Stiftung Warentest Bericht "Geräteverschleiß"

"Absichtliche Sollbruchstellen finden wir in allen Preisgruppen!"

7. November 2013, 10:35 Uhr | Karin Zühlke
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Wie sich Unternehmen von geplanter Obsoleszenz distanzieren können

Nun kann ja theoretisch jedes Testhaus mit so einem Prüfzeichen auf den Markt gehen. Wie stellen Sie die Reputation Ihres HTV-Life-Prüfzeichens sicher?

Theoretisch ist das natürlich möglich. In unserer Firmengruppe beschäftigen wir zurzeit ca. 220 Mitarbeiter. Die meisten sind Ingenieure und Techniker aus den Bereichen Elektronik, Physik, Chemie und Mechanik. Alle Mitarbeiter haben eine hohe Kompetenz auf ihrem Gebiet. Schon mehrmals waren wir sogar für Gerichte als Gutachter im Elektronikbereich tätig und haben für Bundesämter hochkarätige Forschungsprojekte durchgeführt. HTV ist bei den Firmen für außergewöhnliche Qualität bekannt, und wir würden diesen Ruf niemals aufs Spiel setzen. Das HTV-Life-Prüfzeichen hat und behält dementsprechend eine hohe Reputation.

Das heißt, nicht EIN Sachverständiger nimmt die Prüfung und damit die Vergabe des Siegels vor, sondern ein ganzes Team?

Die Untersuchungen der Produkte dauern immer mehrere Monate und werden von den verschiedensten Teams durchgeführt. Es ist niemals nur eine Person zuständig.

Worauf werden die Produkte, technisch gesehen, überprüft, um eben genau sagen zu können, dass der Hersteller keine geplanten Sollbruchstellen eingebaut hat?

Wir suchen gezielt nach Schwachstellen in den Produkten. Anhand einer Lebensdauerberechnung der einzelnen eingesetzten Komponenten an ihrem platzierten Ort, in Verbindung mit dem kompletten Gerät, erkennen wir Sollbruchstellen bzw. schwache Bauteile. Lebensdauertests an einzelnen Komponenten und dem gesamten Produkt lassen hier wesentliche Rückschlüsse zu. Die Software wird ebenfalls soweit möglich untersucht. Für jede Produktgruppe entwerfen unsere Ingenieure im Vorfeld ein spezifisches Prüfszenario. Für die Tests stehen uns alle Geräte unserer Labore zur Verfügung, vom einfachen Messgerät bis hin zu teuren Großtestern und einem 3D-Röntgengerät. Für den mechanischen Teil erstellen wir in unserer mechanischen Werkstatt spezielle Vorrichtungen für die Prüfungen. Der derzeitige Wert unserer Testsysteme liegt im zweistelligen Millionenbereich. Wir sind also bestens ausgestattet.

Was sind denn solche Sollbruchstellen typischerweise?

Eine gern eingebaute Sollbruchstelle, z.B. bei Mainboards und LCD-Bildschirmen, sind Kondensatoren, die direkt neben heißen Kühlkörpern platziert werden, obwohl genügend Platz an anderen Stellen wäre. Die Lebensdauer von Kondensatoren ist in der Regel abhängig von der Umgebungstemperatur. Dem Datenblatt kann der Konstrukteur die Lebensdauer in Abhängigkeit von der Temperatur genau entnehmen. Je höher die Temperatur, umso kürzer die Lebensdauer. Andere oft eingebaute Sollbruchstellen sind z.B. Kunststoffzahnräder anstelle von solchen aus Metall oder Antriebsriemen aus Kunststoff, die nach wenigen Jahren verspröden, anstatt besser geeignete Kunststoffe einzusetzen, die nicht teurer sind. Das geschieht z.B. bei Schubladen von CD- und DVD-Playern.
Bei einem namhaften Handy befindet sich die Sollbruchstelle unter der Home-Taste. Die goldene Kontaktschicht ist hier so dünn, dass sie bei häufigem Gebrauch nach ca. 2 Jahren verbraucht ist und die Taste nicht mehr funktioniert. Der Mehrpreis für eine doppelt so starke Vergoldung beträgt vielleicht 1 Cent. Bedenkt man, dass ein solches Handy ca. 700 Euro kostet, ist dieser Mehrpreis lächerlich. Bei Motoren für z.B. Waschmaschinen, Staubsaugern usw. werden oft sehr kurze Kohlen eingesetzt, die nach wenigen Jahren verschleißen. Der Mehrpreis für längere Kohlen liegt auch im Cent-Bereich.

Dies sind nur einige von vielen Beispielen, die wir hier nennen können. Wer sagt, das sei alles keine Absicht, hat meiner Ansicht nach keine Ahnung von Technik oder verfolgt ein bestimmtes Ziel damit. Wer auch nur ein wenig an unsere Umwelt und unsere Ökonomie denkt, darf das nicht verleugnen. Täglich bekommen wir mittlerweile viele Meldungen von aufgebrachten Bürgern, die uns ihre Probleme schildern und uns auch oft ihre Geräte zusenden. Unserer Erfahrung nach ist es auch falsch, dass dies nur bei Geräten im unteren Preisniveau vorkommt. Eine absichtliche Sollbruchstelle finden wir mittlerweile in allen Preisgruppen. Dass Preise für Geräte genannt werden, die ab einem Betrag schlecht und darüber gut sein sollen ist, unserer Ansicht nach, gelinde gesagt, fahrlässig.

Neben der technischen Prüfung fordern Sie von dem geprüften Unternehmen eine eidesstattliche Erklärung für Ihr Prüfzeichen. Nun birgt so eine Erklärung aber immer auch die Gefahr, dass wider besseres Wissen die Unwahrheit gesagt wird. Können Sie das ausschließen?

Wir überprüfen natürlich alles, was für uns möglich ist. Trotzdem können wir nicht ausschließen, dass wir vielleicht etwas nicht gefunden haben. Das kann auch geschehen, wenn z.B. Befehle in der Software versteckt sind. Hiermit kann der Hersteller exakt den Zeitpunkt des Ausfalls programmieren. Aus diesem Grund verlangen wir zusätzlich von jedem, der unser Prüfzeichen beantragt, eine eidesstattliche Erklärung. Entdecken wir im Nachhinein solche Ausfallprogrammierungen, erkennen wir, nach Rücksprache mit dem Hersteller, das Prüfzeichen aber sofort ab.


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