Mit der Verfügbarkeit einer Ethernet-basierten Vernetzung und der damit einhergehenden Erhöhung der Bandbreite können Kommunikationsarchitekturen effizienter vereinheitlicht werden als bisher. Bild 3 zeigt ein vereinfachtes Beispiel, in dem mehre Domänen Daten über das gleiche Netzwerk austauschen.
Für diesen Fall ist dargestellt, dass Ethernet Switches sowohl im Fahrassistenz-Controller als auch im Body Controller integriert sind. Die Ethernet-Leitungen, die die beiden Switches miteinander verbinden, übertragen Daten von Driver Assistance, Body Control, Powertrain, Dashboard Controller, Chassis Controller, Hybrid Drive Control und bei Bedarf auch Daten aus dem Multimedia-Bereich.
In einer solchen integrierten Architektur müssen selbstverständlich weiterhin Echtzeiteigenschaften sowie die Robustheit der Kommunikation gegen Fehler gewährleistet sein. Darüber hinaus muss das Kommunikationssystem Partitionierungseigenschaften anbieten, die garantieren, dass unterschiedliche Anwendungen voneinander isoliert bleiben und eine gegenseitige Störung der Datenströme im Netzwerk ausgeschlossen werden kann.
Weiterentwicklungen bei der TSN-Normierung
Um diese speziellen Anforderungen der Automobilindustrie zu erfüllen, wird Ethernet zur Zeit im Rahmen der Standardisierung weiterentwickelt. Im dafür zuständigen Konsortium – der IEEE 802.1 Time-Sensitive Networking (TSN) Task Group – finden sich jene Unternehmen wieder, die bereits bei der Entwicklung von AVB aktiv waren. Zusätzlich engagieren sich beim TSN-Konsortium aber auch verstärkt Firmen aus der Industrieautomatisierung sowie Automobilhersteller und -zulieferer.
Bei der TSN-Normierung geht es um folgende Technologie-Elemente:
Für die Kommunikation von zeitkritischen Daten im Fahrzeug sind insbesondere die IEEE-802.1Qbv-Mechanismen relevant (schematisch dargestellt in Bild 4):
Betrachtet wird ein einzelner physischer Sende-Port eines Ethernet Switch, über den mehrere logische Warteschlangen ihre Nachrichten verschicken. Da mehrere der logischen Warteschlangen gleichzeitig Nachrichten beinhalten können, muss ein Ethernet Switch entscheiden, von welcher Warteschlange die nächste zu versendende Nachricht entnommen wird. Nach IEEE 802.1Qbv trifft der Switch diese Entscheidung mit Hilfe eines Kommunikations-Schedule („Gate Event List“). Jede der logischen Warteschlangen kann durch einen Schalter („Transmission Gate“) aktiviert oder deaktiviert werden.
Der Kommunikations-Schedule bestimmt, zu welchen Zeitpunkten die Schalter auf- bzw. abgedreht werden und damit auch die Zeitpunkte, zu denen die Warteschlangen aktiviert/deaktiviert sind. Werden zu gleichen Zeitpunkten mehrere Warteschlangen aktiviert, dann kann ein zusätzlicher Mechanismus (z.B. rein prioritätsgesteuert) entscheiden, welche Nachricht der aktiven Warteschlangen als nächstes versendet wird.
In Bild 5 ist exemplarisch ein Kommunikationsszenario des IEEE-802.1Qbv-Entwurfs dargestellt. In diesem Beispiel sind zwei Warteschlangen (zeitkritische Nachrichten, andere Nachrichten) gezeigt. Am unteren Rand der Abbildung ist die Sequenz der tatsächlichen Nachrichtenübertragungen dargestellt. Zeitkritische Nachrichten werden genau dann versendet, wenn die entsprechende Warteschlange aktiv ist („TA enabled“). Das Umschalten der Schalter von „TA enabled“ nach „TA disabled“ wird entsprechend einem Kommunikations-Schedule ausgeführt.
Mittels des IEEE-802.1Qbv-Standards können die Kommunikations-Schedules in den Switches und Endknoten derart gestaltet werden, dass die Kommunikationslatenz minimiert wird: Ein Sender versendet seine Nachrichten zu Zeitpunkten, an denen der Kommunikations-Schedule in den Switches sicherstellt, dass die entsprechenden zeitkritischen Warteschlangen abgearbeitet werden. IEEE 802.1Qbv standardisiert damit eine Form von zeitgesteuerter Kommunikation ähnlich wie aus FlexRay bekannt. Ein wesentlicher Unterschied zu FlexRay besteht darin, dass in IEEE 802.1Qbv ein Zeitpunkt der Zeitsteuerung typischerweise mehrere Ethernet-Nachrichten betrifft, d.h. wenn ein Schalter entsprechend dem Kommunikations-Schedule angeschaltet wird, werden typischerweise mehre Nachrichten verschickt, bis der Schalter wieder ausgeschaltet wird. In FlexRay und ähnlichen zeitgesteuerten Protokollen betrifft ein Zeitpunkt der Zeitsteuerung dagegen immer nur genau eine Nachricht. Im Vergleich zur AVB-Norm wiederum bietet TSN Vorteile sowohl bei der Latenzzeit als auch im Jitter-Verhalten.
Verfügbare Switch-IP-Lösungen
Auch wenn der Normierungsprozess bei TSN noch nicht endgültig abgeschlossen ist, sind bereits konkrete Produkte erhältlich. So bietet etwa TTTech ein Ethernet Switch Chip IP an, das sowohl IEEE AVB als auch den Draft-Standard IEEE 802.1Qbv als Teil von IEEE TSN unterstützt und zusätzlich noch spezifische Erweiterungen in Richtung Fehlertoleranz und Netzwerk-Partitionierung (Norm SAE AS6802) umfasst. Die IP-Lösung ermöglicht das Mischen von Nachrichtenverkehr von unterschiedlichen Anwendungen und stellt sicher, dass kritischer Datenverkehr nicht durch unkritischen beeinflusst wird. Dadurch ist diese Lösung auch für Backbone-Netzwerke geeignet.
Diese Switch-Chip-IP-Lösung wird bereits in kundenspezifischen Steuergeräte-Implementierungen eingesetzt. Darüber hinaus entwickelt TTTech gemeinsam mit dem Halbleiterhersteller NXP einen Ethernet Switch Chip. Der Chip ermöglicht Anwendungen mit UTP-Verkabelung (Unshielded Twisted Pair Cabling) und BroadR-Reach-PHY-Technologie.
Der Autor
Dr. Wilfried Steiner |
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hat Technische Informatik an der TU Wien studiert. Er ist Corporate Scientist bei TTTech und entwickelt in dieser Position Algorithmen und Services für zuverlässige und ausfallsichere Systeme sowie für Echtzeitkommunikation in Netzwerken. Dr. Steiner ist zur Zeit Voting Member für die ¬IEEE-802.1-Norm. |