Analog/Digital-Umsetzer

Viele Bits, schnell, rauschfrei

30. Oktober 2015, 11:32 Uhr | von Michael Clifford
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Filter-Einschwingzeit

Da das Digitalfilter einen gleitenden Mittelwert der Daten aus dem Delta-Sigma-Modulator liefert, ist damit auch eine Einschwingzeit verbunden. Bei FIR-Filtern ist die Verzögerung konstant. Je nach Ordnung des Sinc-Filters ergibt sich jedoch eine andere Verzögerungszeit. Die Verzögerung wird typischerweise durch zwei Ausdrücke beschrieben: Gruppenlaufzeit und Einschwingzeit. Die Gruppenlaufzeit eines A/D-Umsetzers ist die Zeit, die vergeht, bis ein analoges Eingangssignal als digitales Ergebnis am Ausgang erscheint.

Die Einschwingzeit des Digitalfilters ist die Zeit, die vergeht, bis nach einem Sprungsignal am Analogeingang der Datenausgang des A/D-Umsetzers nicht mehr mit dem Sprung am Eingang korreliert. Andere Verzögerungen, zum Beispiel die Berechnungszeit des Filters, können vorhanden sein. Bei der ADU-Familie AD7175 weist die erste A/D-Umsetzung eine längere Einschwingzeit auf. Auch aus dem Bereitschaftsbetrieb heraus kann der anlaufende Berechnungszyklus zu einer Verzögerung von 1/fA führen. Zusätzlich zur Einschwingzeit des Filters kann sich je nach gewähltem A/D-Umsetzer eine zusätzliche Verzögerung ergeben. Deshalb sollten Schaltungsentwickler das ADU-Datenblatt sorgfältig lesen.

Der Effekt der Filter-Einschwingzeit lässt sich am besten zeigen, indem ein Delta-Sigma-ADU mit einem Eingang mit einem Delta-Sigma-ADU verglichen wird, der mehrere Kanäle im Zeitmultiplex-Verfahren digitalisiert. Die Einschwingzeit des Digitalfilters begrenzt die Frequenz, mit der am Eingang von Kanal zu Kanal gewechselt werden kann. Denn am Ausgang des ADU sollen die Ergebnisse jedes Kanals unabhängig voneinander ausgegeben werden. 

Wird der Delta-Sigma-ADU nur zum Digitalisieren eines Kanals eingesetzt, kann die Abtastrate höher gewählt werden
Bild 5. Wird der Delta-Sigma-ADU nur zum Digitalisieren eines Kanals eingesetzt, kann die Abtastrate höher gewählt werden. Die sich ergebende Überlappung der Modulatoreingangssignale wird durch das Digitalfilter (hier Sinc5) unterschiedlich gewichtet und fließt in die Mittelwertbildung ein.
© Analog Devices

Warum muss aber die gesamte Einschwingzeit abgewartet werden, um ein unabhängiges Ergebnis zu erhalten? Die Daten eines Delta-Sigma-ADU mit nur einem Eingangskanal werden mit der Frequenz von fMOD zum Digitalfilter weitergeleitet, wobei jeder Abtastwert das Filter (gleitender Mittelwert) durchläuft. Je nach Ordnung und Aufbau gewichtet das Filter jeden Abtastwert über die Umsetzungszeit – festgelegt durch die Reduktion der Abtastrate – unterschiedlich, wie aus Bild 5 ersichtlich.

Der erste Abtastwert und die darauf folgenden Abtastwerte sind diskrete Ergebnisse des Modulators, separiert durch eine einzige Periode des Modulatortaktes. Auf der y-Achse in Bild 5 ist die Gewichtung der Abtastwerte durch das Digitalfilter aufgetragen. Die Form dieser Gewichtung entspricht der Darstellung des digitalen Tiefpassfilters im Zeitbereich. Die Ausgangsdatenfrequenz beträgt in diesem Fall 250 kHz = fMOD/Überabtastfaktor = 8 MHz/32. Die Zeit zwischen den Data-Ready-Signalen (vertikale Linien) beträgt 4 µs. Der ADU ist so eingestellt, dass er mit dem Sinc5+Sinc-Filter mit einem Faktor von 32 zur Reduktion der Abtastrate arbeitet. Alle fünf digitalisierten Ausgangswerte haben eine gewisse Überlappung mit den Eingangssignalen vom Modulator, die den Filterausgang definieren. Somit ist keiner von ihnen unabhängig. Bei einem einzigen ADU-Eingang werden für jedes Umsetzungsergebnis die Werte aus dem Modulator als Eingangsgröße mitgewertet, doch das Filter gewichtet jeden Ausgangswert unterschiedlich.

