Der Empfang von Nachrichten gestaltet sich in Form der Registrierung einer Callback-Funktion einfach. Die Funktion wird bei jeder empfangenen Nachricht aufgerufen und enthält die Daten in so genannten SI-Einheiten. Während die ASN.1-Spezifikation beispielsweise die Fahrgeschwindigkeit in einem Wertebereich zwischen 0 und 16.383 mit einem Zentimeter pro Sekunde angibt, erhält der Entwickler die Geschwindigkeit über den waveBEE V2X-Stack als Double in Meter pro Sekunde. Genauso übergibt er dem Stack auch entsprechende Werte zum Senden der SI-Einheiten. Ein weiterer Vorteil der Abstraktion der ASN.1-Spezifikation ist es, dass der Anwendungsentwickler keinen separaten ASN.1-De-/Encoder benötigt.
In Realfahrten (Bild 2) wird überprüft, ob die Applikationen die generierten V2X-Nachrichten zuverlässig an andere V2X-Teilnehmer senden, von ihnen empfangen werden und die Nachrichteninhalte korrekt sind.
Eine Analyse der in der Luft befindlichen Nachrichten ist dafür genauso wichtig, wie die Visualisierung auf einer Karte. Wenn ein Anwendungsentwickler die Position der Fahrzeuge, deren Geschwindigkeit und Fahrtrichtung kennt, kann er entscheiden, ob die von ihm entwickelte Anwendung die Daten korrekt ausgibt und die Situation korrekt bewertet. Wird zu den Fahrzeugen noch die Infrastruktur hinzugefügt, die ebenfalls per V2X kommuniziert, wird der Umfang eines möglichen Gesamtsystemtests deutlich. Dabei unterstützt das waveBEE-touch-V2X-Diagnosesystem den Entwickler (Bild 3).
Im Formfaktor eines autarken, hochmobilen Heavy-Duty-Tablets empfängt, analysiert und visualisiert das System mittels interaktiver Kartendarstellung live und vor Ort alle Nachrichten der V2X-Umgebung.
Die Aufnahme- und Wiedergabefunktion sowie die Möglichkeit, V2X-Daten im standardisierten pcap-Format zu im- und exportieren, erlauben die Protokollierung und Replizierbarkeit von Szenarien und Ergebnissen, sowie die Weiterverarbeitung der Daten in anderen Systemen.
Aktuell sind Tendenzen erkennbar, dass es in einigen Bereichen zur Angleichung von EU- und US-Standards kommen wird – was den Aufwand für landes- oder regionstypische Anpassungen verringert und Analysen und Validierungen vereinfacht. So ist beispielsweise der erwähnte neue Standard der EU Security (ETSI TS 103 097) an den aktuellen US Standard (IEEE 1609.2) angelehnt. Eine neue PKI-Anbindung sowie ein aktualisierter Zertifikatsstandard ist implementiert worden, wobei auch einheitliche Eclipse-Curve-Verfahren (NIST P und Brainpool) Anwendung finden. Eine ähnliche Harmonisierung hat schon bei den Nachrichtentypen SPAT und MAP (SAE 2735) stattgefunden, deren EU-Pendants SPATEM und MAPEM aus der SAE abgeleitet wurden.
Um bewertbare Tests vor der Integration in einem Gesamtsystem durchführen zu können, werden in den meisten Fällen Simulationen und eine passende Datenbasis benötigt. Soll beispielsweise eine Stauwarnfunktion entwickelt werden, kann nicht davon ausgegangen werden, dass jederzeit 100 oder mehr V2X-ausgerüstete Fahrzeuge und eine entsprechende Teststrecke zur Verfügung stehen, um den Stau zu erzeugen und die Anwendung zum Generieren der entsprechenden V2X-Botschaften zu veranlassen. In diesem Fall müssen die Nachrichten der Fahrzeuge durch eine Simulation erzeugt und mittels des V2X-Stacks über die Luftschnittstelle an den Empfänger, in diesem Fall eine Schilderbrücke (Bild 4), übertragen werden.
