Kollaborative Robotik

»Letztlich geht es um ein intelligentes Werkzeug«

18. Oktober 2018, 9:13 Uhr | Engelbert Hopf
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Fortsetzung des Artikels von Teil 2

Anreize in Forschung und Entwicklung sind gut

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Darius Wilke, rethink robotics: »Kollaborative Robotik ist sexy, jeder will sie haben. Aber in Deutschland wird der Begriff MRK inflationär für alles benutzt, was irgendwie mit Leichtbaurobotern zu tun hat. Wir haben die Pflicht, unsere Kunden besser aufzuklären.«
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Bei aller am Markt immer noch herrschenden Skepsis plädiert Schmid aber dafür, »das Thema nicht zu Tode zu beraten, zu qualifizieren und zu validieren«. Der kollaborative Roboter soll ein Tool sein, ein Hilfsmittel. »Wenn ich heute einen Hammer in die Hand nehme und einen Nagel in die Wand schlage, dann lese ich ja zuvor auch nicht 25 Seiten über mögliche Gefahren und Probleme durch«, so Schmid, »unter diesem Gesichtspunkt sind Hammer und Säge prinzipiell überhaupt nicht sicherheitsfähig«. Er appelliert, wieder den menschlichen Sachverstand mit einzubeziehen. »Wenn ich den Ease of Use der kollaborativen Robotik durch Sicherheitstechnik zu sehr aufblase, dann kann ich gleich wieder einen konventionellen Industrieroboter einsetzen.«

Dr. Müller weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass zu unterscheiden sei zwischen Rahmenbedingungen, die gesetzt werden, um eine neue Technologie am Markt zu pushen, und Anforderungen, die an eine neue Technologie aus gesellschaftlicher Verantwortung gestellt werden. Mit zunehmendem Wohlstand kämen weitere Anforderungen hinzu. »Eine Maschine, die einem Arbeiter eine Hand abhacken könnte, wird heute bei uns nicht mehr zugelassen. In Niedriglohnländern ist das noch anders. Aber auch dort wird sich das mit wachsendem Wohlstand ändern.«

Um die Sicherheit beim Einsatz kollaborativer Roboter ausreichend zu gewährleisten, wurden im Rahmen der TS 15066 in den letzten Jahren zahlreiche Untersuchungen und Tests sowohl an toten Schweinen als auch an freiwilligen menschlichen Probanden durchgeführt. »Technisch ging es dabei um Sachverhalte wie freie Kollision und Klemmvorgänge. Im Kern aber ging es darum, den schmalen Grat zwischen einem unangenehmen Druckempfinden und Schmerz auszuloten, wie es Dr. Haddadin beschreibt. Forschung, die neues Gebiet erkundete, da die Literaturquellen sich nicht auf Versuche mit aufsteigender Masse und Geschwindigkeit bezogen. So wichtig die bei diesen Untersuchungen gewonnenen Ergebnisse auch sind, weist Ryll doch darauf hin, dass die internationale Roboter-Norm 10218, die auf die technischen Spezifikationen der TS 15066 referenziert, 2011 veröffentlicht wurde. »Wer die einhält«, so sein Fazit, »der baut letztlich veraltete Maschinen«.

Dr. Müller zieht den Vergleich zur Automotive-Branche. Dort habe es mit der Normierung für Functional Safety in Form von ISO 26262 eine Basis für die Entwicklung des autonomen Fahrens gegeben. »Es gab also vorab eine Norm, die Produktanforderungen und Entwicklungsprozesse festgelegt hat.« Das ist im Bereich kollaborativer Robotik anders. Die Aufbruchsstimmung in der Branche birgt die Gefahr, dass sich die Normierung der kollaborativen Robotik zum Hemmschuh für die Branche entwickelt, »die massiv ausbremst, aber wenig hilft«.

Und wie sieht es inzwischen mit der Politik aus? Hat sie die Zeichen der Zeit erkannt und bemüht sich darum, die notwendigen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass kollaborative Robotik in Zukunft eine Erfolgsgeschichte aus Deutschland sein wird? »Ich würde sagen, die aktuellen Anreize in Forschung und Entwicklung sind gut«, meint Dr. Müller; »hier greift die Förderung aus den Ländern, vom Bund und der EU-Kommission«.

Wenn sich allerdings, wie in diesem Frühjahr geschehen, Politiker auf Deutschlands höchstem Berg treffen und medienwirksam zu Protokoll geben, »dass Deutschland jetzt in Robotik investiert«, dann kann Ryll das gar nicht glauben. »Noch in dieser Legislaturperiode sollte das angegangen werden«, so Ryll. »Mal sehen, wann diesen Ankündigungen dann wirklich nachhaltige Taten folgen«.

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Andrija Feher, Synapticon: »Die größte Herausforderung für die Realisierung eines kollaborativen Roboters ist die Robotersteuerung selbst. Das Problem ist, dass es keine Off-the-Shelf-Robotersteuerung gibt, die Mensch-Maschine-Kollaboration unterstützt.«
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Eine Branche auf der Suche nach Spezialisten
»Im Prinzip stehen wir bei der Suche nach Hard- und vor allem Softwarespezialisten zur Realisierung kollaborativer Roboter im Wettbewerb mit unseren Kunden«, meint Schmid. »Dieselben Leute, die wir suchen, die stehen auch auf der Wunschliste der großen Automotive-Tier-1 und der Automobilhersteller, die diese Spezialisten benötigen, um das autonome Fahren zu realisieren.«

Nach Einschätzung von Feher wird es der Mangel an entsprechenden Spezialisten sein, der vielen Startups das Leben schwer machen dürfte: »Die starten vielleicht mit einem Motor-, einem Servo-, einem Safety-Spezialisten und vielleicht noch ein, zwei Software-Spezialisten, und das dürfte bei der Rekrutierung schon richtig schwer werden«, meint Feher, »und dann stellen sie fest, dass die Steuerungssoftware heute die große Herausforderung im Bereich kollaborativer Robotik ist«.

Was vielen Leuten heute im Weg steht, sei der Umstand, dass ihre Hardware-Teams größer seien als die Software-Teams, so Feher. Auch sei es eher unwahrscheinlich, dass, wenn Synapticon fünf Safety-Leute beschäftige, Kunden die Chance hätten, ein solches Team auch aufzubauen, »weil das viel zu teuer ist«.

Auf der Kundenseite, so der Synapticon-CTO, »haben wir es häufig nur mit zwei, drei Leuten zu tun, die für den Kunden dieses Kollaborative-Robotor-Ding realisieren sollen, und häufig sind diese Leute auch erst ein, zwei Jahre bei den Unternehmen«. Für das, was diese Unternehmen vorhaben, und Feher spricht in diesem Zusammenhang ausdrücklich von Unternehmen, die keine Roboterhersteller sind, »bräuchten sie aber rund 20 Leute, und wir versuchen dann mit ihnen, diese Barriere zu überwinden«.

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Jochen Vetter, Pilz: »Es ist mit Sicherheit der falscheste Ansatz, sich den komplexesten Ablauf in einer Fertigung auszusuchen und dort einen kollaborativen Roboter einsetzen zu wollen.«
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  1. »Letztlich geht es um ein intelligentes Werkzeug«
  2. Einige Start-ups klopfen sich zu früh auf die Schulter....
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