Nicht zu vergessen Ihre Mehrheitsbeteiligung an der ml&s manufacturing, logistics and services mit Hauptsitz in Greifswald. Ich nehme an, mit dieser Beteiligung stand vorwiegend der Ausbau des Produktions-Footprints von duotec im Vordergrund?
Mirliaountas: Das ist korrekt. ml&s ist ein klassischer EMS mit mehr als 500 Beschäftigten und ein ehemaliger Siemens-Fertigungsstandort. ml&s ist sehr gut positioniert im EMS-Markt und genießt einen hervorragenden Ruf.
Es hat sich insgesamt einiges getan am EMS-Markt in den letzten zwölf Monaten. Wo ordnen Sie Turck duotec aktuell ein?
Rönisch: Wenn man das klassische EMS-Geschäft betrachtet, verorten wir uns unter den Top 5 der Branche in Deutschland. Man muss schon eine bestimmte Größe haben, um optimale Einkaufskonditionen zu erwirken, um auch in Allokationszeiten gesehen und beliefert zu werden. Dazu braucht man die Investitionskraft, um die richtigen Maschinen und Anlagen und IT-Systeme zur Verfügung zu haben.
In USA und Asien gibt es ganz große Firmen, die in einer ganz anderen Liga spielen – aber wo soll das Wachstum dort noch hingehen? Für uns ist der Technologie-Ansatz sehr förderlich, weil wir damit etwas anbieten, das andere nicht in der Form zur Verfügung haben und wo das Zusammenspiel zwischen Kunde und Dienstleister ein anderes Level hat als nur die Nachkommastelle im Preis.
Mirliaountas: Das Entscheidende ist aus meiner Sicht nicht die Größe, sonst gäbe es nicht so viele erfolgreiche kleine EMS, sondern die Attraktivität. Wir nennen unseren Mehrwert dementsprechend nicht USP, sondern ASP. Um attraktiv zu bleiben, muss man immer wieder investieren und sich immer wieder neu erfinden. Das ist die DNA der duotec. Für uns ist nicht entscheidend, einen Markt zu beherrschen und Alleinstellungsmerkmale zu zementieren. Der Kunde muss uns attraktiv finden, um seine Lösungen umzusetzen. Er soll das Gefühl haben: „Ich gehe zu Turck duotec, denn da finde ich meine technologische Lösung.“ Wir wollen mit unseren Kunden in der Branche des Kunden führend sein. Dann haben wir unser Ziel als Elektronik-Unternehmen erfüllt.
Wie ist der internationale Footprint bei der Turck duotec gediehen?
Mirliaountas: Unser Fokus liegt auf Europa. Osteuropa steht auf unserer Agenda, und da wird sich sicher in den nächsten zwei, drei Monaten noch etwas tun. Parallel dazu forcieren wir den Ausbau unseres Standortes in Mexiko. Wir haben dort mit einem Anker-Kunden begonnen und mehrere Kunden und einen Großkunden hinzugewonnen, mit dem wir im achtstelligen Bereich wachsen. Von da her ist Mexiko für uns ein sehr dankbarer Markt, wo wir innerhalb von zwei Jahren den Umsatz aller Voraussicht nach verzehnfachen werden. Produktionstechnisch haben wir dort eine Automatisierung mit 16 Robotern umgesetzt.
Es geht also rein um Bestückung?
Rönisch: Nein, das kann man so nicht verallgemeinernd sagen. Die Kunden im internationalen Raum möchten auch mehr als nur Bestückung. Sie wollen Innovation in ihre Produkte einfließen lassen. Und von daher sehen wir schon den Wunsch der Kunden, mehr als nur einen Bestückdienstleister als Partner an Bord zu haben. Nichtsdestotrotz sind wir flexibel, je nachdem, was der Kunde möchte. Wir setzen beim Kunden entweder über die Technologie an oder beginnen mit unserer EMS-Dienstleistung, die wir dann bei Bedarf in Richtung Technologie ausweiten.
