Ladesäulen auf Supermarkt-Parkplätzen lassen E-Autofahrer bequem 'nachtanken', eine Stunde kostenloser Strom oft inklusive. Das Potenzial ist riesig. Die Händler setzen auf Kundenservice und folgen zugleich dem Infrastruktur-Gesetz. Die Studie "Elektromobilität im Handel" zeigt Pläne und Status Quo.
Bis 2030 sollen sechs Millionen Elektroautos auf deutschen Strassen unterwegs sein. Obwohl derzeit noch rund 65 Prozent der Ladevorgänge zu Hause stattfinden, ist eine flächendeckende öffentliche Ladeinfrastruktur wichtig, um Elektromobilität in der Masse zu etablieren. Die Bundesregierung hat sich den Ausbau im Zuge des europäischen Green Deal auf die Fahnen geschrieben. Im Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz ist festgelegt, dass ab 2025 alle Nicht-Wohngebäude mit mehr als 20 Parkplätzen mindestens einen Ladepunkt vorweisen müssen.
Einzelhändler und Discounter sind gerade unter den Ersten, die das Gesetz umsetzen, deutlich vor der Frist. Nach Aldi-Süd, Lidl, Rewe, Ikea, Hagebau und Kaufland dürfen Kunden nach einem Bericht der Wirtschaftswoche bald auch bei Aldi-Nord eine Stunde kostenlos Strom laden. Auch wenn der Handel in erster Linie auf Kundenservice setzt: Beim Einkaufen gratis das Auto ‚betanken‘ klingt nach einem zugkräftigen Anreiz auf dem Weg zu massentauglicher Elektromobilität für ‘Otto-Normalverbraucher’.
Der Handel spielt mit seinen Parkplätzen eine zentrale Rolle für die E-Infrastruktur. Das EHI Retail Institut hat für seine Studie »Elektromobilität im Handel« 54 Unternehmen befragt und gibt einen Überblick zur derzeitigen Verteilung und Nutzung der Ladestationen.
Schon jetzt trägt der Einzelhandel maßgeblich zum Ausbau der Ladestationen bei, laut chargemap sind sieben Prozent der Ladestationen in Deutschland im Handel platziert. Dies entspricht über 1.000 Ladestationen. Dabei haben 39 Prozent der vom EHI befragten Händler bereits an mindestens einem Standort ihrer Filialen eine Ladestation aufgebaut, wovon ca. drei Viertel Lebensmittelhändler sind. Die Discounter verfügen insgesamt über das größte Ausbaupotenzial, sie verfügten 2019 über 16.162 Filialen mit knapp über einer Million Stellplätzen.
Ein knappes Drittel (29 Prozent) der Händler bieten ihren Kunden derzeit noch keine Ladestationen für Elektromobilität an, aber planen es für die Zukunft. 45 Prozent davon planen, bis zum nächsten Jahr bis zu 10 erste oder weitere Ladestationen in ihrem Filialnetz errichten. Über 20 Prozent der Unternehmen planen sogar mehr als 50 Ladestationen. Als Grund für den Ausbau der Ladeinfrastruktur wird an erster Stelle die damit angebotene Serviceleistung für die Kunden genannt. Danach folgen als Gründe die Gesetzgebung sowie eine innovative Geschäftsstrategie.
Die Entwicklung der Ladestationen bei Handelsunternehmen hat sich laut EHI allein im letzten Jahr maßgeblich verändert. 2019 gaben nur 19 Prozent der befragten Handelsunternehmen an, mehr als 50 Ladestationen innerhalb des Filialnetzes in Betrieb zu haben, 2020 liegt dieser Anteil nun bereits bei 35 Prozent. Von 40 Prozent der Befragten werden derzeit weniger als 10 Ladestationen im gesamten Filialnetz betrieben. Dabei handelt es sich überwiegend um selbständige Einzelhändler sowie um Handelsketten mit bis zu 400 Filialen.
Zwischen 10 und 25 Ladestationen betreiben 20 Prozent der befragten Händler. Die Struktur der Handelsunternehmen ist dabei sehr unterschiedlich, darunter sind Händler mit über 1.000 Filialen, aber auch Händler mit weniger als 50 Filialen. Von 5 Prozent der Filialisten werden zwischen 26 und 50 Ladestationen betrieben. Handelsunternehmen, die bereits mehr als 50 Ladestationen in ihrem Filialnetz errichtet haben, kommen überwiegend aus dem Lebensmittelhandel und betreiben mehr als 500 Filialen. Vereinzelt haben Unternehmen bereits bis zu 200 Ladestationen in Betrieb.
