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Imaging Radar – aber um Faktoren besser als alles andere

27. November 2023, 10:48 Uhr | Iris Stroh
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Arbe Robotics wurde 2015 gegründet und hat einen Chipsatz für Imaging-Radar entwickelt, der alle auf dem Markt befindlichen Varianten in den Schatten stellt.

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Markt&Technik sprach mit Kobi Marenko, CEO von Arbe, unter anderem über die zugrundeliegende Technologie, aber auch darüber, wie sich das Start-up im Automotive-Markt behauptet.

Markt&Technik: Was sind Ihrer Meinung nach die Alleinstellungsmerkmale ihres Chipsatzes für Imaging-Radar?

Kobi Marenko: Kurz gesagt, wir sind ein Halbleiterunternehmen, das Chips für Radargeräte herstellt. Unser Chipsatz umfasst drei Halbleiter: Sender, Empfänger und Prozessor. Unser Hauptvorteil besteht darin, dass wir 10-mal mehr Kanäle senden und empfangen können als jeder andere Chipsatz auf dem Markt, und dementsprechend mit unserem Prozessor auch die Daten von 10-mal größeren Kanalfeldern verarbeiten können, das kann auch kein anderer auf dem Markt erhältliche Prozessor. Wir können Echtzeitdaten von 2.304 virtuellen Kanälen verarbeiten, das entsprich einem Verarbeitungsdurchsatz von 3 TB/s.

Das ist nur die rein technische Betrachtung. Aus Produktsicht kann ein Radarsystem dank unseres Chipsatzes ein Bild erzeugen, das 10-mal so detailliert ist wie von jedem anderen Radar. Damit ist es uns möglich, das erste und einzige Radar zu realisieren, das wirklich zur Wahrnehmung, also Perception, eingesetzt werden kann.

Wie ist es möglich, dass der Arbe-Chipsatz eine so deutlich höhere Auflösung erreicht als andere Lösungen von durchaus etablierten Halbleiterherstellern?

Das größte Problem mit Ultra-High-Resolution-Radar ist die Datenverarbeitung. Die Datenmenge, die durch das vierdimensionale Imaging-Radar erzeugt wird, ist wirklich sehr groß. Eine Kamera hat zwei Dimensionen, beim Radar kommt aber noch die Tiefe und der Doppler dazu. Das heißt, dass ein Kamerabild quasi tausendfach multipliziert werden muss, sodass man auf eine theoretische Datenmenge von einem Terabit pro Sekunde kommt.

Marenko Kobi
Kobi Marenko, Arbe Robotics: »Unser Imaging-Radar-Chipsatz ist der einzige weltweit, der eine Perception ermöglicht und das Ganze mit geringen Kosten und einer niedrigen Leistungsaufnahme.«
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Unsere absolute Kernkompetenz besteht darin, die Daten zu reduzieren, indem wir sie komprimieren und sie unterabtasten und trotzdem ein Bild erzeugen können, ohne auch nur ein einziges Pixel an Information zu verlieren. Und das ist wichtig, denn dieses Pixel könnte genau die Information enthalten, dass ein Hindernis auf der Straße liegt. Hat der Fahrer diese Information nicht, fährt er einfach drüber, was zu einem Unfall führen könnte. Darin bestehen unsere Kern-IPs, wie wir die Daten komprimieren, sie unterabtasten und trotzdem ein vollständiges Bild der Umgebung erzeugen können, ohne Informationen zu verlieren.

Diese Reduktion der Daten findet in Ihrem Prozessor statt?

Ja. Wir teilen die Datenerfassung in zwei Stufen auf. Die erste Erfassung ist eher grober Natur, in der zweiten Erfassung werden die Bereiche, die interessant sind, noch einmal genau erfasst und diese Daten werden dann verarbeitet. Eine Analogie bietet die Komprimierung von Bilddaten mit jpg- oder Kamerakompressionsalgorithmen, die es ja auch ermöglichen, nicht jedes einzelne Pixel abzuspeichern und trotzdem keine Informationen zu verlieren. Bei Radar ist das zwar deutlich komplizierter, aber die Idee ist dieselbe.

Also erreicht Arbe seine außergewöhnlichen Leistungsdaten aufgrund eines besonderen Algorithmus?

