Was ist dran an den Aussagen von großen Auftragsfertigern, die zum Teil auch bei der Distribution kaufen, dass Preise aufgrund der Verknappung willkürlich erhöht werden und man durch sogenannte Hot-Lot-Zuschläge schneller an die Ware kommt?
Das kann und will ich nicht kommentieren, jedenfalls wird diese unseriöse „Broker-Mentalität“ bei TDK nicht gelebt. Eines der TDK-Prinzipien ist, bei Kunden Vertrauen in uns zu schaffen. Damit setzen wir auf langfristige Partnerschaften und nicht auf die kurzfristige positive Ergebniswirkung einer überzogenen Preispolitik.
Auch wenn es viele makroökonomische Unwägbarkeiten gibt, der Bedarf für Komponenten wird auch 2019 weiter wachsen, in vielen Anwendungen exponentiell. Wie lässt sich da die Versorgungssicherheit europäischer mittelständischer Kunden überhaupt noch ansatzweise sicherstellen? Es gibt Passiv-Experten, die sich – ich zitiere – »große Sorgen machen um die Bauteileversorgung in Europa«. Ist das aus Ihrer Sicht Schwarzmalerei oder pragmatischer Realismus?
Aus meiner Sicht ist das übertrieben. Europa ist sicherlich nicht so ein riesiger Markt wie China, aber für uns Bauelemente-Hersteller wegen der neuen Technologien in den Bereichen Automotive und Automatisierung von großer Bedeutung. Allen Beteiligten muss daran gelegen sein, dass erstklassige Marktpositionen europäisch stämmiger Unternehmen in diesen Industrien nicht an Firmen anderer Länder verloren gehen. Das gilt gerade bei Technologien, bei denen europäische Unternehmen mit führend sind, wenn nicht sogar die führenden Player – etwa rund um das autonome Fahren. Solche zukunftsträchtigen Anwendungsfelder dürfen wir nicht durch eine mangelnde Versorgungssicherheit bei den elektronischen Bauelementen gefährden.
So hat TDK gerade in den vergangenen Jahren in Europa gehörig in den Fertigungsausbau investiert, auch in Deutschland. Beispielsweise wurde das Werk in Heidenheim mit mehreren zusätzlichen, hochautomatisierten Fertigungslinien für Induktivitäten ausgestattet. Dies ist nur ein Beleg von vielen, wie wir bei TDK unsere europäischen Kunden unterstützen.
Auf den Punkt gebracht: Was tun Sie konkret als globaler Konzern für die Versorgung der KMU-Kunden – die ja die Hauptklientel der Distribution sind?
TDK ist im Branchenvergleich einer der größten Hersteller von passiven Bauelementen, der an Distributoren in Europa liefert. Wir sind uns dieser Rolle wohl bewusst und haben unser Vorgehen entsprechend ausgerichtet. Mit gezielten Lagerprogrammen im Bereich von Commodity-Produkten verbessern wir deren Verfügbarkeit erheblich. Darüber hinaus haben wir auch einige Kunden aus dem Mittelmengengeschäft aus der Betreuung unseres Direktvertriebs herausgelöst und an hoch zuverlässige und kompetente Distributionspartner übergeben. Diese können nun ihre Bedarfe „off-the-shelf“ zum oft gleichen Preis wie bei uns beziehen. Also eine Win-Win-Situation.
Wir haben uns in unseren Disti-Diskussionsrunden schon oft über die Rolle neuer Player wie Amazon unterhalten, die versuchen, in den B2B-Distributionsmarkt einzugreifen. Man findet inzwischen dort u.a. auch ein Sammelsurium an aktiven und passiven Bauelementen. Allerdings wirkt das Ganze noch recht unstrukturiert. Würden Sie einen Vertriebsweg über Amazon in Erwägung ziehen?
Tatsächlich hatte ich bereits erste Anfragen vom Amazon BISS-Team – Business, Industrial and Scientific Supplies – auf meinem Tisch. Ich sehe jedoch im derzeitigen Geschäftsmodell von Amazon keinen für unsere Industrie tragfähigen Ansatz. Zum einen ist durch die Vielzahl von nicht autorisierten Anbietern kein Schutz vor gefälschter Ware gegeben. Zum anderen kann ich mir nicht vorstellen, dass Bewertungen und Beratungen, die von anderen Käufern gegeben werden, bei unseren Kunden gut ankommen. Unsere autorisierten Distributoren haben hier aus gutem Grund und zum Vorteil der Kunden umfangreich investiert und sie führen natürlich unser komplettes Programm.