ODU stellt auf der electronica den Docking Mate vor, einen Steckverbinder mit toleranzausgleichender Eigenschaft. Im Interview erläutert Richard Espertshuber, Global Business Development Manager eMobility bei ODU, warum selbstfindende Kontaktierungen immer wichtiger werden.
electronica Daily: Herr Espertshuber, können Sie uns das Funktionsprinzip des Docking Mate erklären?
Richard Espertshuber: Der Docking Mate besteht aus zwei Steckpartnern, einer davon ist unbeweglich, der andere beweglich. Das beweglich gelagerte Steckgesicht hat einen Bewegungsspielraum von ±5 mm in x- und y-Richtung und richtet sich passend und automatisch aus, sobald sich das Gegenstück annähert. Dazu sitzen an den Isolierkörpern sogenannte Fangtrichter, die das Gegenstück aufnehmen und in die richtige Position bewegen. Dadurch kontaktiert der Steckverbinder selbstständig und Steckvorgänge sind ohne manuelles Zutun möglich.
Wie reagiert der Markt auf den Docking Mate?
Aktuell bedienen wir bereits einen Kunden mit dieser Lösung. Es gibt aber auch noch einen weiteren Interessenten, ein größerer deutscher OEM, mit dem wir momentan im Gespräch sind. Unsere Idee scheint also auf Interesse zu stoßen.
Die Idee eines beweglichen Stecksystems ist aber nicht ganz neu?!
Ja, es gibt wohl ähnliche Ansätze. Wir sind aber zum Beispiel mit einem Kunden im Gespräch, demzufolge unser Produkt ausgereifter ist, als es bei unseren Mitbewerbern der Fall ist. Ich denke, am Ende überzeugt immer die Kombination aus einer Idee, einem Produkt und der erforderlichen Preiswürdigkeit. Wir sehen den ODU Docking Mate in erster Linie als Ideenträger für ein Funktionsprinzip, das sich relativ einfach an andere Applikationen anpassen lässt. Er ist einfach aufgebaut und kann daher in hohen Stückzahlen produziert werden.
Für welche Anwendungen eignet sich der selbstfindende Stecker?
Selbstfindende Systeme sind dann besonders wertvoll, wenn zwei Dinge elektrisch miteinander verbunden werden müssen, ohne dass eine Person manuell eingreifen kann. Das ist auch die Grundidee der beiden Kundenprojekte. Im Mittelpunkt stehen dabei zum einen eine gewisse Automatisierbarkeit und zum anderen ein relativ schneller Austausch von wichtigen Komponenten. Das können zum Beispiel Anwendungen mit einem sehr kleinen Bauraum sein, wodurch es schwierig wird, einen normalen Steckverbinder manuell zu bedienen. Oder auch beim Austausch von großen und wichtigen Komponenten, bei denen es relativ zügig gehen muss. Denken Sie zum Beispiel an eine Elektrobatterie, die bis zu 800 kg wiegen kann. Bei solchen komplexen, schweren Teilen spielt das selbstfindende Kontaktsystem natürlich seine Vorteile aus. Anders gesprochen: Alles, was frei zugänglich ist und sich manuell bedienen lässt, braucht wahrscheinlich nicht unbedingt ein derartiges Stecksystem. Aber wenn es um große, schwere oder hochautomatisierte Anwendungen geht, spielt es durchaus eine Rolle.
Was gab den Ausschlag für die Entwicklung?
Die Produktidee entstand bei unserem internationalen eMobility-Workshop in Mühldorf am Inn mit ODU-Spezialisten aus den USA, China und Europa. Denn auch die amerikanischen Kollegen haben in ihren Kundengesprächen festgestellt, dass ein selbstfindendes Funktionsprinzip immer wieder gefragt war. Mittlerweile fahren wir bei ODU Automotive eine etwas andere Strategie als früher. Wir versuchen mittlerweile vor allem durch Gespräche herauszufinden, wohin der Trend geht und wie wir als ODU Lösungen anbieten können, die es möglicherweise auf dem Markt noch nicht gibt. So ist die Idee eines toleranzausgleichenden Kontaktsystems entstanden und in Kundengesprächen konnten wir erfahren, dass das Interesse tatsächlich da ist. Anschließend haben wird das System weiter verfeinert und vereinfacht, damit es serientauglich wird. Also im Grund genommen war es ein analytischer Vorgang, entstanden aus der Frage, was der Kunde braucht und welche Projekte und Produkte wir daraus ableiten können.
Wie schätzen Sie die weiteren Entwicklungen in der Elektromobilität ein?
2019 ist davon geprägt, dass viele deutsche OEMs Fahrzeuge mit größeren Reichweiten auf den Markt bringen. Die mangelnde Reichweite war bisher ja immer ein Thema: Mit einer Reichweite von 100 km lässt sich vielleicht ein kleines Klientel bedienen, aber natürlich nicht die breite Masse. Das scheint sich langsam zu ändern. Außerdem verspreche ich mir viel vom Zusammenschluss der OEMs zum Gemeinschaftsunternehmen Ionity, das sich dafür einsetzt, dass möglichst bald ein Schnellladenetz bei uns in Europa entsteht. Da tut sich im nächsten Jahr sehr viel und ich denke, dass wir jetzt erst am Anfang der Elektromobilität stehen. Sobald die richtigen Fahrzeuge und die richtige Infrastruktur vorhanden sind und Autofahrer keine Reichweitenangst mehr haben müssen, werden Elektroautos schnell zum Alltagsgegenstand werden. Und der Begeisterungsfaktor kommt noch obendrauf – ein Elektrofahrzeug zu fahren macht nämlich unwahrscheinlich Spaß.
Wie reagieren Sie auf den wachsenden E-Mobility-Markt in China?
Wir bei ODU sind vor allem in der Elektromobilität vorrangig global aufgestellt. Unsere drei Hauptmärkte sind dabei USA, Europa und China. Wir sind lokal stark, auch was die Projektgewinnung, Konstruktion, das Design und den Kundenservice anbelangt, deshalb versuchen wir natürlich an jeder Stelle das passende Produkt für den Kunden zu haben. Wenn der Markt in China an dieser Stelle stärker wird, versuchen wir, über die chinesischen Kollegen diesen Markt optimal zu bedienen und entsprechend auszurichten. Wir halten permanent Kontakt mit den chinesischen Kollegen und tauschen uns regelmäßig über das Marktgeschehen aus. In China passiert natürlich sehr viel, deswegen sind wir aktuell dabei, dort unseren Kompetenzgrad zu erhöhen, indem wir verstärkt Teile dorthin verlagern. Der chinesische Markt hat ganz andere Anforderungen als der europäische, man muss vor allem schnell sein, deswegen sind lokale Stärke und Kompetenz vor Ort ganz besonders wichtig.
Noch ein Schlusswort?
Es gibt viele Anwendungsbereiche, die die großen Hersteller schon abdecken – keine Frage. Trotzdem habe ich festgestellt, dass für eine Menge an Aufgaben zwar Lösungen angedacht werden, die es aber noch nicht gibt. Und da braucht es dann Firmen wie ODU, die über den Tellerrand hinausblicken, auch in diesem sehr wettbewerbsfähigen Umfeld, und besondere Lösungen entwickeln.
Das Interview führte Anja Zierler.