»Es ist ein schlechter Witz, wenn sich Apple und ausgerechnet Google zu den Datenschützern der Welt aufschwingen«, sagt Detlef Schmuck, Sicherheitsexperte und Geschäftsführer von TeamDrive zur Debatte um eine Kontaktverfolgungs-App. »Natürlich ist eine dezentrale Datenspeicherung per se sicherer, weil es keinen zentralen Ort gibt, an dem Informationen entwendet und missbraucht werden können«, sagt der Sicherheitsfachmann. Er mahnt zugleich: »Aber diese Entscheidung für Deutschland zu fällen, hätte besser in die Hand der Bundesregierung als zweier US-Digitalkonzerne gehört. Es war ein Tauziehen zwischen dem deutschen Staat auf der einen und Apple und Google auf der anderen Seite – und Deutschland hat verloren. Es war das erste Mal, dass die US-Digitalwirtschaft so offensichtlich und für jedermann erkennbar den Machtkampf mit einem demokratischen Rechtsstaat gewonnen hat. Doch es wird nicht das letzte Mal sein.«
Detlef Schmuck verweist darauf, dass sowohl Apple als auch Google die neuen Funktionen zur Kontaktverfolgung fest in ihre Smartphone-Betriebssysteme iOS bzw. Android integrieren. »Damit ist die Funktionalität der permanenten Überprüfung, wer sich mit wem wie lange trifft, auf Ewigkeit in allen iPhones und Android-Geräten fest zementiert«, gibt der Datensicherheitsexperte zu bedenken: »Einzig und allein Apple und Google können dann künftig entscheiden, in welchem Umfang sie diese Funktionen nutzen, sei es zur Optimierung ihrer Werbeeinnahmen oder zur Unterstützung staatlicher Behörden.«
Die bessere Alternative wäre nach Meinung des Sicherheitsfachmanns Detlef Schmuck eine Kontaktverfolgung unter der Kontrolle des Deutschen Bundestages und präzisiert: »Wir brauchen eine gesetzliche Regelung mit Verfallsdatum nach der Krise. Mein Vertrauen, dass der deutsche Gesetzgeber den Datenschutz nach Überwindung der Pandemie wieder priorisiert, ist um ein Vielfaches größer als dass Apple oder Google die Verfolgungsfunktion danach wieder aus ihren Betriebssystemen entfernen.«
Unterdessen mehren sich die Anzeichen, dass die Nutzung von Bluetooth zur Nachverfolgung von Kontakten möglicherweise doch nicht so nützlich ist, wie gemeinhin angenommen wird. Auf Twitter gibt der Sicherheitsexperte Ashkan Soltani zu bedenken, dass falsch-positive Ergebnisse etwa dann angezeigt werden können, wenn die Geräte durch Wände hindurch einen Kontakt anzeigen, obwohl es keine physische Begegnung gab.
Ingenieure von Phytec Messtechnik entwickeln unterdessen ein Gerät für die Kontaktverfolgung unter den Mitarbeitern von Firmen. Sie haben festgestellt, dass die Entfernungserkennung von Bluetooth sehr unzuverlässig ist. »Da werden 4 Meter angezeigt, obwohl die Person 1,50 Meter entfernt war,« berichtet eine Unternehmenssprecherin. Phytec hat sich für sein Gerät deshalb für die Ultra-Wideband-Technik entschieden, die eine wesentlich genauere Entfernungsmessung erlaubt, in Smartphones aber nicht eingebaut ist.