Die hybride Übertragung bei Single-Pair-Ethernet nimmt Fahrt auf: Noch in diesem Jahr will TE Connectivity einen M12-Hybrid-Steckverbinder als Serienprodukt auf den Markt bringen, der dem neuen SPE-Standard IEC 63171-7 entspricht.
Manuel Rüter, Principal Engineer bei TE Connectivity, erläutert die Bedeutung der neuen Schnittstelle.
Markt&Technik: Im Mai 2023 wurde der neue Standard IEC 63171-7 für die hybride Übertragung von Single-Pair-Ethernet verabschiedet. Ist damit ein weiterer Meilenstein in der Entwicklung von SPE erreicht?
Manuel Rüter: Der IEC-63171-7-Standard vereinfacht die Anschlussmöglichkeiten für Hersteller, sodass sie getrost in die Installation von industriellem Single-Pair-Ethernetin ihren Feldgeräten wie Sensoren etc. investieren können. Der -7-Standard ermöglicht es den Unternehmen, eine standardisierte Schnittstelle zu verwenden, was die Planungssicherheit verbessert.
Darüber hinaus können Unternehmen dank der Ethernet-basierten hybriden Schnittstelle Effizienzgewinne bei der Echtzeitkommunikation und Transparenz von der Cloud bis in die Feldebene erzielen. Außerdem bietet die hybride Konfiguration gemäß dem IEC-63171-7-Standard bei der Netzwerk-basierten Energieverteilung eine höhere Flexibilität als eine Punkt-zu-Punkt-Verbindung wie bei PoDL – also Power over Data Line. So ist es möglich, höhere Stromstärken auf mehrere kaskadierte Leistungsgeräte zu verteilen. Der -7-Standard bildet quasi die Brücke zwischen zukünftiger Kommunikationstechnologie, hohem Strombedarf auf geringem Platz und PoweroverData Line.
Der Standardisierungsprozess ging relativ schnell vonstatten. Was waren die Gründe dafür?
Die internationale Normung ist ein komplexer Prozess mit Regeln und festen Zeitplänen für die verschiedenen Stadien. Die IEC 63171-7 durchlief all diese verschiedenen Phasen ohne Verzögerungen oder Schleifen. Der Grund dafür war die hervorragende Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Unternehmensbereichen von TE Connectivity, insbesondere dem Ingenieurteam. Hinzu kamen noch die breite Zustimmung und Akzeptanz von nationalen und internationalen Partnern und Organisationen. Zusammenfassend kann man sagen, dass alles wie ein Schweizer Uhrwerk lief.
Wie wichtig ist die hybride Übertragung von Daten und Leistung? Es scheint, dass SPE dadurch weiter an Relevanz gewinnt.
Mit der Dezentralisierung entstehen neben mehr Kommunikationsgeräten auch neue Stromquellenkonzepte. Hybridtechnologien sind der beste Weg, um diese verschiedenen Kommunikationsbereiche zu verbinden und direkt genügend Strom für komplette Anwendungen oder zumindest deren Startfunktion bereitzustellen. Hybride Verbindungen haben den Vorteil, dass sie, obwohl der Kabeldurchmesser größer wird, viel größere Leistungspegel und unterschiedliche Topologien unterstützen. Außerdem sind keine Schaltungen zum Einkoppeln der Leistung auf die Datenleitung wie bei PoDL erforderlich, sodass der Platzbedarf auf der Leiterplatte geringer ausfällt und weniger thermische Erwärmung auftritt. Diese Vorteile sind für viele industrielle Anwendungsfälle von Bedeutung.
Wo steht Single-Pair-Ethernet heute? Können Sie eine Einschätzung geben, wie schnell der Markt die neue Technologie adaptieren wird?
Wenn wir die derzeitige Weltwirtschaft und die Implementierungsgeschwindigkeit neuer Technologien in der Industrie betrachten, sehen wir eine große Anzahl von Projekten und Themen im Zusammenhang mit SPE. Sicherlich gibt es mehr Implementierungen oder Tests in bestehenden Systemen, und es gibt keine Fabriken, die vollständig auf SPE basieren. Aber meiner Erfahrung nach geht die Entwicklung in die richtige Richtung! Es geht nicht nur um das Angebot und die Verfügbarkeit von Komponenten oder Teilsystemen, sondern auch um die praktisch vollständige Implementierung, die Unterstützung der Interoperabilität und die Aufrechterhaltung des Betriebs und der Integration des Systems in das bestehende Ökosystem.
Dies ist auch der besondere Vorteil des IEC-63171-7-Portfolios. Power over Data Line (PoDL) hat bislang immer noch eine Hürde dargestellt. Bestehende Anwendungen und Systeme verwenden separate Stromquellen über separate Steckverbinder. Mit dem neuen »M12-SPE-Hybrid«-Steckverbinder kann der Markt Single-Pair-Ethernet mit reinem Fokus auf die Datenübertragung – ohne speziellen Technologiebedarf in Geräten hinsichtlich der PoDL-Stromübertragung – übernehmen und integrieren. Gleichzeitig ist eine Realisierung von Platz- und Kostenreduktionen möglich. Um ehrlich zu sein, fängt man erst langsam an zu laufen, bevor man an einem Marathon teilnimmt. Das gilt auch für SPE.
In welchen Anwendungen wird SPE zuerst eingesetzt werden?
Wir können drei Hauptanwendungen nennen: Fabrikautomatisierung, Prozessautomatisierung und Gebäudeautomatisierung. So gibt es zum Beispiel Sensoren in all diesen unterschiedlichen Anwendungen. Einsatzbar ist hier Single-Pair-Ethernet in all diesen Umgebungen für IP20 und IP65 für Übertragungsraten von bis zu einem Gigabit pro Sekunde. Darüber hinaus wird SPE in Bereichen implementiert werden, in denen sich bestehende Kommunikationssysteme und die neue SPE-Technologie gegenseitig ergänzen können. Die Prozessautomatisierung mit dem Advanced-Physical-Layer(APL)-Standard beispielsweise beginnt gerade mit der Implementierung für Ethernet-basierte Langstreckenkommunikation bis zu 1km.
In Zukunft werden die drei derzeit diskutierten Bereiche mehr und mehr zu einer vernetzten Welt zusammenwachsen.
Neuer Standard
Der Stecker nach IEC 63171-7
Die Norm IEC 63171-7 spezifiziert Hybridschnittstellen mit SPE- und Leistungskontakten im M12-Format – sowohl mit Schraubverriegelung als auch mit Push-Pull-Schnellverriegelung. Der Standard gilt für geschirmte, freie und feste Rundsteckverbinder zur gemeinsamen Energie- und Datenübertragung. Die SPE-M12-Hybridschnittstellen fügen sich nahezu nahtlos in vorhandene Ethernet-Infrastrukturen ein und unterstützen einfache Plug-and-Play-Verbindungen. Getrennte Pins für die Daten- und Energieübertragung tragen dazu bei, dass höhere Leistungen möglich sind. Der neue Standard berücksichtigt M12-Hybridsteckverbinder für verschiedene SPE-Anwendungen mit Leistungsklassen von 8A bis 16A und von 50V bis 600V.
Als Gründungsmitglied im SPE Industrial Partner Network hat TE Connectivity die Standardisierung maßgeblich vorangetrieben. Der neue hybride Verbindungsstandard ist eine Weiterentwicklung der Norm IEC 63171-6, welche zwar M8-Hybridsteckverbinder definiert, aber nicht den bekannten M12-Industriestandard, der sich in IP65- und IP67-Umgebungen durchgesetzt hat.
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