Wie ist Turck duotec bislang durch die Corona-Zeit gekommen?
Rönisch: Wenn man die deutsche GmbH betrachtet, haben wir im letzten Jahr einen kleinen Umsatzrückgang von 0,8 Prozent verzeichnet. Die Situation im Automotive-Bereich hat hier ihren Tribut gefordert. Gleichzeitig hat sich der Medizinbereich verzigfacht, was die Einbrüche in Automotive nahezu ausgeglichen hat. Wir hatten daher alle Hände voll zu tun, Maschinen und Material für diese Aufträge zu beschaffen.
In der Schweiz und Mexiko hingegen konnten wir ein Wachstum verbuchen. Die Situation war also sehr differenziert und abhängig vom jeweiligen Markt.
Mirliaountas: Über alles betrachtet ist die Gruppe also gewachsen. Von daher haben wir trotz Corona nicht aufgehört, in die Zukunft zu investieren, wie Sie sehen. Wir haben durch die Beteiligungen den Fokus klar auf die Zukunft gerichtet, und das haben wir im Corona-Jahr trotz Widrigkeiten in Gänze durchgezogen.
Am Standort Halver gab es dazu noch einen Ausbau, von dem u.a. die Entwicklung profitieren soll. Ist das trotz Corona-Widrigkeiten gelungen?
Rönisch: Wir konnten den Ausbau mit nur zwei Monaten Verzug fertigstellen. Ziel war es, mehr Fläche für Verwaltung, Marketing und Vertrieb zu gewinnen, ebenso wie für Forschung und Entwicklung. In unserer neu erbauten LabFab haben wir hier nun die Möglichkeit, sehr schnell und zeitnah innerhalb von ein bis zwei Tagen Prototypen aufzubauen. Darüber hinaus haben wir in CoB und Dickschichttechnik investiert, sodass auch dazu sehr entwicklungsnah gearbeitet werden kann, ohne unsere Produktionskapazitäten der Serienfertigung in Anspruch nehmen zu müssen.
Inwieweit bereitet Ihnen die aktuell eingeschränkte Verfügbarkeit Probleme?
Rönisch: Wenn Sie sich erinnern: Ich hatte schon vor drei Jahren in einer Round-Table-Diskussion gesagt, dass wir aufpassen müssen, dass wir in Europa bei der Belieferung mit Komponenten nicht ins Abseits geraten. Damals ging es „nur“ um passive Komponenten. Schauen wir uns aktuell die Produktion von PCB-Laminaten an. Eine Statistik zeigt auf, dass USA und Europa gemeinsam lediglich 2 Prozent dieser Produktion ausmachen. Daraus lässt sich die extreme Abhängigkeit von Asien beispielhaft ablesen. Natürlich wirkt derzeit alles als Konvolut zusammen: Pandemie, zu wenige Container für die Logistik, neue Märkte, die massiv an Bedarf ziehen, etc. Was heute am Markt passiert, habe ich so noch nie erlebt. Wir führen fast täglich Krisengespräche mit unseren Kunden und es ist wahrlich eine Kraftanstrengung, gut liefern zu können.
Mirliaountas: Hinzu kommt ein erheblicher administrativer Aufwand, alle Informationskanäle zu bespielen, also Richtung Kunden und Lieferanten. Wir konnten bisher viele Produktionsstillstände bei unseren Kunden abwenden, aber es fährt alles auf Sicht. Es gibt keine langfristige Planungssicherheit. Es gibt immer nur sehr kurzfristige Antworten für den Kunden.
Rönisch: Bei den meisten Allokationssituationen war es so, dass sich nach zwölf Monaten alles beruhigt hatte. Heute ist es aus meiner Sicht anders. Ich würde Stand heute nicht garantieren, dass sich in zwölf Monaten schon wieder alles beruhigt hat. Ob die Hersteller ihre Kapazitäten dann soweit ausgebaut haben, dass sie uns wieder so beliefern können, wie wir das brauchen, steht noch in den Sternen.