Die in der Schilderbrücke verbaute ITS-Station (V2X Road Side Unit, RSU) kann entweder selbständig aus den Daten berechnen, ob es sich um einen Stau handelt, oder leitet alle empfangenen Daten an eine Verkehrsmanagementzentrale (VMZ) weiter. Die VMZ übernimmt dann die Auswertung und sendet ein entsprechendes Ereignis zurück an die RSU, welche eine Stauwarnung per V2X an alle Fahrzeuge im Gefahrenbereich versendet. In dem Szenario kann die waveBEE-simulation-Software das Simulieren der Fahrzeuge übernehmen und die entsprechenden V2X-Botschaften generieren und versenden (Bild 5).
Durch die Simulation ist es möglich, hochkomplexe und reproduzierbare V2X-Szenarien zu generieren und die Funktion der Anwendung zu validieren. Über die WDS-Schnittstelle ist die Anbindung von externen Datenquellen, wie etwa Makro-Verkehrssimulatoren, möglich. Durch mehrfache Instanziierung des Kommunikations-Stacks auf einer Hardware-Plattform lassen sich auch umfangreiche Szenarien abbilden.
Um im Gesamtsystemkontext entwickeln, analysieren und die jeweilige Technik zur Serienreife vorantreiben zu können, sind sowohl V2X-fähige Fahrzeuge als auch die V2X-Infrastruktur auf den Straßen erforderlich – Schlüsseltechnik für das teil- oder vollautomatisierte Fahren von Morgen.
Zwar existieren reale V2X-Testkorridore, sowohl in Deutschland als auch in ganz Europa, allerdings ist aktuell die Nutzung der Testfelder mit sehr hohem Aufwand verbunden. Die derzeit noch fehlende Harmonisierung der infrastrukturseitigen Kommunikation führt dazu, dass die installierten Implementierungen meist inkompatibel zueinander sind. Die im Rahmen der C-ROADS-Plattform vorangetriebene Harmonisierung ist ein entscheidender Schritt bei der Einführung der V2X-Technik – allerdings wird der Einsatz erst in 2018 beziehungsweise 2019 stattfinden. Zusätzlich werden nicht alle V2X-Funktionen in allen Testkorridoren zur Verfügung stehen. Die waveBEE-V2X-Produktfamilie ermöglicht bereits die wichtige Reproduzierbarkeit von Ergebnissen zur Validierung der V2X-Funktion.
Am Beispiel einer Warnung vor einem Einsatzfahrzeug in Alarmfahrt (Sondereinsatzfahrt) eines Automobilherstellers werden nachfolgend die einzelnen Entwicklungsprozesse mit entsprechenden Analysen und Abschlusstests durch waveBEE-Systeme in drei Phasen dargestellt, um die Funktionsvalidierung und die entscheidende Reproduzierbarkeit von Testszenarien und deren Ergebnissen zu erreichen.
Phase 1
In der ersten Phase wird eine waveBEE-plus-Entwicklungsplattform genutzt, um die Applikation zu entwickeln und für die Serienumsetzung zu spezifizieren. Die Funktion sieht wie folgt aus: Durch einen externen Auslöser (im Serienbetrieb das Einschalten des Blaulichts) wird die entsprechende V2X-Nachricht (DENM) generiert. Eine Validierung der Sendefunktion findet im ersten Schritt auf der Korrektheit der Einzelnachricht statt – Header und Payload der Nachricht müssen der Spezifikation entsprechen. Anschließend werden mehrere V2X-Stack-Instanzen auf einer waveBEE plus eingesetzt, sodass die DENM-Nachricht innerhalb eines Systems von einem V2X-Stack erzeugt und über eine virtuelle Netzwerkschnittstelle versendet wird. Als Empfangsseite dient eine zweite V2X-Instanz auf demselben Gerät. Die Empfangsseite muss in der Lage sein, die empfangene Nachricht zu dekodieren und der Empfangsfunktion – etwa einer Ausgabe an den Benutzer – zur Verfügung zu stellen.