Für den Multiplex-Betrieb mit mehreren Kanälen am Eingang des Delta-Sigma-ADU wird ein Sinc3-Filter mit kürzerer Einschwingzeit gewählt
Bild 6. Für den Multiplex-Betrieb mit mehreren Kanälen am Eingang des Delta-Sigma-ADU wird ein Sinc3-Filter mit kürzerer Einschwingzeit gewählt. Erst im komplett eingeschwungenen Zustand wird der digitalisierte Eingangswert am Ausgang ausgegeben.
© Analog Devices

Bei einem Multiplexen mehrerer Kanäle am Eingang müssen die Daten des Modulators, die zur Bildung jedes digitalisierten Ausgangswertes bereitgestellt werden, für jeden Kanal unabhängig sein. Es muss also die gesamte Einschwingzeit des Filters vergehen, bevor der Multiplexer zum nächsten analogen Eingangskanal schaltet. In Bild 6 ist die Filter-Einschwingzeit für eine Digitalisierung am Beispiel des Sinc3-Filters mit einer Abtastratenreduktion von 32 dargestellt. Sobald das Filter eingeschwungen ist, wird am Ausgang des ADU ein gewichteter Mittelwert der vorangehenden 96 Ausgangswerte des Modulators digital ausgegeben. Dies entspricht 12 µs oder drei Perioden der Ausgangsdatenfrequenz fA.

Da im Multiplex-Betrieb mit mehreren Kanälen die Eingangsgrößen unabhängig voneinander digitalisiert werden müssen, muss für jeden Kanal die komplette Einschwingzeit des Digitalfilters (hier Sinc3) abgewartet werden
Bild 7. Da im Multiplex-Betrieb mit mehreren Kanälen die Eingangsgrößen unabhängig voneinander digitalisiert werden müssen, muss für jeden Kanal die komplette Einschwingzeit des Digitalfilters (hier Sinc3) abgewartet werden, bevor auf den nächsten Kanal umgeschaltet werden darf.
© Analog Devices

Bild 7 zeigt die ersten drei Abtastzyklen im Multiplex-Betrieb, bei dem jeder vom ADU ausgegebene Wert komplett eingeschwungen ist. Am Modulatorausgang gibt es keine Überlappungen zwischen den einzelnen Abtastsignalen. Die aus dem Multiplexen resultierende Ausgabefrequenz für die digitalisierten Werte, definiert als das Zeitintervall zwischen den Data-Ready-Signalen (vertikale Linien), wird durch die Einschwingzeit des Filters vorgegeben. Diese Abtastrate wird in Datenblättern und Diagrammen oft als „Fully Settled Data Rate“ angegeben. Für das Sincn- Filter ergibt sich die Einschwingzeit des Filters als Produkt aus der Filterordnung n und der Periodendauer der Ausgangsdaten (1/fA). Für ein Sinc3-Filter, das mit einer Ausgabefrequenz von 250 kHz läuft, ergibt sich als Einschwingzeit des Filters der Wert 3 × 1/250 kHz = 12 µs. Bei einem Sinc5-Filter mit der gleichen Frequenz von 250 kHz hingegen beträgt die Einschwingzeit 5 × 1/250 kHz = 20 µs. Ein ungefährer Wert für die Umschaltfrequenz zwischen den Kanälen ergibt sich aus der Berechnung: Frequenz der Ausgangsdaten (fA) dividiert durch die Ordnung des Filters – also fA/3 für Sinc3- oder fA/5 für Sinc5-Filter. Diese einfache Formel gilt für reine Sinc-Filter. Für Fälle wie das Sinc5+Sinc-Filter ist ein zusätzlicher Schritt erforderlich. Bei der ADU-Familie AD7175 kann der Schaltungsentwickler verschiedene Filterarten auswählen – nachfolgend zwei Berechnungsbeispiele. Zunächst wird die Einschwingzeit betrachtet und die sich aus ihr ergebende Multiplexfrequenz für das Umschalten zwischen den Kanälen. Gewählt wird als Beispiel eine typische Anwendung aus der Prozesssteuerung mit einem Spannungseingang. Vorgeschalte Spannungsteiler passen die ±10-V-Signale auf Werte innerhalb des Eingangsbereichs des AD7175-8 an. Mehrere Eingänge, vier oder acht Kanäle, werden durch den AD7175-8 im Zeitmultiplex-Verfahren digitalisiert.

