Halbleiter haben in den vergangenen 60 Jahren die Welt verändert und werden es auch in den nächsten 60 Jahren tun. Ein Rückblick und ein Ausblick auf die Entwicklungen in der Elektronik von Peter Bauer.
Anfang April 1952, also vor 60 Jahren, läutete Ernst von Siemens den Beginn der Halbleiterindustrie in Deutschland ein, als er den Bau einer Produktionsstätte für Halbleiter beauftragte. Im gleichen Jahr brachte der Franzis-Verlag, schon damals als Herausgeber der „Funkschau“ bekannt, mit dem Titel Elektronik die erste Fachzeitschrift auf diesem Gebiet heraus. Der Auftrag an die Redaktion: den Ingenieuren beim Aufbau der faszinierenden neuen Technik kompetent und beratend zur Seite zu stehen.
Beides waren weitsichtige Entscheidungen, denn der erste Transistor - noch auf Germanium-Basis - war seinerzeit gerade mal fünf Jahre alt, die Technik noch längst nicht ausgereift. Der Siegeszug begann erst zwei Jahre später mit dem Wechsel vom temperaturempfindlichen Germanium zum robusteren Silizium. Gleichwohl dauerte es auch nach dessen Vorstellung im Mai 1954 noch einige Jahre, bis das Silizium, sprichwörtlich wie „Sand am Meer“ vorhanden, den Computer eroberte.
Kaum eine Erfindung der vergangenen Jahrzehnte war für den schnellen Durchbruch von Innovationen und Technologien so wichtig wie die des Mikrochips. Chips haben sich fast epidemisch ausgebreitet. Nach dem ebenfalls bereits 47 Jahre alten Mooreschen Gesetz können moderne Mikroprozessoren heute weit über zwei Milliarden Transistoren auf einem Chip beherbergen. Keine moderne elektrische oder elektronische Anwendung, insbesondere die Computertechnik, wäre ohne Halbleiter denkbar. Und erst durch Integrierte Schaltkreise ist es möglich, auch auf kleinstem Raum umfangreiche Funktionen zur Verfügung zu stellen. Das erlaubt die technische Realisierung von Systemen, die sonst zu teuer, zu komplex, zu leistungshungrig oder zu groß wären.
Ständige Miniaturisierung und Preissenkungen machten den allgegenwärtigen Einsatz der Halbleiter möglich. Von elektronischen Steuerungen in Fabriken, in Kraftfahrzeugen, in der Medizin-, der Umwelt- und der Sicherheitstechnik über Informationsverarbeitung, Unterhaltungselektronik und mobile Kommunikation bis hin zum „Internet der Dinge“, der Abbildung und Interaktion physischer Objekte im weltweiten Netz: Halbleiter ermöglichen wegweisende Lösungen. Gleichzeitig werden sie immer preiswerter; ein 45-nm-Transistor ist rund ein Millionstel günstiger als sein Urahn aus dem Jahr 1968. Unterläge die Automobilproduktion dem gleichen Preisverfall, ein Fahrzeug kostete heute nur noch etwa einen Cent.
Auch wenn die Halbleitertechnologie - dank immer ausgefeilterer Lithographie und neuer Transistorkonzepte - dem Mooreschen Gesetz wohl noch einige Jahre folgen mag, in Zukunft werden den Fortschritt wirtschaftliche Faktoren stärker beeinflussen: So besagt Rock‘s Law, dass sich die Kosten für Halbleiter-Fabriken alle vier Jahre verdoppeln. Für die Herstellung modernster 300-mm-Wafer mit Strukturbreiten von 20 bis 30 Nanometern liegen sie mittlerweile bei über neun Mrd. Dollar. Je nach Ausbaustufe erwirtschaften diese Anlagen einen Jahresumsatz zwischen drei und sechs Mrd. Dollar. Ein ökonomischer Sachverhalt - und gewissermaßen die Kehrseite von Moores Gesetz.
Dass die Leistungsfähigkeit eines Halbleiters nicht ausschließlich durch die Integration von immer mehr Transistoren auf immer kleinerem Raum definiert ist, verbirgt sich hinter dem Slogan
„More than Moore“. Bei diesem ebenso wichtigen wie zukunftsträchtigen Ansatz geht es nicht um die weitere Skalierung digitaler Rechenleistung, sondern um die Erfassung und Steuerung der „realen Welt“. Sensoren, die analoge Signalverarbeitung und das Schalten kleiner bis sehr großer elektrischer Leistungen lassen sich zwar nicht so einfach verkleinern oder „shrinken“ wie digitale Schaltkreise. Ihr Leistungszuwachs ist dennoch enorm.
Stillstand ist Rückschritt
Die hohe Entwicklungsgeschwindigkeit stellt die Unternehmen vor immer neue Herausforderungen: Der beständigen Preiserosion, die es in diesem Ausmaß und in dieser Gesetzmäßigkeit in sonst keiner Branche gibt, können wir nur mit dauerhaft steigender Fertigungsproduktivität begegnen. Dafür müssen Milliardenbeträge in Forschung und Entwicklung gesteckt werden. Innovationskraft ist unabdingbar - und gerade in der Halbleiterindustrie das Differenzierungsmerkmal schlechthin.
Die Breite des dabei benötigten Fachwissens ist in der Halbleiterindustrie enorm. Wir brauchen einerseits kreative Ideen für neue Produkte und Anwendungen. Viele elektrische Gebrauchs-güter können durch Halbleiter nicht nur leistungsfähiger, sondern auch leichter und energieeffizienter gemacht werden. Erforderlich ist aber auch eine konstante Kosteninnovation bei „Null-Fehler-Qualität“ und hoher Liefersicherheit. Nur hervorragend ausgebildete Naturwissenschaftler, Ingenieure und Logistik-Spezialisten beherrschen die Palette der Anforderungen von der Prozesstechnik über den Schaltungsentwurf und die Prüftechnik bis hin zur profunden Kenntnis der Anwendungen: sei es ein Verbrennungsmotor, ein Elektroantrieb oder ein Smartphone. Know-how bleibt der Schlüssel zum Erfolg für die Aufgaben von morgen.
Hinter vielen neuen technischen Entwicklungen wird weiterhin der Chip als Treiber stecken. Die Erwartungen an Funktionssicherheit, ständige Erreichbarkeit oder eine saubere Umwelt steigen unaufhörlich. Sie lassen sich nur mit Halbleitern erfüllen. Entsprechend optimistisch sind die Aussichten: Die weltweite Halbleiterbranche hatte im vergangenen Jahr ein Volumen von über 300 Mrd. Dollar. Und in den nächsten Jahren rechnen wir mit einem hohen Wachstum von durchschnittlich etwa sieben Prozent.