Der Mittelstand hat mit »Fabrik 4.0« sein eigenes Ding auf die Beine gestellt, weil sie sich vom Industrie-4.0-Konsortium, wo die großen Player wie Siemens, Telekom und andere ihr Ding durchziehen, nicht hinreichend vertreten fühlen. Wie kommentieren Sie diesen Weg?
Die Verunsicherung beim Thema Industrie 4.0 ist groß, auch im Mittelstand. Umso wichtiger ist es, dass wir hier zu einheitlichen Standards für die Sicherheit kommen und ich kann mich nur wiederholen: Alle Beteiligten sind gefragt.
Eine weitere Herausforderung ist das Fehlen interdisziplinärer Fachkräften. Früher gab es die Halbleiterspezialisten und die IT-Profis. Heute im Zeitalter der Digitalisierung braucht man Leute, die beide Welten beherrschen, wie machen Sie das bei NXP?
Wir nennen das Application-Know-how und haben dies in den letzten Jahren bewusst massiv aufgebaut in einer eigenen Akademie. Dort lehren unsere besten Fellows und Systemarchitekten, die haben auch das Programm, das über 18 Monate läuft, entwickelt. Viele »Schüler« sagen übrigens, da war die Uni ein Kinderspiel im Vergleich. Die Schüler sitzen im Rahmen der Ausbildung auch direkt bei Kunden wie Apple oder Samsung im Büro und dann wissen sie, was Intensität bedeutet. Bislang haben rund 1.300 unserer Mitarbeiter die Akademie durchlaufen.
Ich kann mir vorstellen, zu den Zeiten, als Sie bei NXP angefangen haben mit 6,5 Mrd. Schulden und kaum Geld verdient, war es nicht einfach, gute Leute zu finden …
(lacht) Davon können Sie ausgehen. Heute sagen die Leute, es ist cool zu NXP zu gehen. Ich habe mich persönlich sehr darum gekümmert, unsere Mitarbeiter weiterzuentwickeln und aufzubauen.
Als Chip-Hersteller hängen Sie in der Wertschöpfungskette Industrie 4.0 »vom Sensor bis zur Cloud« überall drin. Es gibt viele allgemeine Absichtserklärungen, wie im BSI-Kompendium nachzulesen ist, aber wenig Konkretes. Wie definieren Sie heute Sicherheitschips, bevor irgendwelche Standards definiert sind?
Wir gehen über die Use-Cases, d. h. wir fragen, was braucht ihr von uns? Aber ich kann mich nur wiederholen: Wer zukünftig in China in der vernetzten Welt Produkte verkaufen will, muss verstehen, dass Sicherheit ein relevantes Thema für ihn sein muss.
Kommen wir zur Kommunikation. Das amerikanische Industrial-Internet-Consortium (IIC) hat offenbar Kreide gefressen und unterstützt jetzt auf Grund des Marktdrucks auch OPC-UA, nachdem man bisher immer nur DDS propagiert hat. TSN wird sich wohl auf OPC-UA auch durchsetzen. NXP war ganz früh mit einem TSN-Chip dabei. Wieso haben Sie zu so einem frühen Zeitpunkt dort Geld investiert? Können Sie die Glaskugel lesen?
Unsere Systemarchitekten, die keine Vertriebsleute sind, sind ganz eng am Kunden dran und hören sich an, welche Bedürfnisse diese zukünftig haben. Die Kunst ist es, aus diesen Bedürfnissen die richtige Chipdefinition abzuleiten. Beim Thema TSN ist uns das offenbar ganz gut gelungen (lacht).
Zurück zur Security. Sie beschäftigen angeblich ganze Scharen von Hackern, deren Job darin besteht, die eigenen Chips zu hacken, ich muss sagen, NXP bietet interessante Arbeitsplätze …
Sehen Sie, wir denken den ganzen Tag über Sicherheit nach, damit nicht unsere Kunden dies müssen. Es gibt trotzdem keine absolute Sicherheit. Die Innovationszyklen werden immer kürzer, die Attacken werden zunehmend aggressiver und komplexer. Deswegen haben wir Leute, die Chips bauen und Leute, die nichts anderes tun, als diese zu hacken und Input für die nächste Generation zu liefern. Besser wir finden proaktiv Sicherheitslücken, als dass unsere Kunden sie finden.
Eine Herausforderung sind die zahlreichen Wireless-Standards. Sehen Sie da eine Konsolidierung?
Nein, in den nächsten Jahren nicht. Zudem müssen wir immer rückwärtskompatibel sein, es gibt eben eine bestehende Infrastruktur. Als ich anfing, hatten wir 50 Software-Leute, heute haben wir fast 1.000, u. a. weil wir gewährleisten müssen, dass auf unseren Multiprotokoll-Chips die Software-Stacks zu¬sammengeführt werden können und alles funktioniert. Neben den existierenden Wireless-Standards arbeiten wir auch an der Ultra-Breitband-Technologie, wofür wir zahlreiche Anwendungen sehen.