Es ist nicht ein Algorithmus, sondern es ist die Kompressions-Engine, also unser Prozessor, das ist unser Kern-IP. Und das ist auch der Grund, warum wir überzeugt sind, auch in den nächsten zehn Jahren noch einen deutlichen Vorteil im Markt zu haben.

Heißt dass, dass vom Arbe-Chipsatz bereits vorverarbeitete Daten an den Hauptprozessor für die Fusion mit anderen Sensordaten geschickt werden?

Es gibt zwei Arten von Daten: Eine Punktewolke, die im Vergleich zu der Datenmenge von Kameras immer noch klein ausfällt. Diese Daten werden dann mit den Kameradaten fusioniert. Wir haben aber auch einen DSP auf unserem Prozessor, der eine Zielliste erzeugt. Und diese Zielliste kann beispielsweise für eine Notfallbremsung genutzt werden, ohne dass eine Fusion stattfinden muss. Das heißt, mit unserem Radarsystem ist ein Auto in der Lage, sofort zu bremsen, wenn ein Kind auf die Straße vor das Auto rennt, ohne die Verzögerung, die die Fusionierung mit anderen Sensordaten verursacht. Das heißt, wir erreichen ein deutlich höhere Sicherheit.

Wer fertigt die Chips für Arbe?

GlobalFoundries, und zwar auf Basis seines FDSOI-Prozesses, sodass auch eine niedrige Leistungsaufnahme garantiert ist.

Glauben Sie, dass mit dem Imaging- Radar von Arbe LiDAR überflüssig wird, zu dieser Frage gibt es viele unterschiedliche Ansichten?

Das ist zunächst einmal eine Frage des Einsatzprofils. Wenn das Einsatzprofil ein 24/7-Robotertaxi im städtischen Bereich ist, könnte es sein, dass LiDAR benötigt wird, weil man einfach Ausfälle vermeiden will, also ist eine vollständige Redundanz wichtig.

Also hängt LiDAR nur von der erforderlichen Redundanz ab?

Sobald Level 4/5 erreicht werden soll, sind mehrere Sensoren erforderlich, die unabhängig voneinander sind, um eine 100-prozentige Perception zu ermöglichen. Sagen wir, das Radar hat eine Erkennungswahrscheinlichkeit von 99 Prozent und die Kamera von 95 oder 96 Prozent. Werden mehrere Sensoren genutzt, kommt man auf 100 Prozent. Das heißt, dass man LiDAR benötigt, wenn man Level 4/5 mit einem vertrauenswürdigen Maß an Redundanz umsetzen möchte. Wenn es sich aber um Level 2++ handelt und klar ist, dass es Bedingungen gibt, unter denen der Fahrer die Kontrolle übernehmen muss, könnte das LiDAR überflüssig sein.

Das heißt aus meiner Sicht, dass Level 3 der Anfang für LiDAR sein kann, zumindest so lange, bis die Nutzer genug Vertrauen in autonome Fahrzeugfunktionen haben. Denn anfänglich ist es vielleicht wichtig, den Autofahrern ein maximales Gefühl an Sicherheit zu geben. Dazu kommen natürlich noch Regularien, die vielleicht den Einsatz von LiDAR erforderlich machen. Aber im Laufe der Zeit, wenn bewiesen ist, dass die entsprechenden Algorithmen zur Verarbeitung der Sensordaten wirklich funktionieren, denke ich, dass es einfacher ohne LiDAR wird.

Arbe hat in diesem Jahr mit der Weifu High Technology Group, einem chinesischen Tier-One-Lieferanten, einen Multi-Millionen-Dollar-Auftrag unterzeichnet. Dennoch meine Frage: Wie schwierig ist es als Start-up einen europäischen oder amerikanischen OEM/Tier-One zu überzeugen, bei einer so wichtigen Technologie auf ein kleines Unternehmen und nicht auf einen etablierten Hersteller zu setzen?

Wenn ich gewusst hätte, wie schwierig es ist, hätte ich mich für eine andere Industrie entschieden. Spaß beiseite, es ist aber wirklich nicht einfach. Doch mittlerweile konnten wir einige Unternehmen für unsere Technologie gewinnen. Nicht nur Weifu, sondern wir haben zum Beispiel auch mit Veoneer, mittlerweile Teil von Magna, ein Design gestartet. HiRain in China und Sensrad in Schweden entwickeln ebenfalls Radarsysteme auf der Grundlage des Arbe-Chipsatzes.

