EE-Systeme in Nutzfahrzeugen stehen modernen Autos in nichts nach

Schwer im Kommen

21. Juli 2008, 10:28 Uhr |
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Fortsetzung des Artikels von Teil 5

In wie weit finden die im Pkw üblichen Bussysteme im Lkw Verwendung?

Dr. Welfers: Natürlich sind die Bus-Systeme CAN und LIN heute auch im Lkw Standard. Ob FlexRay je im Nutzfahrzeug eingesetzt werden wird, ist fraglich, da aus Hardware-Sicht hier noch viele Probleme ungelöst sind, etwa im Bereich des Physical Layer. Derzeit sehen wir jedenfalls noch keine Applikation, die den Einsatz von FlexRay rechtfertigen würde. Bei kritischen Funktionen gibt es zudem Alternativen wie TTCAN.

Durch den geringen Multimedia-Anteil im Nutzfahrzeug spielt MOST derzeit keine Rolle, allerdings könnte ich mir den Einsatz in bestimmten Anwendungen durchaus vorstellen, etwa in einem Reisebus.

Kann man daraus schließen, dass die Komplexität bei Pkws deutlich höher ist als bei Lkws?

Dr. Welfers: Nein, insgesamt ist die technische Komplexität im Bereich EE beim Lkw durchaus vergleichbar mit der eines hoch ausgestatteten Pkw, allerdings mit unterschiedlichen Ausprägungen. Zum Beispiel sind die steuergeräte-übergreifenden Funktionen im Triebstrangbereich und für das Bremsenmanagement deutlich komplexer als beim Pkw, dafür ist der Funktionsumfang eines Oberklasse-Pkw bei Multimedia sicherlich umfangreicher.

Die Komplexität im Lkw-Bereich resultiert in erster Linie aus der großen Variantenvielfalt. Unterschiedliche Achsformeln, Aufbauten, Bremsen- und Federvarianten erfordern eine hohe Flexibilität von Software und Hardware. In der Praxis werden die Steuergeräte deshalb mit einer Standard-Software ausgestattet, die durch ein fahrzeugspezifisches Daten-File ergänzt wird (Bild 1).

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Bild 1. Die Basis-Software eines Nutzfahrzeug-Steuergeräts wird durch ein fahrzeugspezifisches Daten-File (FDM, Function Data Management) ergänzt. (Alle Bilder: MAN)

Wie wirkt sich diese Variantenvielfalt speziell auf die EE-Architektur aus?

Dr. Welfers: Aus EE-Sicht gibt es im Lkw sehr viele Varianten, die am Band-Ende über ein so genanntes Fahrzeug-Daten-File konfiguriert werden können. Dabei wird die Funktion eines Fahrzeugs wie ein Teil behandelt und steht auch so im Montage-Auftrag. Abhängig von den Funktionsumfängen wird dann automatisch das Fahrzeug-Daten-File mit der richtigen Parametrierung generiert und am Band-Ende eingespielt (Bild 2). Danach verhält sich das Fahrzeug der entsprechenden Variante konform.

Je nach Fahrzeug entfallen bei Pkws etwa 30 Prozent der Wertschöpfung auf Elektrik/Elektronik. Wie hoch ist dieser Wert bei Lkws?

Dr. Welfers: Bei Nutzfahrzeugen ist diese Ausstattungsrate derzeit noch kleiner, was teilweise an sehr kostspieligen mechanischen Aggregaten wie automatisierten Schaltgetrieben, Verteilergetrieben oder Allradachsen liegt. Im Mittel erreicht man hier EE-Anteile von 15 bis 18 Prozent. Für die Zukunft erwarte ich eine Entwicklung parallel zum Pkw-Bereich, allerdings auf niedrigerem Niveau.

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Bild 2. In Abhängigkeit von der Fahrzeugausstattung wird ein Fahrzeug-Daten-File erzeugt, welches am Band-Ende eingespielt wird (End-of-Line-Programmierung).

  1. Schwer im Kommen
  2. Zu guter Letzt: Was sind in Ihrem Bereich die wichtigsten Aufgaben der nächsten zwei Jahre?
  3. Die Marktdurchdringung dieser Systeme ist allerdings noch gering ...
  4. Wo bestehen Ihrer Meinung nach die größten Defizite bei AUTOSAR?
  5. Was im Prinzip dem AUTOSAR-Grundgedanken entspricht ...
  6. In wie weit finden die im Pkw üblichen Bussysteme im Lkw Verwendung?

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