Bei der direkten Zusammenarbeit mit den Halbleiterherstellern beschäftigt Alexander Maier insbesondere das Thema Automotive-Qualität: „Gerade Neueinsteiger in den Automotive-Markt müssen oft erst noch lernen, dass die von uns geforderte Qualität nur durch die Einhaltung bestimmter Regeln und Prozesse zu erreichen ist. Nicht jedes Unternehmen versteht diesen Anspruch auf Anhieb.“ Selbst mancher im Konsumelektronikbereich vom Erfolg verwöhnte Halbleiterhersteller muss beim Thema Automotive-Qualität noch eine gewisse Lernkurve durchlaufen.
Eine wichtige Rolle für die Qualitätsverbesserung spielt u.a. der Design-Prozess: Zur Erreichung eines bestimmten Qualitätsniveaus müssen beispielsweise redundante Verbindungen zwischen einzelnen Schichten einer Leiterplatte (Vias) verwendet oder größere Abstände zwischen den Leiterbahnen eingehalten werden. Deshalb sollten nach den Erfahrungen von BMW schon zu einem möglichst frühen Zeitpunkt die internen Design-Regeln an die Automotive-Anforderungen angepasst werden. Denn nach abgeschlossenem Design und Tape-out gibt es kaum noch Handlungsspielräume: „Zu diesem Zeitpunkt sind dann aufwändige und kostspielige Tests in der Produktion notwendig oder eine neue Revision, um die festgestellten Defizite zu beseitigen“, erläutert Maier.
Gerade in der frühen Phase stehen deshalb Halbleiterspezialisten von BMW gemeinsam mit den Zulieferern neuen Partnern aus der Halbleiterbranche zur Seite, um sie fit in puncto Qualität zu machen. „Vor allem bei Playern aus dem Non-Automotive-Umfeld ist die gemeinsame Arbeit in der frühen Phase der Entwicklung intensiv“, so Birner. Konkret arbeiten die Experten mit einem punktebasiertem Ranking, um einen Halbleiterhersteller zu bewerten. Erst ab einer bestimmten Punktzahl ist mit einer akzeptablen Qualität zu rechnen.
Konsumelektronik als besondere Herausforderung
Eine besondere Herausforderung sind Bausteine, die eigentlich für den Einsatz im Konsumelektronikbereich konzipiert sind. Maier vertritt dazu eine klare Meinung: „Bauteile, die nicht für den Automotive-Einsatz qualifiziert sind, werden wir auch in Zukunft nicht einsetzen.“ Auch die Idee, die Einsatzbedingungen von Konsumelektronikbauteilen so zu beeinflussen, dass diese innerhalb ihrer Spezifikationen betrieben werden, sieht Maier als nicht zielführend an: „Unsere Fahrzeuge müssen unter allen Umweltbedingungen uneingeschränkt funktionieren. Im Betrieb kann man etwa über Klimatisierung viel erreichen, jedoch wird der Kunde keine Wartezeit von mehreren Minuten akzeptieren, bis das Auto derart klimatisiert ist.“
Für die Zukunft setzt Maier auf eine andere Entwicklung: „Wenn Halbleiter mit neuen Technologien schon so ausgelegt sind, dass sie die Anforderungen für eine Automotive-Qualifikation unterstützen, dann werden wir deutlich weniger Schwierigkeiten haben, Konsumelektronikbausteine auch in den Automotive-Markt zu überführen.“
Einheitlicher Standard für höhere Qualität
Die BMW Group arbeitet mit einem eigenen Qualitätsstandard für Halbleiter, der vor rund anderthalb Jahren aufgesetzt wurde. Die Möglichkeit, dass zukünftig jeder einzelne OEM individuelle Vorgaben zur Halbleiterqualität machen könnte, würde die Halbleiterhersteller und Zulieferer allerdings vor enorme Herausforderungen stellen. Umso interessanter ist es in diesem Zusammenhang, dass sich BMW bereits mit einem OEM auf einen Standard verständigt hat. Noch gibt es dazu allerdings keine weiteren Details.
Zumindest soll es nicht bei einer einzelnen Verständigung bleiben: „Langfristig sollte es das Ziel sein, einen OEM-übergreifenden Halbleiterstandard zu erstellen“, erläutert Birner. So wie es schon jetzt einheitliche Regeln für die Umweltqualifikation oder bei den elektrischen Prüfungen gebe, sollte auch eine unternehmensübergreifende Lösung für die Halbleiter gefunden werden. Auch Maier betont: „Wir haben bei diesem Thema keinerlei Berührungsängste, weil ein einheitlicher Standard das Qualitätsniveau noch mal ein Stück anhebt und für alle OEMs und deren Kunden von Vorteil ist.“
Die Halbleiterhersteller sind bereits aktiv geworden und haben etwa über einen ZVEI-Arbeitskreis unter der Leitung von Stephan Lehmann von Freescale ein Positionspapier zum Einsatz von Konsumelektronik im Auto veröffentlicht. Darüber hinaus haben die Mitglieder des Arbeitskreises mehr als 60 Faktoren in einem Fact Sheet zusammengefasst, die für Komponenten in automobilen Anwendungen eine Rolle spielen können. Birner bestätigt, dass es mit Lehmann auch erste Gespräche im Hause BMW gegeben hat.