Beim Fernwirken und Fernwarten Web- und Cloud-Techniken zu nutzen, hat zweifellos bedeutende Vorteile und eröffnet viele Möglichkeiten. Wie in anderen technischen Systemen zeigen sich aber auch hier Risiken und Nebenwirkungen. Zunächst zu den Vorzügen und Chancen: »Systeme auf Cloud-Basis wie ‚Netbiter‘ von HMS bieten dem Anwender ein Komplettpaket, mit dem er auch ohne besondere IT-Kenntnisse ein modernes und skalierbares System für die Betriebsdatenerfassung und Fernwartung entfernter Anlagen und mobiler Applikationen aufbauen kann«, erläutert Michael Volz. »Der Anwender hat von überall und mit allen modernen Kommunikationsmitteln Zugriff auf die Daten und braucht sich um die professionelle Sicherung und Langzeitarchivierung nicht mehr selbst kümmern.« Generell vereinfache die Cloud-Technik den Aufbau moderner Systeme für die Betriebsdatenerfassung und die Anlagenoptimierung: »Aufbau und Betrieb eigener Server und die individuelle Programmierung aussagefähiger Benutzeroberflächen für die Darstellung von Anlagenstatus und Trendreports entfallen komplett«, ergänzt Volz. »Lösungen auf Cloud-Basis werden die breite Anwendung der M2M-Techniken beschleunigen und können einen wesentlichen Beitrag zur Energieeinsparung und zum schonenderen Umgang mit unseren Ressourcen leisten.«
Ein wichtiger Vorteil der Web- und Cloud-Techniken ist die Flexibilität, die sie dem Anwender ermöglichen: »Durch den flexiblen Zugriff sind die Daten der in der Cloud befindlichen Geräte jederzeit und standortunabhängig für Service-Techniker, Kunden und Administratoren erreichbar«, legt Jörg Parnitzke dar. »Web- und Cloud-Techniken ermöglichen zeitnahe Informationen über Verbrauchsdaten sowie Hochverfügbarkeit unabhängig vom Standort. Service-Einsätze bzw. Wartungsanfragen lassen sich besser und bedarfsgerecht koordinieren.«
Klaus-Dieter Walter hebt vor allem auf den Kostenaspekt ab: »Bei Lösungen mit vielen vernetzten Systemen und großflächiger Ausdehnung ergeben sich zunächst einmal Investitionskostenvorteile, weil für die einzelnen Teilnehmersysteme - also ein Fernwirk-Unterstellengerät oder die Steuerung für den Fernzugriff - nur ein einfacher Internet-Zugang zur Verfügung gestellt werden muss«, führt er aus. »Dieser Zugang ist inzwischen mit sehr geringen Kosten realisierbar. Vor Ort in einer Anlage ist auch kein PC mehr als Fernwartungszugang erforderlich, weil praktisch jede Steuerung mit Hilfe eines einfachen Gateways direkt mit dem Internet verbunden werden kann.«
Die von den Web- bzw. Cloud-Softwarekomponenten ermöglichte Flexibilität ist aber auch für Walter ein wichtiges Thema: »Software-Updates für die Vor-Ort-Hardware im Feld sind mit Hilfe von Web- und Cloud-Techniken leicht möglich«, sagt er. »Funktionserweiterungen lassen sich durch Änderungen und Ergänzungen an den Web- und Cloud-Softwarekomponenten jederzeit vornehmen.« Die Baugruppen vor Ort seien dann unverändert weiter nutzbar: »Ohne zusätzliche Hardware-Investitionen können Unternehmen beispielsweise ein einfaches Fernwartungssystem durch Condition Monitoring erweitern oder eine Fernwirkanwendung zusätzlich in ein Anlagen-Management-System auf SNMP-Basis einbinden. Web- und Cloud-Services bilden somit auch einen Investitionsschutz für die Vor-Ort-Hardware.«
Als zusätzlichen Vorteil nennt Walter die Skalierbarkeit: »Bedingt durch die Energiewende und die dadurch zu erwartenden Smart-Grid-Verbundsysteme werden in nächsten Jahren sehr große Fernwirkanwendungen entstehen«, führt er aus. »Ein Beispiel wären mehrere hunderttausend stromerzeugende Heizungen, die von einer Leitstelle als virtuelles Kraftwerk per Internet zentral gesteuert werden. Anwendungen in dieser Größenordnung wären ohne Web- und Cloud-Techniken überhaupt nicht realisierbar.« Michael Volz stimmt ihm zu: »Fernwartungssysteme auf Cloud-Basis sind skalierbar und besonders effektiv, wenn die Daten und Informationen mehrerer Außenstationen in einer Benutzeransicht zusammengefasst und ausgewertet werden sollen.«
Mit Web und Cloud zur »Industrie 4.0«
Seit der diesjährigen Hannover Messe genießt das Thema »Industrie 4.0« große Aufmerksamkeit: Nach Ansicht zahlreicher Automatisierungs-Experten steht eine »vierte industrielle Revolution« bevor. Den Kern der künftigen Produktionswelt werden demnach »Cyber-Physical Systems« (CPS) bilden, also untereinander und mit dem Internet vernetzte Embedded-ITK-Systeme. Klaus-Dieter Walter zufolge wird die künftige »Industrie 4.0« durch Web- und Cloud-Techniken erst möglich: »Sie werden die Grundlage bilden für zukünftige CPS, also völlig neuartige Fernwirklösungen, die in der Regel nicht mehr zentral gesteuert werden, sondern die Idee der Schwarmintelligenz aufgreifen«, erläutert er. »Solche Verbundsysteme entstehen aus der domänenübergreifenden Verknüpfung von Smart Objects, also vernetzungsfähigen Embedded-Systemen, mit webbasierten Diensten. CPS werden daher auch als ‚Systeme aus Systemen‘ (Systems of Systems) bezeichnet. Web- und Cloud-Techniken werden hier die Interaktion von Geräten und Objekten über Anwendungs- und Branchengrenzen hinweg ermöglichen.« Die Anwendungsmöglichkeiten seien vielfältig: »Neben selbststeuernden Produktions- und Logistiksystemen, integrierten Systemen zur Verkehrssteuerung oder sich selbst regelnden intelligenten Stromnetzen lassen sich vor allem Telemedizinanwendungen realisieren.«