Das ändert aber nichts daran, dass ich glaube, dass der Automotive-Markt nicht gerade der beste Ort für Start-ups ist. Denn hier ist die Chance, Erfolg zu haben, einfach geringer. Ich denke, in Bereichen wie Cybersecurity besteht eher die Möglichkeit, auch als Start-Up mit disruptiven Ideen durchzustarten.

Die etablierten Automotive-Unternehmen sind typischerweise eher konservativ…

Das ist aber nur ein Punkt, darüber hinaus sind die Zyklen im Automotive-Markt auch deutlich länger. Wenn ich heute ein Design-in bei einem etablierten OEM gewinne, dauert es zwischen drei und vier Jahre, bis das Auto auf der Straße ist. Dazu kommen noch immense Kosten, um Dinge in die Produktion zu bringen. Als Lieferant muss man durch viele Qualifizierungsprozesse laufen, ist das eigene Produkt in einem Safety-kritischen System eingesetzt, kommen noch weitere Auflagen hinzu.

Jetzt hat es Arbe aber geschafft…

Ja, aber es war eine lange Reise. Das Unternehmen wurde Ende 2015 gegründet und es wird rund 10 Jahre dauern, bis unser Cashflow positiv wird. In meinem vorherigen Unternehmen, in dem es um Maschinenlernen für die Werbebranche ging, hat es nur drei Jahre gedauert.

Die Erwartungen, wie schnell autonom fahrende Fahrzeuge auf der Straße sind, waren am Anfang extrem optimistisch, heute ist eine deutliche Ernüchterung zu spüren. Wie beurteilen Sie die Situation, wo liegen die Probleme heute, sind es nur die Corner-Cases?

Auch ich war anfänglich euphorisch. Als ich Arbe gegründet habe, hatte ich meinem ältesten Sohn erklärt, dass er gar nicht mehr Autofahren lernen muss. 2018/19 während des Hypes um autonomes Fahren habe ich meinem mittleren Sohn wiederum erklärt, dass er doch Autofahren lernen muss. Und bei meiner kleineren Tochter gebe ich keine Prognose mehr ab.

Aus Sicht von Arbe bin ich überzeugt, dass wir in den nächsten zehn Jahren 99 Prozent unseres Umsatzes mit Level 2++ machen werden, vielleicht noch ein bisschen mit Level 3.

Aber ich denke, dass es nicht nur die Corner-Cases sind. Wenn Sie sich heute ein Waymo-Fahrzeug anschauen, dann ist der Kofferraum dieser Fahrzeuge mit Hardware in Höhe von 200000 Dollar ausgestattet, da sitzt eine ganze Server-Farm im Kofferraum, also keine praktikable Lösung. Hinzu kommt noch, dass auch noch Geodaten benutzt werden, sodass jede Flotte auch noch eine ganze Weile auf die jeweilige Region trainiert werden muss. Diese Ansätze sind in Privatfahrzeugen nicht anwendbar.

Da halte ich die Wege, die beispielsweise Mercedes Benz oder Tesla beschreiten, für praktikabler. Sie führen Fahrerassistenzsysteme sukzessive ein, sammeln Daten und können damit Level 3 Anforderungen, sagen wir, zu 50 Prozent der Fahrzeit erfüllen. Nach einer Weile wird ein Software-Update durchgeführt, so dass die Fahrzeit, in denen das Fahrzeug Level 3 erfüllt, auf 70 Prozent steigt und dann später auf 90 Prozent. Aber auch in dem Fall ist klar: Für solche Fahrzeuge sind hochklassige Sensoren und ein Highend-Prozessor notwendig, denn auch wenn die Modelle verbessert werden, muss der Prozessor die dafür notwendige Rechenleistung erbringen, sonst ist der Ansatz nutzlos.

Letzte Frage: Woran arbeitet Arbe derzeit?

Wir untersuchen, ob es möglich ist, mit Deep-Learning die Auflösung weiter zu verbessern.


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