Stefan Kober: Fusion Worldwide

»Wir sind ein integraler Bestandteil der Lieferkette«

22. April 2021, 12:13 Uhr | Karin Zühlke
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Qualität beim Einkauf und beim Lieferanten-Screening

Genau damit kommen wir direkt zur nächsten Frage: Welche Maßnahmen ergreifen Sie zur Qualitätssicherung der von Ihnen verkaufen Ware?

Für uns bei Fusion fängt Qualität beim Einkauf und beim Lieferanten-Screening an. Wir haben ein sehr großes Netzwerk an Lieferanten, die durch einen äußerst detaillierten Qualifizierungsprozess gehen. Dieser Prozess beinhaltet ein Rating; nur wer das besteht, darf Fusion beliefern.
Zudem durchlaufen alle Produkte, die wir bekommen, einen fünfphasigen Inspektionsprozess, damit wir sicherstellen, dass das, was wir bekommen, auch das ist, was der Kunde auf seiner Platine haben will.

Das heißt, wir machen eine visuelle In­spektion, betrachten Form, Fit, Function und haben auch eigene Prüflabore für weitere Tests. Hier können wir beispielsweise Ware chemisch öffnen, haben die Möglichkeiten, Heated Chemical Tests und Röntgenuntersuchungen durchzuführen, um sicherzustellen, dass das Produkt auch wirklich das ist, was der Kunde bestellt hat. Wir agieren hier völlig transparent: Das Ergebnis der Untersuchung bekommt der Kunde mit einem Inspection Report mitgeteilt.

Die Lieferketten sind derzeit in Europa vielerorts am Limit: Nicht nur Halbleiter und passive Bauteile sind knapp, sondern auch Container und Frachtkapazitäten. Wie schätzen Sie die Situation aus Ihrer Sicht aktuell ein?

Sie sprechen damit viele Punkte an, mit denen wir uns derzeit aktiv beschäftigen müssen. Das heißt, es fängt an bei den Logistik-Ressourcen, die knapp sind, ganz egal ob per Flugzeug oder Schiff. Die zusätzlichen Maßnahmen an den Grenzen in Europa verschärfen die Situation zusätzlich. Die Logistikkette ist momentan gestört und sehr schwierig vorhersehbar.

Die Probleme bei Containern bedeuten normalerweise, dass mehr per Luftfracht transportiert wird. Allerdings gibt es auch hier weniger Kapazitäten durch den eingeschränkten Luftverkehr. Das eine bedingt das andere. Man muss alles sehr eng mit den Kunden abstimmen. Momentan sehen wir beispielsweise, dass sich die Luftfracht-Kapazitäten um 25 Prozent reduziert haben, was zusätzlich dafür sorgt, dass die Frachtpreise deutlich ansteigen und dazu die Zuverlässigkeit eingeschränkt ist.

Es geht für uns als Fusion Worldwide darum, Bescheid zu wissen, wie sich der Markt entwickelt. Unser Ziel ist es. unsere Kunden darauf vorzubereiten, um die Auswirkungen diese Situation abzumildern.

Wo sehen Sie die aktuell größten Herausforderungen speziell für Ihre Kunden aus Deutschland, Österreich und Schweiz?

Die Hauptproblematik ist, dass insbesondere die in Deutschland so starke Automotive-Welt komplett durcheinander ist. Dazu einige Beispiele wichtiger Automotive-Lieferanten: Renesas bereitet durch das jüngste Feuer in der Naka-Fab große Probleme; die Liefersituation von NXP hat sich durch den Stromausfall in Austin auch nicht gerade verbessert; auch Infineon hat Lieferschwierigkeiten. Wir laufen zudem auf Engpässe generell bei MLCCs zu. Der Umfang der Probleme ist derzeit also so groß, dass man da schwer punktuell eingrenzen kann. Im Endeffekt ist es egal, ob auf der Platine der Controller fehlt oder der Transistor, in beiden Fällen kann nicht gefertigt werden.

