Um den geforderten Lotdurchstieg aber überhaupt erreichen zu können, muss der Fertiger an der Durchkontaktierung auf der Leiterplattenoberseite und am Bauteilpin eine Temperatur erzielen, die über dem Schmelzpunkt des eingesetzten Lotes liegt. »Bei bleifreien Loten ist das ein Bereich von 230°C und höher! Nur wenn diese Bedingung erfüllt ist, ist auch die Voraussetzung gegeben, dass dieser Bereich der Baugruppe benetzt wird«, erklärt Friedrich.
Das bedeute, so Friedrich, dass innerhalb der Lötzeit von wenigen Sekunden ein entsprechender Temperaturanstieg auf der Leiterplatten-Oberseite und am Bauteilpin erfolgen muss. Der Transfer an Wärmeenergie, der zu dieser Temperaturerhöhung führt, wird im Lötprozess in zwei Schritten zugeführt: In der Vorheizung wird die Baugruppe auf eine Basistemperatur erwärmt, von der aus im zweiten Schritt das flüssige Lot der Lötwelle den für die Benetzung aussachlaggebenden Teil der Wärmeenergie überträgt. Für den Lötprozess ist deshalb die Vorheiztemperatur ganz wichtig, und der Einsatz von Oberheizungen sichert eine gleichförmige effektive Erwärmung auch von Bauteilen auf der Baugruppen-Oberseite – wie beispielsweise Stromschienen und Drosseln.
»Beim Kontakt der Lötstelle mit dem flüssigen Lot der Lötwelle steigt das Lot im Kapillarspalt zwischen Durchkontaktierung und Bauteilpin nach oben. Dabei überträgt das Lot Energie in die Hülse der Durchkontaktierung und in den Bauteilpin, wodurch sich diese erwärmen«, führt der Ersa-Experte aus. »Die sehr gute Wärmeleitung des Kupfers erwärmt die Hülse also quasi etwas im Voraus und ermöglicht so deren Benetzung bis zur Oberseite der Leiterplatte.«
Ist nun die Durchkontaktierung an massive Kupferlagen angebunden, dann fließt die vom Lot übertragene Wärmeenergie schnell in diese Kupferlagen ab und steht damit nicht mehr für die erforderliche Erwärmung der Durchkontaktierung zur Verfügung. Daher kühlt das Lot schneller ab und erstarrt eventuell in der Durchkontaktierung, bevor es die Oberseite erreicht hat.
»Um die schnelle Abkühlung des Lotes zu minimieren, muss man also die Hülse thermisch von den Kupferlagen entkoppeln, darf aber gleichzeitig die Stromtragfähigkeit der Anbindung nicht zu sehr schwächen. In der Praxis fügt man deshalb so genannte Wärmefallen in das Layout ein. Gleiches gilt analog für Anschlusspins von Bauteilen mit hoher Masse«, so Friedrich. Ein zweiter wesentlicher Design-Parameter ist laut Friedrich in diesem Zusammenhang die Größe des Kapillarspaltes zwischen Durchkontaktierung und Bauteilpin. Je größer der Kapillarspalt, umso größer ist das Lotvolumen darin, wodurch gleichzeitig die in die Hülse transferierte Wärmeenergie steigt.
»Nun gibt es leider auch Bauteile, die auf der Bestückseite die Lötstelle wie ein Hitzeschutzschild abschirmen«, weiß Friedrich. »Als typisches Beispiel seien hier Elkos genannt, die auch beim Einsatz von Oberheizungen die Lötstellen so abschirmen, dass der Einfluss der Oberheizungen vernachlässigbar wird.« Die großen massiven Bauteilkörper schirmen die Lötstellen unter ihnen so gut ab, dass die gesamte für die Lötung erforderliche Wärmeenergie ausschließlich von unten in die Baugruppe und damit in die Lötstellen transferiert werden muss. In diesem Fall bieten sich thermische Hilfsvias an, um zusätzlich Wärmeenergie von unten auf die Oberseite der Leiterplatte zu führen. In der Praxis ordnet man die Hilfsvias um die Durchkontaktierung herum an und verbindet sie, auf der Unter- und Oberseite der Leiterplatte, mit den Pads der entsprechenden Lötstelle. So steigt das Lot ungehindert durch die Hilfsvias bis zur Leiterplatten-Oberseite. Diese zusätzliche Wärmeenergie führt dazu, dass die Durchkontaktierung auf der Leiterplatten-Oberseite schneller entwärmt wird, und folglich steht für die Erwärmung des Bauteilpins mehr Energie zur Verfügung.
Und welche Löttechnologie empfiehlt der Experte? »Zum Löten von Baugruppen der Leistungselektronik verwendet man derzeit Wellen- und Selektivlötprozesse. Beim Selektivlöten hat sich die Miniwelle erfolgreich etabliert.« Neueste Forschungsergebnisse zeigen allerdings, dass das Selektivlöten mit automatisierten Lötkolben und Lasern sehr schnell an die Grenzen stößt und die erreichbaren Prozessfenster häufig nicht ausreichen, um geforderte Qualitätsstandards sicherzustellen.