Das Controller Area Network (CAN) enwickelt sich weiter: Vor der Einführung steht die dritte Protokollgeneration namens CAN XL (Extended Data-field Length). Ein CAN-XL-Rahmen-Relegramm überträgt Nutzerdaten mit bis zu 2048 Byte Länge im Broadcast, die maximal erreichbare Bitrate beträgt 20 Mbit/s.
Das 1986 von Bosch vorgestellte serielle Netzwerk CAN (Controller Area Network) ist seit 1993 international genormt (ISO 11898). Es ist das dominierende interne Fahrzeugnetzwerk (In-Vehicle Network, IVN). Dabei werden heutzutage überwiegend klassische CAN-HS(High-Speed)-Transceiver eingesetzt. Sie unterstützen Bitraten bis 1 Mbit/s, werden aber meistens nur mit einer Bitrate von 500 kbit/s betrieben. Selbst in Autos der unteren Preiskategorie gibt es heutzutage mehrere CAN-Netzwerke mit rund 50 CAN-vernetzten elektronischen Steuergeräten.
Im Jahr 2012 begann die Entwicklung der zweiten CAN-Protokollgeneration unter dem Namen CAN FD (Flexible Datarate). Ein CAN-FD-Frame kann Nutzerdaten mit einer Länge von bis zu 64 Byte im Broadcast (einer an alle) übertragen. Das CAN-FD-Protokoll ist in der Norm ISO 11898-1:2015 international standardisiert. In der Arbitrierungsphase, wenn mehrere CAN-Teilnehmer um das Senderecht »streiten«, ist die maximal erlaubte Bitrate wie beim klassischen CAN (CAN classic, CAN CC) auf maximal 1 Mbit/s begrenzt, da alle Teilnehmer in einer Bitzeit den Wert des Bits erkennen müssen. Wenn nach der Arbitrierungsphase nur noch ein Teilnehmer senden darf, kann in der folgenden Datenphase die Bitrate erhöht werden.
Anfänglich gab es nur CAN-FD-Trans- ceiver, die in der Norm ISO 11898-2:2016 spezifiziert sind. Mit ihnen kann man realistische Bitraten von 2 Mbit/s in Netzwerken mit mehr als zwei Teilnehmern erreichen. Bei Punkt-zu-Punkt-Verbindungen mit nur zwei Teilnehmern kann man CAN-FD-Frames mit bis zu 5 Mbit/s übertragen. Immer unter der Voraussetzung, dass eine Kommunikation bei Temperaturen von -40 °C bis +150 °C funktionieren soll. Branchenübliche EMV-Anforderungen sind dabei ebenfalls zu erfüllen. Die Norm IEC 6228-3:2019 spezifiziert Test- und Messmethoden für die EMV-Bewertung von CAN-Transceivern.
Um für CAN-FD-Netzwerke höhere Bitraten zu ermöglichen, entwickelten CiA-Mitglieder die CAN-SIC-Transceiver (Signal Improvement Capability, SIC). Sie erlauben eine realistische Bitrate von bis zu 8 Mbit/s in verschiedenen Netzwerktopologien mit mehreren Teilnehmern. In der Zwischenzeit haben viele Autobauer einige ihrer IVNs auf CAN-FD umgestellt. Zunehmend werden auch SIC-Transceiver eingesetzt. Dies gilt auch für Nutzfahrzeuge.
Ende 2018 begannen CiA-Mitglieder auf Initiative von Volkswagen mit der Entwicklung des CAN-XL-Protokolls und der CAN-SIC-XL-Transceiver. Dabei wurde darauf geachtet, dass die physikalische Übertragung skalierbar ist. Man kann CAN-XL-Netzwerke also auch mit SIC-Transceivern betreiben, ist dann aber in der maximal erreichbaren Bitrate auf 8 Mbit/s begrenzt. Man hat dabei den Vorteil, dass man sowohl CAN-FD-Knoten als auch CAN-XL-Knoten in einem Netzwerk betreiben kann. Die Nur-CAN-FD-Knoten ignorieren die CAN-XL-Frames.
Das CAN-XL-Protokoll unterscheidet sich von der ersten und zweiten CAN-Protokollgeneration erheblich. Im CAN-CC- und CAN-FD-Protokoll sind im CAN-Identifier-Feld sowohl die Frame-Priorität als auch die Kennzeichnung des Inhaltes des Datenfeldes codiert. Im CAN-XL-Protokoll gibt es nun zwei separate Felder: das 11-Bit-Prioritätsfeld (Priority ID Field) und das 32-Bit-Akzeptanzfeld (Acceptance Field).
