Interview mit Torsten Blankenburg, Vorstand Technik bei Sieb & Meyer:

»In Asien darf Software nichts kosten«

5. November 2015, 11:47 Uhr | Andrea Gillhuber
Diesen Artikel anhören

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Dann ist der LineManager rein für den asiatischen Markt?

Blankenburg: Natürlich sind wir auch mit europäischen Firmen im Gespräch, doch der Anstoß zu der Software kommt aus Asien – schon allein aufgrund der Größeordnungen und Struktur. Die Massenfertigung befindet sich in Asien. In Europa sind hochspezialisierte Firmen angesiedelt und diese haben andere Bedürfnisse: Sie haben nicht hunderte Maschinen eines Typs, sondern mehrere unterschiedliche Maschinen. Daher ist die statistische Aussagekraft der gesammelten Daten im Gesamtprozess um einiges geringer.

Also wirklich eine Software für den asiatischen Markt.

Blankenburg: Für uns ist es sehr interessant zu sehen, wie ein reines Software-Produkt am asiatischen Markt aufgenommen wird. Wird daraus eine Erfolgsgeschichte? In Asien ist es oftmals so, dass eine Software nichts kosten darf; sie wird mit dem Produkt mitgeliefert.

Hier in Europa ist es gang und gäbe, für eine Software Gebühren und Wartungskosten zu bezahlen. Im SAP-Bereich muss man zudem für jedes Update zahlen. In Asien wäre das undenkbar! Können wir aber trotzdem mit unserem Produkt bestehen? Man darf auch nicht vergessen, Raubkopien hatten in China eine lange Tradition. Microsoft brachte für den chinesischen Markt sogar eine Sondervariante von Windows für sehr wenig Geld auf den Markt, um in China etwas Umsatz zu generieren.

Spielt hier dann vielleicht Open Source eine Rolle?

Blankenburg: Ich denke, in unserem Bereich ist es wenig sinnvoll, über Open Source nachzudenken. Der Markt ist zu spezifisch, als dass es eine Community gäbe. Es wäre eine Möglichkeit zu sagen, der Kunde könne die Software selbst weiterentwickeln, aber könnten wir da partizipieren bzw. Feedback vom Markt bekommen? Ich denke, dafür sind der Markt und der Anwenderkreis zu klein. Außerdem fehlt in China dafür oftmals das breite Wissen um die Maschine selbst. In einer großen Fabrikhalle wird ein Arbeiter in zwei Tagen geschult, wie er die Pakete in die Maschine legt und auf Start bzw. Stopp drückt.

Wir haben vorher schon kurz über Industrie 4.0 gesprochen. Wie wird das Thema in Asien aufgenommen?

Blankenburg: Der Begriff Industrie 4.0 wird in Asien sofort mit Deutschland in Verbindung gebracht. Wie in Deutschland ist es auch in China ein Hype: Jeder spricht darüber, jeder will es haben, doch fehlt in China zum Teil das Verständnis dafür. Es kam schon vor, dass wir mit jemandem gesprochen haben, der Industrie 4.0 will, dessen Maschinen aber nicht an ein Netzwerk angeschlossen sind. Das ist eine der Herausforderungen in Asien: Hier bezahlt der Kunde einen Preis x und erwartet ein hochwertiges Produkt, das funktioniert. Als Anbieter kann man nicht erwarten, dass wir gemeinsam mit dem Kunden etwas erarbeiten. Und genauso verhält es sich auch bei Industrie 4.0: Die Erwartungshaltung in Asien entspricht eher der eines Produkts, das funktionstüchtig geliefert wird, als der eines Fertigungsstandards.

Torsten Blankenburg  ist Diplom-Ingenieur der Elektrotechnik und seit dem Jahr 2001 bei der Sieb & Meyer AG in Lüneburg tätig.
Torsten Blankenburg ist Diplom-Ingenieur der Elektrotechnik und seit dem Jahr 2001 bei der Sieb & Meyer AG in Lüneburg tätig. Seit 2007 ist er in der Position als Vorstand Technik im Unternehmen tätig.
© Sieb & Meyer

In China ist der Automatisierungsgrad doch auch noch sehr niedrig.