Fusion Worldwide
© Fusion Worldwide

Welche Produktgruppen sind Ihrer Erfahrung nach derzeit besonders knapp?

Das ist ein ganzes Füllhorn an Produktgruppen, angefangen bei Rohmaterialien wie ABF-Substrate, Glassubstrate, Edelmetalle, Seltene Erden. Problematische Komponenten sind Controller, Automotive-ICs, Netzwerk-ICs und MLCCs und sogar MOSFETs. Hinzu kommen derzeit auch noch Speicherprodukte mit DRAM, NOR-Flash, NAND-Flash sowie GPUs. Die großen Applikationsbereiche, die die Produkte ziehen, sind der Energiesektor, Mobility, Security, IoT, Server und Cloud Services: All diese Anwendungen sorgen dafür, dass noch mehr Druck in die Lieferkette kommt. Jeder Hersteller ist in Konkurrenz mit seinem Wettbewerber, um Komponenten bzw. Rohmaterialien zugeteilt zu bekommen, und das wird sich auch noch bis ins Q3 ziehen.

Die Insel Taiwan erlebt gerade die schlimmste Dürre seit über 50 Jahren. Warum könnte sich ein solches Problem nach Ansicht von Fusion auch auf die Halbleiterverfügbarkeit auswirken?

Fertigungen in Taiwan produzieren global gesehen 53 Prozent der Halbleiter und Wafer-Produkte weltweit. Und die Halbleiterfertigung ist sehr wasserintensiv. Wenn sie innerhalb der Fertigungsprozesse zu wenig Wasser verfügbar haben, bedeutet das, dass Fabriken ihren Output reduzieren müssen, wenn diese Dürre anhält. Würden nun die Fertigungskapazitäten aufgrund der Wasserknappheit nur um 10 oder 20 Prozent reduziert werden, würde dies natürlich weitere Probleme bei der Halbleiterversorgung nach sich ziehen.

Was empfehlen Sie den Kunden also in Bezug auf deren Einkaufsverhalten?

Wir empfehlen unterschiedliche Stoßrichtungen: Die Kunden sollten eine reine Single-Source-Versorgung ausschließen. Das heißt, ein einzelner Lieferant, ein einziger Hersteller oder eine einzelne mögliche Alternative für das Design. Je mehr Alternativen Sie haben, umso besser können Sie reagieren, wenn es bei einer Komponente Schwierigkeiten gibt. Dadurch sorgt der Kunde dafür, dass er das Risiko minimiert, weil er nicht alles auf eine Karte setzt. Nehmen wir nochmal das Beispiel Renesas: Der Hersteller produziert bestimmte Komponenten ausschließlich in einer Fabrik. Das bedeutet für den Kunden natürlich ein enormes Risiko.

Die Kunden müssen außerdem verstehen, dass sie Notfallpläne benötigen, und zwar weit im Voraus und nicht ad hoc. Jeder Kunde muss sich von vorne herein auf einen Notfall einstellen und sollte sich die Fragen stellen: Was passiert, wenn meine Einkaufsstruktur erkrankt, was passiert, wenn die Fabrik für meine Single Source abbrennt? Wie kann ich mein Produktportfolio streuen, wie kann ich auf meine Entwicklung einwirken, um für mehr Flexibilität durch eine Ausweitung des eindesignten Produktportfolios zu gewinnen? Wir nennen das „Lieferkette abhärten gegen die Schocks“, die letztlich immer wieder kommen in unserem Geschäft und unserer Branche.

Wir legen großen Wert darauf, unsere Kunden zu informieren, denn so hat der Kunde genug Vorlauf und muss nicht dem Markt hinterherlaufen. Es geht darum, dass der Kunde sich mit vertrauenswürdigen und etablierten Lieferanten zusammentut.

Wir lösen die Probleme des Kunden, wenn sie da sind, aber so wie die Feuerwehr das Feuer löscht, gehört es auch zur Aufgabe der Feuerwehr, Brände zu beherrschen und zu vermeiden. Und genau das machen auch wir uns zur Aufgabe!


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