Die Vorteile: ein kurzes Prioritätsfeld in der »langsamen« Arbitrierungsphase und ein längeres Feld (32 Bit statt 11 Bit oder 29 Bit) für die Inhaltskennzeichnung. Außerdem führt die Doppelfunktion des CAN-ID-Feldes im CAN-CC- und im CAN-FD-Protokoll zu Einschränkungen bei den höheren OSI-Protokollen (Open System Interconnections).
Eine weitere Besonderheit des CAN-XL-Protokolls sind die im Rahmentelegramm enthaltenen Felder SDT (Service Data Unit Type) und VCID (Virtual CAN Network Identifier). Sie enthalten eingebettete Managementinformationen der höheren OSI-Protokolle (also oberhalb des Datenverbindungsprotokolls). Das 8-Bit-Feld SDT zeigt an, wie das CAN-XL-Datenfeld zu interpretieren ist. Die Nutzung dieses Feldes ist in der Spezifikation CiA 611-1 festgelegt. Das 8-Bit-Feld VCID kann beispielsweise zur Instanzierung von logischen Netzwerken genutzt werden. Somit kann der Systemdesigner theoretisch 256 logische Netzwerke unterscheiden, die das gleiche höhere Protokoll verwenden.
Das CAN-XL-Protokoll verfügt über zwei CRC-Felder (Cyclic Redundancy Check). Mit diesen können fünf beliebig im CAN-XL-Frame verteilte Bitfehler erkannt werden. Dies entspricht einer Hamming-Distanz von 6. Die Zuverlässigkeit des CAN-XL-Protokolls ist also noch höher als die der Vorgängergenerationen. Das CAN-XL-Protokoll ist in der 3. Edition der ISO 11898-1 international genormt, die im Frühjahr 2024 veröffentlicht wurde.
Bei Verwendung von CAN-SIC-XL-Transceivern wird optional eine ande- re Bitcodierung als bei den früheren CAN-Transceivern verwendet: PWM (Pulse-Width Modulation) anstatt NRZ (Non-Return to Zero). Hierzu muss der CAN-XL-Controller entsprechend konfiguriert werden und die automatische Sendewiederholung bei fehlerhaften Frames muss per Konfiguration abgeschaltet werden. Die Fehlerbehandlung muss dann in den höheren OSI-Protokollen erfolgen.
Die CAN-SIC-XL-Transceiver sind ebenso wie die CAN-SIC-Transceiver in der Norm ISO 11898-2:2024 spezifiziert. Leider konnten nicht alle Kommentare aus formalen Gründen in der veröffentlichten Norm berücksichtigt werden. Eine Überarbeitung ist bereits beantragt. Zwischenzeitlich hat die internationale Anwender- und Herstellervereinigung CiA (CAN in Automation) einen Korrigendum-Vorschlag (CiA 140) veröffentlicht, der kostenlos bei dem eingetragenen Verein bestellt werden kann.
Die beiden Normen ISO 11898-1:2024 und ISO 11898-2:2024 decken zwar nur die beiden unteren Schichten des OSI-Modells ab, aber die CiA-Mitglieder entwickeln ein komplettes Ökosystem für CAN XL. Dies schließt auch ein Cybersecurity-Protokoll auf der Datenverbindungsschicht (Data Link Layer) ein. Dieses CANsec-Protokoll wird in der CiA-Spezifikationsreihe CiA 613 veröffentlicht. In dieser Reihe ist auch eine optionale Fragmentierung von CAN-XL-Frames spezifiziert, um das Echtzeitverhalten bei langen Frames mit bis zu 2048 Byte Nutzdaten zu optimieren.
Weitere in Entwicklung befindliche CiA-Dokumente geben Empfehlungen für das Systemdesign von CAN-XL-Netzwerken (Spezifikationsreihe CiA 612). Konformitätstestspezifikationen für das CAN-XL-Protokoll und die neuen Transceiver-Varianten sind ebenfalls in Vorbereitung. Diese CiA-Spezifikationen werden nach Fertigstellung in einem zweiten Schritt in die Normen ISO 16845-1 und ISO 16845-2 integriert. CiA-Mitglieder arbeiten derzeit auch an einer Spezifikationsreihe für CAN-XL-Simulationswerkzeuge. Entsprechende Werkzeuge von unterschiedlichen Herstellern liefern dann vergleichbare Ergebnisse.