Phase 2
Um die Luftschnittstelle einzubeziehen, werden in der nächsten Phase mehrere waveBEE-plus-Systeme eingesetzt, um das reale Senden, Empfangen und Verarbeiten der Nachricht über den Physical Layer (IEEE 802.11p) zu testen. Das geschieht sowohl unter Laborbedingungen als auch mit reversiblen Einbauten der waveBEE-Systeme in Versuchsfahrzeugen. Hierbei werden über die Benutzerschnittstelle entsprechende Warnungen vor Einsatzfahrzeugen ausgegeben.
Phase 3
In Phase 3 ergänzen V2X-Simulationen mit waveBEE Systemen im HiL unter Laborbedingungen das Testen in der Serienentwicklung. Komplexe V2X-Szenarien mit unterschiedlichen Verkehrsteilnehmern (Station Types) und Nachrichtentypen werden erzeugt und die korrekte Funktionsweise der Applikation validiert.
Die Erstellung der V2X-Szenarien erfolgt hierbei schnell und zuverlässig über den waveBEE creator. Der Editor sorgt gleichzeitig dafür, dass nur spezifikationskonforme Nachrichten definiert und erzeugt werden. Ein identisches Testszenario lässt sich mithilfe der waveBEE to-go aus dem Labor auf die reale Straße transferieren, um mit dem echten Fahrzeug unter Realbedingung das gesamte Szenario zu »erfahren«.
Am Beispiel des Sondereinsatzfahrzeugs werden die Vorteile von waveBEE deutlich: Die in Phase 1 und 2 verwendeten waveBEE-plus-Systeme dienen in den Realfahrttests weiterhin als Sender der Sondereinsatzfahrzeug-Warnung. Die mit dem waveBEE creator erstellten V2X-Szenarien bilden die Infrastruktur ab, ohne dass sie real existieren muss. Dabei werden aus den Simulationsdaten reale V2X-Botschaften erzeugt, die mittels automatischem Geoshifting an jedem beliebigen Ort der Welt positioniert und real über die Funkschnittstelle der waveBEE to-go (IEEE 802.11p) ausgesendet werden.
Das Realfahrzeug kann daher ohne großen Aufwand und ohne weitere Infrastruktur durch eine echte V2X-Umgebung mit realen und korrekten Botschaften fahren. In der Phase zeigt sich besonders die Wichtigkeit reproduzierbarer Testumgebungen für aussagekräftige Testergebnisse: Vom Labor auf die Straße – und wieder zurück.
In der aktuellen Phase von V2X optimiert die Nutzung der waveBEE-Produktfamilie von Nordsys den Entwicklungsprozess von V2X-Applikationen erheblich. Auch das Nachpflegen von künftigen »day two usecases« oder »day x usecases« wird durch die offene Architektur der Entwicklungsplattformen und den »Continuous Integration Process« der Folgesysteme erleichtert. Die Simulationstools ermöglichen bei geringem Aufwand ein kosteneffizientes Erzeugen und Testen der komplexen V2X-Szenarien im Mix aus realen und virtuellen Teilnehmern. Die waveBEE touch dient in allen Entwicklungsphasen als mobiles Visualisierungs- und Diagnosewerkzeug, das sowohl die Analyse der gesamten V2X-Umgebung, als auch die Validierung sämtlicher spezifizierter Details einzelner V2X-Nachrichten ermöglicht.
Der Autor
Maik Schlote
arbeitete nach seinem Studium an der TU Braunschweig zunächst im Maschinenbau bevor er im Jahr 2000 in die Automobilindustrie wechselte. In einem international agierenden Mittelstandsbetrieb betreute er als Key Account Manager Automobilkonzerne im Bereich spezieller Softwarelösungen und Dienstleitungen. Seit 2011 ist er für Nordsys als Senior Sales Manager für den internationalen Vertrieb der waveBEE V2X Produkte verantwortlich.