Sie haben vorher das Zweihand-Relais von 1968 als ein frühes Produkt für die sichere Automatisierung bezeichnet. Welche Entwicklung oder welches Produkt markiert Ihres Erachtens den Durchbruch für Safety in der Industrie?
Bis vor etwa 30 Jahren waren alle Safety-Funktionen mittels Schützen verdrahtet. Es gab spezielle Relais-Verschaltungen wie etwa die Drei-Schütz-Kombination. Aus dem Wunsch vieler Kunden nach einem kleinen elektronischen Kästchen, das an die Stelle solcher Konstruktionen treten könnte, entstand im Jahr 1987 PNOZ, das erste Sicherheitsschaltgerät überhaupt. PNOZ steht für Pilz-Not-Aus-Zwangsgeführt und war der Durchbruch für die sichere Automatisierung: Das Produkt war anfangs allein am Markt und ging sofort weg wie warme Semmeln.
Ihr Unternehmen ist vor allem für sichere Automatisierungstechnik bekannt, legt aber seit einiger Zeit wieder verstärkt auf Standard-Automatisierungstechnik Wert. Warum?
Die Kombination von sicherer und Standard-Automatisierungstechnik zu forcieren resultiert aus dem Wunsch, unseren Kunden ganzheitliche Lösungen bereitzustellen. Aber die Kombination ist für uns nicht neu – wir verbinden Standard und Safety, seit wir Safety im Programm haben. Unsere Produkte, auch unsere Steuerungen, waren schon immer Standard und Sicherheit zugleich, weil wir die Sicherheit stets rückwirkungsfrei gestaltet haben.
Welche Faktoren werden in absehbarer Zukunft das Thema Safety in der Industrie hauptsächlich bestimmen?
Der wichtigste Faktor wird meines Erachtens die Mensch-Roboter-Kollaboration sein, die sich allmählich in der Industrie durchsetzt. Wir haben uns daher großes Produkt-, Normen- und Applikationswissen angeeignet und bieten entsprechende Dienstleistungen und Schulungen an. Neuen Schub verleiht die Robotik beispielsweise unserem sicheren 3D-Kamerasystem SafetyEye, das Roboter-Arbeitsräume sicher überwachen kann und damit die Produktivität erhöht.
Andere Automatisierungstechnik-Hersteller verbinden mittlerweile ebenfalls Standard- und sichere Automatisierung. Worin liegen dann noch die Alleinstellungsmerkmale Ihres Unternehmens?
Die Sicherheit ist bei uns seit Langem Kernkompetenz und steht nach wie vor im Mittelpunkt, was sich außer in den Produkten und Systemen auch in Service, Support, Applikationswissen und Lösungskompetenz bemerkbar macht – nicht nur hierzulande, sondern bei allen Tochtergesellschaften weltweit. Hinzu kommen hohe Qualität und Zuverlässigkeit unserer Produkte.
Ihre beiden Kinder Susanne Kunschert und Thomas Pilz werden die Geschäftsführung allein in der Hand haben. Müsste man die Geschäftsführung angesichts des großen und kontinuierlichen Umsatzwachstums nicht personell verstärken?
Beide sind jetzt für jeweils sieben Bereiche zuständig und haben ihre Bereiche auch schon bisher eigenverantwortlich geführt. Diskussionen tragen wir offen und ehrlich aus. Auf allen Ebenen haben wir zudem ein sehr gutes Führungs-Team mit Leuten, auf die Verlass ist.
Wie stellen Sie sich Ihre persönliche Zukunft im Ruhestand vor?
Ich freue mich, mehr Zeit als bisher zum Lesen und Wandern sowie für klassische Musik und meinen Garten zu haben. Und mehr Zeit für meine beiden Enkel, die jetzt vier und zwölf Jahre alt sind. Ich habe es meinen Kindern überlassen, ob sie die Geschäftsführung übernehmen wollen, und sie wollten. Dafür bin ich sehr dankbar. Mittlerweile habe ich gelernt, dass ich loslassen kann, und zwar richtig loslassen kann. Wenn meine Kinder zu mir kommen und etwas mit mir besprechen wollen, werde ich natürlich für sie da sein.