Volkswagen hat während der 18. in- ternationalen CAN-Konferenz (iCC) in Baden-Baden im Mai einen ersten Einblick in seine Forschungsarbeiten bezüglich CAN XL gegeben. Unter dem Titel »Von Flexray zu CAN XL« wurde über Untersuchungsergebnisse bezüglich der Echtzeitfähigkeit von CAN XL berichtet. In der englischsprachigen Vereinszeitschrift »CAN Newsletter« des CiA wurde in der Juni-Ausgabe ein entsprechender Artikel veröffentlicht. Ebenfalls aus dem Hause Volkswagen kam ein iCC-Vortrag über eine Open-Source-CAN-XL-Linux-Treibersoftware. Weitere iCC-Vorträge beschäftigten sich mit der physikalischen Auslegung und der Validierung von CAN-XL-Netzwerken.
Erste Mikrocontroller mit integriertem CAN-XL-Controller sind als Muster von mehreren Chipherstellern – zum Beispiel von Infineon, NXP und ST Microelectronics – erhältlich. CAN-SIC-XL-Transceiver sind von Bosch, NXP und Texas Instruments als Engineering-Samples verfügbar; Infineon hat einen entsprechenden Systembasis-Chip (SBC, System Base Chip) mit eingebettetem CAN-SIC-XL-Transceiver in Entwicklung. CAN-XL-IP-Cores gibt es nicht nur von Bosch und Fraunhofer/Cast, sondern auch von Arasan, einem US-Anbieter, sowie von Digital Chip Design (DCD) aus Polen. Darüber hinaus haben Kvaser, Peak und Vector eigene CAN-XL-IP-Cores für firmeninterne Zwecke entwickelt.
In sogenannten Plugfest testen CiA-Mitglieder ihre CAN-XL-Protokoll-Implementierungen und ihre CAN-SIC-XL-Transceiver auf Interoperabilität. Das letzte Plugfest fand einen Tag nach der 18. iCC in Baden-Baden statt. Dabei wurden neue IP-Cores getestet. Auch die Fragmentierung von CAN-XL-Frames war Bestandteil der Tests. Es wurden unterschiedliche Netzwerktopologien verwendet. Neben einer Bustopologie mit kurzen Stichleitungen wurden auch Sterntopologien getestet.
Klassische CAN-Netzwerke, die das CAN-CC-Protokoll nutzen, werden auch in Zukunft in einfachen Anwendungen im Auto zum Einsatz kommen. Sie ersetzen zunehmend auch herstellerspezifische Kommunikationslösungen einschließlich Punkt-zu-Punkt-Verbindungen. Außerdem sind sie eine Alternative für standardisierte Netzwerktechnologien mit einer geringen Busbandbreite.
Reicht die Übertragungsgeschwindigkeit von CAN-CC-Netzwerken nicht aus oder benötigt man mehr als 8-Byte-Nutzdaten pro Frame (zum Beispiel für Zusatzprotokolle, um funktionale Sicherheit oder Cybersecurity zu realisieren), ist eine Migration zum CAN-FD-Protokoll eine Option. Für einfache Anwendungen, bei denen eine Commander-Responder-Kommunikation ausreicht, gibt es die CAN-FD-light-Lösung, die im Anhang von ISO 11898-1:2024 genormt ist. Sie wurde für LED-Rücklichter entwickelt, kann aber auch für andere Sensor-/Aktuator-Anwendungen genutzt werden, beispielsweise in Klimaanlagen.
Ist eine einfache Integration in ein Ethernet-basierendes Rückgrat-Netzwerk (Backbone Network) gefordert, bietet sich das CAN-XL-Protokoll an. In CAN-XL-Frames kann man beispielsweise TCP/IP-Segmente verpacken und versenden. Man wählt sozusagen für die unteren beiden Schichten des OSI-Modells eine sehr zuverlässige und sehr robuste Lösung, die zudem auch noch sehr kostengünstig ist, da der CAN-SIC-XL-Transceiver relativ einfach zu implementieren ist. CAN-XL-Netzwerke können aber auch als Backbone-Netzwerk eingesetzt werden. Dies ist insbesondere für Fahrzeuge im unteren Preisbereich interessant.
Holger Zeltwanger
ist CiA Managing Director – und das bereits seit mehr als 30 Jahren.