa wirklich außergewöhnlich gute Voraussetzungen haben, um das zu schaffen. Und es ist überaus positiv zu bewerten, dass wir heutzutage bereits eine deutlich engere Interaktion etabliert haben.

Könnten die geopolitischen Spannungen die von Ihnen beschriebene Weiterentwicklung, wie eine heterogene 3D-Integration, gefährden?

Nein, ich bin absolut davon überzeugt, dass die 3D-Integration zum Einsatz kommen wird, und zwar in allen Anwendungsbereichen. Das gilt sowohl für Hochleistungsanwendungen, wo Prozessoren mit Speicher und einer extrem hohen Bandbreite kombiniert werden. Es gilt aber auch im Automotive-Segment, wo auch verschiedene Chiplets zusammengesetzt werden. Ich denke, Chiplets werden mehr oder minder in allen Anwendungen zum Einsatz kommen.

Moore’s Law wird also auch in zehn Jahren noch seine Gültigkeit haben, nur die Wege werden andere sein?

Auf alle Fälle, Moore’s Law wird zwar langsamer, aber definitiv nicht an Gültigkeit verlieren. In vielen Anwendungsbereichen reicht das Shrinken, aber wir brauchen auch neue Transistorarchitekturen, die es möglich machen, die Leistungsfähigkeit in Hinblick auf ein System zu optimieren. Das heißt, dass der Transistor für High-End-Prozessoren anders ausfallen wird als der Transistor für Speicheranwendungen oder HF-Anwendungen. Das heißt, wir müssen die Technologie in Hinblick auf die Applikation optimieren.

Früher wurde die Roadmap für die Halbleiterindustrie von der ITRS vorangetrieben.Hat das imec diese Aufgabe übernommen?

Wenn man so sagen möchte, ja, wobei der Prozess deutlich komplexer geworden ist. Haben sich früher die Verantwortlichen ein- oder zweimal im Jahr getroffen, arbeiten wir heute mit einem Team von 5.000Leuten in verschiedenen Forschungsprojekten, um einen Konsens zu erzielen, wie die Roadmap aussehen wird, wobei wir auch noch alle wichtigen Akteure entlang der Wertschöpfungskette mit im Boot haben.

Herr Van den hove, vielen Dank für das Gespräch.


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