Bei 72 Prozent der Händler werden überwiegend AC-Ladestationen eingesetzt. Dies ist durch die höheren Kosten von DC-Ladesäulen begründet. Einzelne Handelsketten errichten dagegen nur DC-Ladestationen, viele setzen jedoch auf AC- und DCLadestationen. DC-Ladestationen kommen in der Regel bevorzugt an Standorten zum Einsatz, für die eine besonders hohe Nachfrage nach Schnelllademöglichkeiten besteht. Dies sind beispielsweise Standorte in Autobahnnähe.
Mittlerweile hat sich bei AC-Ladestationen in Europa der Typ2-Stecker als Standard an Ladestationen und in europäischen Fahrzeugen durchgesetzt. DCLadestationen werden meist als sogenannte ‚Multicharger‘-Ladestationen mit dem europäischen CCS- und dem asiatischen CHAdeMO-Standard ausgestattet.
Mehr als die Hälfte der befragten Handelsunternehmen gibt an, dass die Ladeleistung unter 22 kW liegt. Bei 40 Prozent der befragten Handelsunternehme werden dagegen mindestens 22 kW an den Ladestationen abgegeben. Ein geringer Anteil bietet ausschließlich Schnellladestationen mit mindestens 50 kW an. Das EHI hebt besonders hervor, dass der Anteil an Ladestationen mit mehr als 22 kW Leistung mit insgesamt 46 Prozent im Vergleich zum Vorjahr deutlich angestiegen ist (2019 = 25 %).
Die Nutzungsfrequenz der Ladestationen nimmt kontinuierlich zu. Im Vergleich zum Vorjahr ist bei mehr als einem Viertel der Handelsunternehmen die Nutzung um bis zu 25 Prozent gestiegen. Bei über einem Drittel der Händler hat sich die Anzahl der Ladevorgänge um 25 bis 50 Prozent erhöht. Bemerkenswert erscheint, dass bei einem weiteren Drittel der Handelsunternehmen die Nutzung um über 50 Prozent zugenommen hat. Demnach rechnet EHI mit einer weiter steigenden Nutzung. Was auch dafür sprechen könnte, ist der Strommix, den die Händler an ihre Kunden liefern. Mit 68 Prozent zertifiziertem Ökostrom sind die Unternehmen Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit, zu 14 Prozent wird auch eigenproduzierter Strom zur Verfügung gestellt.
Die Nutzung der Ladestationen im Handel ist im Vergleich zum Vorjahr stark angestiegen. Ein Großteil stellt den Ladestrom derzeit noch kostenlos zur Verfügung, da dies unter den aktuellen Rahmenbedingungen bisher die einfachste Lösung für Händler ist. Der Anteil an Handelsunternehmen, die kostenfreien Ladestrom anbieten, ist jedoch mit 55 Prozent im Vergleich zum Vorjahr bereits rückläufig. Fast jeder 5. Händler bietet den Ladestrom nicht kostenfrei an, die Abrechnung erfolgt dabei meist über einen Energieversorger oder einen Dienstleister. Oft wird die Ladestation auch in Kooperation mit einem Partner aufgestellt, der die Abrechnung übernimmt. Darüber hinaus werden auch unterschiedliche Modelle an verschiedenen Standorten getestet, so geben 27 Prozent der Befragten an, dies standortabhängig zu entscheiden.
Mittelfristig ist davon auszugehen, dass immer weniger Händler den Strom an den Ladestationen kostenfrei abgeben werden. Wenn Ladestrom für Elektromobilität kostenpflichtig ist, gehen 36 Prozent der Läden davon aus, dass Kunden vorzugsweise schnell laden möchten und auch bereit sind, hierfür einen höheren Preis zu zahlen. Fast jeder Dritte geht dagegen davon aus, dass für Kunden ein günstiger Preis im Vordergrund steht, so dass sie dafür auch langsameres Laden in Kauf nehmen. Nur 14 Prozent der Händler dagegen gehen davon aus, dass nur kostenfreier Strom an den Filialen attraktiv ist.