Blankenburg: Im Segment des Leiterplatten-Bohrens und des -Fräsens werden rund 90 Prozent der Maschinen noch manuell be- und entladen. Automatisierung ist hier noch nicht gegeben. Auch das Kostenverhältnis Mensch/Maschine fängt erst jetzt aufgrund der steigenden Personalkosten an zu schwanken. Gerade auf der Prozess-Seite gibt es noch sehr viel Verbesserungspotenzial. Wegen der steigenden Personalkosten werden nun auch Länder wie Vietnam und Thailand für manche Leiterplattenhersteller interessant.

Ist Vietnam wirklich ein so kostengünstiges Produktionsland?

Blankenburg: Im Hinblick auf Fertigungsvolumen ist es nicht vergleichbar, aber wir hören immer wieder von unseren Kunden, dass sie vermehrt Maschinen in diese Länder liefern und dort Fertigungen aufgebaut werden. Die Rahmenbedingungen in diesen Ländern sind sehr stabil, allerdings gibt es von Seiten der Infrastruktur noch Nachholbedarf. Aber es werden dort definitiv Neuinvestitionen getätigt.

Im Vergleich zu einer vollautomatisierten Fertigung bestimmter Produkte ist die Menge der Ausschussware in Asien vergleichsweise gering. Ist unter diesem Gesichtspunkt eine Automatisierung in China überhaupt sinnvoll?

Blankenburg: Das ist eine reine Kostenfrage: Bedient beipielsweise ein Operator mit einem Gehalt x fünf Maschinen und kostet ein Roboter oder eine Beladestation einen geringeren Betrag, wird hier die Wahl zugunsten des Roboters ausfallen.

Allerdings gilt es zu beachten, dass die meiste Ausschussware durch Fehler in der Informationsübergabe entsteht, sprich: durch zu viele Medienbrüche. Jeder Medienbruch bei der Informationsübergabe in der Fertigung ist eine potenzielle Fehlerquelle. Diese Fehlerquelle kann durch Automatisierung behoben werden.

Dann bietet die Industrie 4.0 sehr viel Potenzial, diese Fehlerquelle zu minimieren.

Blankenburg: Auf jeden Fall! Ich möchte aber darauf hinweisen, dass ein Großteil der Kosten beim mechanischen Bohren von Leiterplatten allerdings auf die Werkzeuge zurückzuführen ist.

Das ist auch ein Thema für die Zukunft: Wie verhält sich das Werkzeug an sich? Nach 2000 Hüben wird ein Bohrer automatisch ausgewechselt, obwohl er vielleicht noch 100 Hübe mehr machen könnte. Werkzeug-Monitoring ist heute technologisch noch nicht lösbar, aber durchaus spannend für die Zukunft. Es gibt noch viele Möglichkeiten zur Prozessoptimierung, doch müssen wir uns dafür mit unseren Kunden an den grünen Tisch setzen und gemeinsam eine Lösung erarbeiten, die zum Prozess passt.

Arbeiten Sie an einer Software zur Werkzeugüberwachung?

Blankenburg: Nicht direkt, aber wir haben das Thema Werkzeug-Management bezogen auf eine Maschine in unsere Steuerungen implementiert. Dieses zeigt auf, wie oft ein Werkzeug in einer Maschine schon benutzt wurde und welchen Durchmesser es hat. Allerdings fehlt noch der Bezug auf eine komplette Fabrikhalle.


  1. »In Asien darf Software nichts kosten«
  2. Dann ist der LineManager rein für den asiatischen Markt?

Lesen Sie mehr zum Thema


Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu SIEB & MEYER AG

Weitere Artikel zu Elektronikfertigung