Interview mit Erich Brockard und Dr. Eckart Voskamp, EBV Elektronik:

Alle warten auf den großen Hack

26. August 2015, 11:22 Uhr | Frank Riemenschneider
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Fortsetzung des Artikels von Teil 3

Gabriel sagt, „Industrie 4.0 muss jetzt mal auf den Hallenboden gebracht werden“…

Brockard: Der Punkt ist, wenn ich darauf warte, dass Industrie 4.0 irgendwann in allen Einzelheiten fertig ist, mit Sicherheits-Standards, mit Kommunikationsstandards, die Software, dann werden uns die Amerikaner abhängen. Das sehe ich aber nicht. Ein Kunde von uns, ein Fertiger, hat seine Produktion mit intelligenten Produktionsknoten um 30 % optimiert, aber er macht eben keinen großen Wirbel daraus. Was wir natürlich erst bedingt haben, ist die Einbindung der Supply Chain in die eine oder andere Richtung.

Die Halbleiterindustrie reitet Industrie 4.0 marketingmäßig ohne Ende. Wenn man hinter die Kulissen guckt, stellt man fest, dass diejenigen, die am lautesten schreien, die großen Investitionen z.B. in IoT-ASSPs gescheut haben. Stattdessen werden oft bestehende CPU- und Wireless-Blöcke zusammengeschraubt und das Ergebnis als IoT-Chip verkauft. Was sind da für Stückzahlen realistisch?

Brockard: Da ist sicher ein Hype drin. Die Technologien gibt es, die Schnittstellen müssen aber noch verbessert werden. Sicher macht es Sinn, z.B. existierendes WiFi mit CPUs zu verheiraten, wie manche Hersteller es bereits machen. (Anmerkung der Redaktion: Ein Beispiel ist Broadcom). Was wir aber noch brauchen, sind u.a. Standardisierung bei M2M-Kommunikation und effektive Software Stacks. Da ist noch viel Potenzial.

Welchen Einfluss haben eigentlich Smartphones und Tablets auf die Fabrik der Zukunft? Haben Sie da schon Erfahrungen?

Brockard: Wir haben Kunden, die bereits ihre teuren Industrie-Terminals ausgetauscht haben und zur Steuerung z.B. per NFC-Technologie Smartphones und Tablets als User Interface einsetzen, um z.B. Störungs- oder Prozessdaten auszulesen. Ein Kunde steuert sein ganzes Gebäude über Powerline und zwar konkret Jalousien und Licht, der hat keinen einzigen Schalter mehr, sondern steuert das ganze Gebäude über iPhone-Apps.

Essentiell für das IoT ist ja Security. NXP und Infineon haben über ihre Chipkarten-Sparte Hardware Security. Haben die beiden aus Ihrer Sicht Vorteile gegenüber anderen Herstellern?

Brockard: Wenn ich mich mit Kunden über Industrie 4.0 unterhalte, ist die erste Frage nach technologischer Innovation und die zweite Frage nach Sicherheit. Wir haben einen Spezialisten von einem großen Chipkartenhersteller eingestellt, weil das Thema für uns auch sehr wichtig ist. Leider ist die Investitionsbereitschaft noch limitiert; manchmal habe ich das Gefühl, es muss erstmal was passieren, alle warten auf den großen Hack.

Sie haben die Frage nicht beantwortet! Diese lautete Hardware vs. Software bzw. Infineons und NXPs Chipkarten-Know-how vs. der Rest der Chipbranche. Infineon verschlüsselt ja z.B. ganze CPU-Cores und den gesamten Datenverkehr auf dem Chip, diesen Sicherheits-Level können Sie mit einer Krypto-Engine auf einer Billig-MCU doch gar nicht vergleichen!

Brockard: (lacht) Das ist ja richtig. Sicherheit kostet, die Frage ist immer, wie viel Sicherheit brauche ich und was bin ich noch bereit, dafür zu zahlen. Wenn es um kleine Knoten geht und ich brauche einen kleinen Security-Chip darauf, bieten NXP und Infineon, aber auch Atmel und STMicroelectronics entsprechende Lösungen. Mit „Trust Architecture“ adressiert Freescale beispielsweise andere Sicherheitsanforderungen. Die große Herausforderung ist, dass Security ein so umfassendes Thema ist – vom Board mit Boot-Schutz über Datenübertragung bis zur Firewall. Früher hatten Sie eine SPS und über eine feste Verbindung wie z.B. ProfiNet eine Ansteuerung. Da ist nichts zwischengekommen, außer jemand hat das Kabel durchtrennt. Wenn man Wireless-Sensoren einbindet und die Verbindung korrumpiert, haben Sie ein Problem. Abhilfe würde z.B. ein proprietäres, sicheres Wireless-Protokoll schaffen, das ist nicht mehr so einfach zu knacken.


  1. Alle warten auf den großen Hack
  2. Nach welchen Kriterien suchen Sie sich die Hersteller aus?
  3. Automotive ist ein gutes Stichwort. Das Geschäft ist ja Hersteller-getrieben, wo kann da ein EBV mitspielen?
  4. Gabriel sagt, „Industrie 4.0 muss jetzt mal auf den Hallenboden gebracht werden“…
  5. Wer von Ihren Mittelständlern soll denn das entwickeln?
  6. Was motiviert die Neueinsteiger, nicht auf ARM zu setzen?

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