Mit dem Space-Shuttle durch L.A.

Verbindungstechnik für Spezialtransporte

4. April 2023, 6:45 Uhr | Ralf Higgelke
Der 68 Tonnen schwere Koloss mit einer Breite von 24 Metern und einer Länge von 38 Metern soll vom Flughafen Los Angeles zum Zielhangar kommen – eine fast 20 Kilometer lange Strecke geradewegs durch die dicht besiedelte Megametropole.
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Wie kommt das Space-Shuttle quer durch Los Angeles? Diese und andere Herausforderungen löst die Transporter Industry International Group. Um Verschleißrisiken und Installationsaufwand vor Ort zu reduzieren, ist eine robuste Verbindungstechnik gefragt.

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Auch Raumfähren gehen irgendwann in den Ruhestand. 2012 war es für die »Endeavour« an der Zeit: Nach 25 Missionen im Orbit trat das letzte verbliebene Space-Shuttle seine letzte Reise in das California Science Center im Süden von Los Angeles an.

Mit dem Space-Shuttle durch L.A.

Wie kommt das Space-Shuttle quer durch Los Angeles?
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Wie kommt das Space-Shuttle quer durch Los Angeles?
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Dazu musste der 68 Tonnen schwere Koloss mit einer Breite von 24 Metern und einer Länge von 38 Metern vom Flughafen Los Angeles zum Zielhangar kommen – eine fast 20 Kilometer lange Strecke geradewegs durch die dicht besiedelte Megametropole.
Da das Shuttle nicht selbst fahren konnte und auf keinen gewöhnlichen LKW passte, brauchte es ein besonderes Transportmittel für schwere Lasten. Dies kam von der Transporter Industry International Group (TII Group). Das Heilbronner Unternehmen fertigt Schwerlastfahrzeugen für weltweite Transporte. Ob Bohrinseln, Schiffe, Flugzeuge, Intralogistik, Windkrafträder oder eben auch Space-Shuttles – die Anwendungsbereiche und -orte sind vielseitig. Beim Space-Shuttle in Los Angeles kam ein besonderer Fahrzeugtyp zum Einsatz: der Self-Propelled Modular Transporter – oder kurz: Scheuerle SPMT K24. Dieser ferngesteuerte, modulare Schwerlasttransporter lässt sich je nach Gewicht und Größe seiner Fracht beliebig zu einem Fahrzeugverbund erweitern. Er nimmt Nutzlasten von bis zu 248 Tonnen auf, wiegt selbst aber nur 24 Tonnen. Eine am Fahrzeug angebrachte »Power Pack Unit« enthält den Motor und das Steuerungssystem.

Diese flexiblen Fahrzeuge haben schon einige Weltrekorde gebrochen – zum Beispiel beim Verfrachten eines ausrangierten Ölförderschiffs im November 2022. Da bewegten die Fahrzeuge ganze 20.300 Tonnen. Das entspricht einer Herde von etwa 3383 männlichen afrikanischen Elefanten oder dem knapp 4,5-fachen Gewicht des Stuttgarter Fernsehturms.

Auch die Endeavour wurde auf einer SPMT-K24-Kombination verladen und mit Schritttempo an seinen Bestimmungsort in Los Angeles transportiert – durch eine dichte Stadtlandschaft, vorbei an Kaufhäusern, Wohnsiedlungen, Fernsehkameras und einem begeisterten Straßenpublikum.

Von glühend heißer Sonne bis hin zu klirrender Kälte 

»So sonnig wie in Kalifornien geht’s allerdings nicht immer zu«, weiß Tobias Maier, Teamleiter Steuerungstechnik beim Tochterunternehmen TII Kamag in Ulm, und ergänzt: »Unsere Kunden setzen ihre SPMT K24 weltweit ein. Nach so einem Transport in Los Angeles kann es für ein Fahrzeug auch ein halbes Jahr lang nach Sibirien gehen – bei bitterkalten minus 25 Grad Celsius, oder in die Wüste der arabischen Halbinsel, bei Staub und Hitze.« Diese Extreme muss auch die Verbindungstechnik der Fahrzeuge aushalten, die den Strom vom Motor und die Daten vom integrierten Bordcomputer an die Achsen leitet.