Sinc3-Filter mit fA = 62,5 kHz: Einschwingzeit = 3 × (1/62,5 kHz) = 48 µs, Kanalumschaltfrequenz = 1/48 µs = 20,833 kHz. Sinc5+Sinc-Filter mit fA = 62,5 kHz: Hier sind zwei Filterkomponenten zu beachten. Das Sinc5-Filter bildet den Mittelwert über ein Fenster von 4 µs (fMOD = 8 MHz) und leitet die Daten an das folgende Filter (gleitender Mittelwert) mit einer Frequenz von 250 kHz weiter.

1. Einschwingzeit des Sinc5-Filters = 5 × 1/250 kHz = 20 µs

Damit wird der erste Abtastwert für die Mittelwertbildung geliefert.

2. Einschwingzeit für Sinc-Filter, mit fA = 62,5 kHz wird ein 250-kHz-Datenstrom vier Mal pro Ausgabezyklus gemittelt.

Die Einschwingzeit für die Mittelwertbildung der verbleibenden drei Abtastwerte ist 3 × 1/250 kHz = 12 µs Die gesamte Einschwingzeit ergibt sich somit aus der Summe: 20 µs + 12 µs = 32 µs. Die Multiplexfrequenz zur Kanalumschaltung ergibt sich aus 1/(32 µs) = 31,25 kHz.

FilterZeit zum Digitalisieren von 4 Kanälen [µs] Einschwingzeit pro Kanal [µs]Datenfrequenz am Ausgang fA [kHz] Abtastrate pro Kanal [kHz]
 Sin5+Sinc  62,5  32  128  7,8125
 Sinc³  62,5  48  192  5,208

Tabelle 2. Der Vergleich der Abtastraten pro Kanal am Beispiel des AD7175-8 mit vier Kanälen im Multiplex zeigt, wie sich die Wahl des Filtertyps über dessen Einschwingzeit auf die pro Kanal nutzbare Abtastrate auswirkt. (Quelle: Analog Devices)


Zu beachten ist, dass für ein Sinc5+Sinc-Filter bei Abtastfrequenzen von 10 kHz und darunter der ADU in einem Zyklus einschwingt. In diesem Fall ist die Einschwingzeit des ADU = 1/fA.

Tabelle 2 zeigt die Werte entsprechend der beiden Filter-Beispiele (Sinc3, Sinc5+Sinc) mit vier im Multiplex digitalisierten Kanälen. Der Einsatz des Sinc5+Sinc-Filters ermöglicht eine höhere Ausgabefrequenz der digitalisierten Werte pro Kanal. Dieses Beispiel verdeutlicht die Vorteile einer kürzeren Einschwingzeit. Die in Tabelle 2 genannten Werte gelten nur für den A/D-Umsetzer selbst. Falls vor den Eingängen eine Vorverarbeitung der analogen Signale erfolgt, mit einer längeren Zeitkonstante als die Digitalisierung im ADU, wird diese analoge Vorstufe die Einschwingzeit dominieren.

 

Literatur

[1] Data Sheet AD7175-2. Analog Devices, www.analog.com/media/en/technical-documentation/data-sheets/AD7175-2.pdf

[2] Mixed-Signal and DSP-Design Techniques. Section 3: ADCs for DSP-Applications, Analog Devices, www.analog.com/media/en/training-seminars/design-handbooks/MixedSignal_Sect3.pdf

 

Der Autor

Michael Clifford
 
arbeitet als Applikationsingenieur bei Analog Devices Inc. in Limerick, Irland, im Applikationsteam für Präzisions-Analog/Digital-Umsetzer. Er ist seit 2004 bei Analog Devices und beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Präzisions-ADUs, insbesondere mit Delta-Sigma-A/D-Umsetzerschaltungen. Sein Studium der Elektrotechnik am University College Cork, Irland, schloss er mit dem Bachelor Electrical and Electronic Engineering (BEEE) ab.

michael.clifford@analog.com



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