Die Straße ins Labor bringen

Elektrofahrzeug-Batterien realistisch im Labor prüfen

4. Mai 2020, 11:31 Uhr | Irina Hübner
Batterieprüfstand am Fraunhofer LBF.
© Fraunhofer LBF

Batterien für Elektrofahrzeuge müssen auf Herz und Nieren geprüft werden. Bisher waren Tests in Laboren jedoch alles andere als realistisch. Eine neuartige Erprobungsumgebung von Fraunhofer-Forschern ändert das. Sie verbindet Batterien mit rechnerischen Fahrzeugsimulationen.

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Eine der zentralen Komponenten von Elektroautos sind Traktionsbatterien. Sie müssen die »getankte« Energie nicht nur dauerhaft speichern und bei Bedarf bereitstellen, sondern auch elektrischen, mechanischen und thermischen Belastungen standhalten – seien es Fahrten durch Serpentinen, das Rumpeln über schlaglochdurchsetzte Schotterpisten oder schwüle sommerliche Temperaturen. Bevor neue Batteriesysteme in Fahrzeugen verbaut werden, müssen sie daher verschiedene Untersuchungen erfolgreich bestehen.

Bislang sind Labortests jedoch ein ganzes Stück von der Realität entfernt. Ein Test unter realen Bedingungen kann daher oftmals erst stattfinden, wenn ein fahrbereiter Fahrzeugprototyp zur Verfügung steht. Treten dann zuvor nicht erkannte Probleme auf, werden die notwendigen Änderungen zeitaufwendig und teuer.
 

Simulation trifft Teststand

Forscher am Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF in Darmstadt haben im Projekt MEF-BILL, kurz für Battery In The Loop @ LBF, eine Alternative entwickelt.

»Wir bringen die Straße jetzt komplett ins Labor und kombinieren unsere multiphysikalische Erprobungseinrichtung mit einer rechnerischen Fahrzeugsimulation. Wir können die Batterien also auf realistische Weise erproben – und zwar bevor ein Prototypenfahrzeug überhaupt physisch existiert«, erklärt Dr. Riccardo Bartolozzi, technischer Experte für die numerische Systemsimulation am Fraunhofer LBF. »Auf diese Weise gewinnen wir sehr viel Zeit im Entwicklungsprozess und verbessern die Ergebnisqualität deutlich.«

Generell gibt es drei Domänen hinsichtlich der Batteriebelastung: Die elektrischen Lasten, also vor allem der Stromfluss, die Bewegungen des Fahrzeugs sowie klimatische Aspekte. Bis dato wurden diese im Labor getrennt voneinander geprüft – mit vorgegebenen Standard-Zeitverläufen. Tatsächlich bedingen sich diese Parameter aber gegenseitig und hängen in komplexer Weise voneinander ab. In der Erprobungsumgebung des Fraunhofer LBF werden die drei Belastungsgrößen zeitgleich und in ihrer Wechselwirkung geprüft.

Zusätzlich haben die Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut ein echtzeitfähiges, rechnerisches Fahrzeugmodell in die Testumgebung integriert. Die Forscher simulieren also das Fahrzeug und dessen Fahrbetrieb auf ganz unterschiedlichen Strecken. Anhand dieser Simulation bestimmen sie die Belastungen, die auch unter realen Bedingungen auf die Batterie wirken würden.

Bedingungen für die Erprobung

Bisher wurde bei Labortests meist ein Stromprofil mit einem idealisierten Verlauf aufgeprägt. In der Realität zeigt sich jedoch ein hochdynamischer, zufallsartiger Verlauf mit unregelmäßigen Lastspitzen. Die Forscher legen daher zunächst einmal die »Erprobungsbedingungen« fest: Welches Fahrzeug treibt die Batterie an? Wie schwer ist das Fahrzeug beladen? Mit welcher Geschwindigkeit fährt es? Ist die Fahrbahnoberfläche eben und glatt oder mit Schlaglöchern übersät?

Anhand solcher Angaben berechnet die Simulation die auftretenden Belastungen und den Strom, der in den Batterieprüfling eingeleitet wird. Die Fraunhofer-Wissenschaftler berücksichtigen zudem die komplexen Wechselwirkungen: Die anfänglich benötigte Strommenge kann sich durch Änderungen der Temperatur in der Batterie oder durch andere Parameter ändern. Das heißt, die realen Parameter der Batterie werden durchgehend überprüft und wieder zurück in die Simulation gespeist. Man spricht deshalb auch von Hardware-in-the-Loop-Tests.

Die Input-Info für den Versuch ist also nicht statisch und für die gesamte Erprobungsdauer bekannt, sondern wird aufgrund der Simulation und der Messungen in der Batterie immer wieder neu angepasst. »Mit unserem System können wir realitätsnahe Manöver fahren, beispielsweise eine Straße mit einer bestimmten Steigung oder Kurven«, betont Bartolozzi. Berücksichtigen lässt sich auch, welche Auswirkungen es etwa hat, wenn die Fahrzeugmasse sich durch Beladung um 20 Prozent vergrößert. Erschütterungen, die auf die Batterie einwirken, werden über einen Schwingtisch realisiert, der über sechs hydraulische Zylinder in alle Richtungen bewegt werden kann und damit die Bewegungen der Fahrzeugkarosserie realistisch abbildet.

Herausforderung Echtzeit

Für die Hardware-in-the-Loop-Tests musste die Simulation in Echtzeit laufen. Sollen beispielsweise 10 s Betrieb getestet werden, darf auch die gesamte Simulation nicht länger als 10 s dauern. Denn schließlich werden die Simulationsergebnisse unmittelbar für die Erprobung benötigt und mit dem Erprobungsverlauf wird die Simulation wieder aktualisiert. Die Forscher haben deshalb die Komplexität der Berechnung so angepasst, dass das klappt. »Wir haben die Simulationen mit verschiedenen Komplexitätsstufen durchgeführt und auf diese Weise ein Optimum zwischen Komplexität und Berechnungszeit gefunden«, erklärt Bartolozzi.

Das System ist bereits einsatzfähig. Mittlerweile laufen Vorbereitungen für die finale Demonstration.


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