Dabei entstehen zwei konkrete Herausforderungen: Erstens können Kabel nicht einfach außen an den Fahrzeugen verlegt werden. Denn da sind sie Umwelteinflüssen wie UV-Strahlung oder Extremtemperaturen direkt ausgesetzt. Im Inneren des Chassis ist aber nur wenig Platz. Zweitens werden die mit jeweils einem eigenen Antrieb ausgerüsteten modularen Transporter erst vor Ort je nach Bedarf miteinander gekoppelt – auch die Verbindungstechnik. Und zwar von Menschenhand, bei Wind und Wetter.

»Mit zu vielen Steckerstellen und Einzelkabeln kann das schnell zum mühseligen Akt werden«, erklärt Tobias Maier. »Bei der Fahrzeugplanung wurde uns damals klar, dass wir die Anzahl der Kabel an den Fahrzeugen minimieren mussten. Einerseits sollte die Kabelkoppelung vor Ort für die Leute handlich sein, andererseits wollten wir alle Kabel durch das geschützte Innere des Fahrzeugrahmens leiten können.« Die Idee also: Die gesamte Verbindungstechnik musste bestenfalls in nur zwei kompakte Leitungen passen – eine Versorgungsleitung sowie eine Steuer- und Datenleitung.

Spezialkabel gesucht und gefunden

Doch dafür brauchte es eine Sonderanfertigung. Und hier einen passenden Lieferanten zu finden war nicht so einfach. Anfangs kamen einige Anbieter infrage. Am überzeugendsten war laut TII jedoch Lapp. Dieser Hersteller von integrierter Kabel- und Verbindungstechnologie hat nach den Vorgaben zwei Leitungen konzipiert – eine Power-Line und eine Data-Line.

»Beide Leitungen fassen mehrere Kabeltypen in einem zusammen, das heißt, sie sind Hybridleitungen«, erklärt Joachim Hentschel, Account Manager bei Lapp. »Die Power-Line versorgt das Fahrzeug zunächst mit Strom, sodass es auch ins Rollen kommt«, ergänzt er. Die Data-Line wiederum ist der Daten-Pool des Fahrzeugs. Die darin enthaltene Datenbus-Leitung bringt Steuer- und Regelsignale von der Power Pack Unit an die Räder, »um beispielsweise jede einzelne Achse auf den korrekten Lenkwinkel einstellen zu können«. Sowohl Power- als auch Data-Line beinhalten zusätzlich noch serielle Steuerleitungen.

Doch beim ersten Entwurf schaffte die Data-Line den notwendigen Datendurchsatz nicht. »Das Problem war die Impedanz des Kabels«, erklärt Joachim Hentschel. »Wir mussten die Aderverteilung in der Leitung anpassen.« Und das wurde dann schnell umgesetzt. Gefertigt werden die Leitungen im französischen Forbach, dem größten Lapp-Standort für den Sonderleitungsbau, nahe der deutschen Grenze bei Saarbrücken.

Damit müssen Schwerlast-Fahrer bei eisigen Temperaturen mit nur zwei Koppelsteckern hantieren und nicht einen Kabelsalat entwirren. Das vermeidet nicht nur Unannehmlichkeiten, sondern auch Fehler. Und wenn die Kabel vor dem Verschleiß bewahrt werden, weil sie im geschützten Inneren des Fahrzeuges liegen, ist auch die Ausfallsicherheit gegeben. Nicht auszudenken, was es bedeuten würde, wenn ein Modultransporter mit über 10.000 Tonnen Ladung plötzlich inmitten der Wüste stehen bleibt – da wird jede Sekunde kostspielig.


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