Die Intelligenz eines Fahrzeugs befindet sich bislang entweder direkt an Bord oder sie ist in Server-Farmen im Back End ausgelagert. Edge Cloud Computing bietet dazu eine echtzeitfähige Alternative, die auf einer verteilten Rechenleistung entlang der Straße basiert.
Autonomes Fahren ist ein Markt, der zunehmend mehr Bedeutung für die Mobilität der Zukunft hat. Damit einher geht aber auch eine stark ansteigende Menge an erfassten und zu verarbeitenden Daten. Die für ein intelligentes Verkehrsmanagement benötigte Koordination all dieser Daten ist von einem einzelnen Fahrzeug allein nicht mehr zu schultern. Stattdessen ist der Einsatz neuer Technologien vor allem im Bereich der Telekommunikation erforderlich. Der Ausbau klassischer Cloud Backbones allein reicht hier nicht aus, da sie einige elementare Voraussetzungen für autonomes Fahren nicht erfüllen. So müssen für diese Aufgabe beispielsweise auch verteilte Speicherlösungen (Distributed Storage) echtzeitfähig sein. Gleiches gilt für funktionskritische Tasks, die auf eine niedrige Latenz und hohe Bandbreite angewiesen sind.
Welche Konsequenzen für das Netzwerk ergeben sich nun aus diesen Anforderungen? Betrachten wir hierfür die Wirkkette eines Automotive-spezifischen Use Case, nämlich die Erstellung des Umfeldmodells bzw. das High Definition Mapping. Jedes Auto erfasst über seine eigene integrierte Sensorik (Kamera, Lidar, Radar) eine Vielzahl von Daten, wertet diese aus und erstellt aus den Punktwolken, Kamerabildern etc. ein Wahrnehmungsmodell seiner Umwelt. Mittels einer entsprechenden Aktorik wird das Auto so handlungsfähig und kann sich selbst steuern. Durch Hinzunahme einer V2X-Komponente erweitert sich der Regelungskreis auf die umliegenden Fahrzeuge. Daten können so über kurze bis mittlere Distanz ausgetauscht und von den Fahrzeugen zur Weiterverarbeitung genutzt werden. Die Rechenlast liegt jedoch klar bei den Fahrzeugen.
V2X beinhaltet neben der Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Kommunikation zusätzlich noch die Kommunikation mit der Infrastruktur. Die Fahrzeugdaten können so auch an eine Edge Cloud (siehe Kasten) übermittelt werden. Durch diese mit einem lokalen Bezug zusammengefassten Informationen lassen sich ein hoch detailliertes Modell der Umwelt erstellen, Karten erzeugen, durch Redundanz verifizieren und für die einzelnen Fahrzeuge relevante Informationen zurückspiegeln (Handlungsanweisung für Überholmanöver, kooperative Geschwindigkeitsanpassung zur Stauvermeidung etc.). Trainierte Machine-Learning-Modelle können hier als virtualisierte Netzwerkfunktionen installiert und verwaltet werden. So werden die einzelnen Fahrzeuge und auch das Back End hinsichtlich des Rechenleistungsbedarfs entlastet.
Größerer Handlungsspielraum
Durch die Edge-Cloud-Komponente ergibt sich also ein größerer Handlungsspielraum für die Koordination von autonomen Fahrfunktionen unter Beachtung von deren Echtzeitanforderungen. Services, die nicht als „mission critical“ eingestuft werden, also eine entsprechende Verarbeitungszeit erlauben, lassen sich in das klassische Back End auslagern. Die eben angesprochenen Machine-Learning-Modelle werden hier mit Trainingsdaten versorgt und angelernt. Insofern ist Edge Computing ein vielversprechendes technisches Mittel, um die bestehenden Fahrzeuge und Back-End-Systeme zu verbinden und zu erweitern. Spätestens unter Berücksichtigung von neuen Mobilitätsdomänen wie dem bodennahen Luftverkehr ist dies auch zwingend notwendig, um die benötigten Rechenressourcen bereitzustellen und zu koordinieren.
Neben dem enormen Potenzial, welches Edge Cloud Computing birgt, gibt es einige Herausforderungen zu meistern.
Dazu gehören etwa die Heterogenität des Netzwerks und dessen dynamische Topologie. Die sich bewegenden Fahrzeuge bilden Ad-hoc-Netzwerke, deren Verbindungen von sehr kurzer Dauer sind. Mit bestehenden Standards wie DSRC, die auf Broadcast Use Cases ausgelegt sind, ist eine kooperative Kommunikation daher schwierig. Nachrichten müssen über mehrere Wege (Multipath) und mehrere Fahrzeuge hinweg (Multihop) gesendet werden können, um die benötigte Zuverlässigkeit und Resilienz zu gewährleisten. Neuartige Rapid-Roaming-Technologien wie Meshmerize könnten hier einen großen Schritt nach vorne bedeuten, da diese schnelle Link Handovers zwischen den WLANs und auch dem LTE-Netzwerk ermöglichen. Gerade das Zusammenspiel dieser Komplementärtechnologien hat einen großen Einfluss auf die zukünftige Architektur des Edge Cloud Computings.