Kollaborative Robotik

»Letztlich geht es um ein intelligentes Werkzeug«

18. Oktober 2018, 9:13 Uhr | Engelbert Hopf
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Einige Start-ups klopfen sich zu früh auf die Schulter....

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Helmut Schmid, Universal Robots: »Wir müssen wieder zum menschlichen Sachverstand zurückkommen. Wenn ich den Ease-of-Use-Gedanken des Cobos durch zusätzliche Sicherheitstechnik aufblase, kann ich gleich wieder einen herkömmlichen Industrieroboter einsetzen.«
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Dr. Clemens Müller, Infineon Technologies: »Man muss unterscheiden zwischen den Rahmenbedingungen, die gesetzt werden, um eine neue Technologie im Markt zu pushen, und Anforderungen, die an eine neue Technologie aus gesellschaftlicher Verantwortung heraus gestellt werden.«
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Es gibt aber noch andere große Unterschiede zwischen den Unternehmen, die sich auf diesem boomenden Markt tummeln. »Wenn ich mir die Herangehensweise in der Entwicklung großer Player wie Kuka, ABB oder Fanuc ansehe, dann wählen die fast durchweg den Bottom-Up-Ansatz von der Programmierebene«, erläutert Darius Wilke, Director European Business bei rethink robotics. »Andere Unternehmen wie auch wir wählen dagegen den Top-Down-Ansatz von der User-Experience.« Große Player werden eben bei der Produktentwicklung einfach einen anderen Ansatz verfolgen, gibt er zu bedenken, »die bringen die Technologie ganz anders auf die Straße als kleine Spezialisten, die sich anders im Markt bewegen und andere Ansätze verfolgen.«

Ob es dabei jedoch so wahnsinnig hilfreich ist, wenn Synergien in der Form geschaffen werden, dass mit viel Aufwand Betriebssysteme, die bisher auf einem Industrieroboter liefen, auch auf Cobots übertragen werden, bleibt dahingestellt. »Corporate sagt: „phantastisch, das habt ihr gut gemacht“«, so ein Diskussionsteilnehmer; »dumm nur, wenn man dann im Anschluss drei Wochen und fünf Ingenieure braucht, um den Cobot zum Laufen zu bringen, das ging deutlich schneller und effektiver, wenn man einen anderen Ansatz gewählt hätte.«

Wilke geht aber auch kritisch mit der eigenen Branche ins Gericht. So freuten sich nach seiner Einschätzung viele Startups zu früh darüber, dass sie ein paar Roboter verkauften hätten, »die dann im Zweifelsfall beim Kunden gar nicht sinnvoll eingesetzt werden«. Nach seiner Erfahrung ginge es der jungen Branche noch besser, wenn man mehr zuhören würde und sich mit der Frage auseinandersetzen würde, wie man für seine Produktidee die richtige Applikation finde. »Ich finde, da klopfen sich einige zu früh auf die Schulter«, so sein Eindruck.

Feher verweist in diesem Zusammenhang auf die Unterschiede in der deutschen und chinesischen Robotik-Szene. »Wenn in Deutschland ein Roboter entwickelt wird, dann ist das eher etwas für eine Luxusabteilung, die mit jungen Leuten besetzt ist, und alles ist ein wenig mehr technik- als Business-getrieben«, so sein Eindruck. In China hingegen gehe es bei der Entwicklung auch sofort darum, die Maschine zu verkaufen. »Man geht raus und schaut, wie nützlich sie ist, und orientiert sich dabei stark am Kunden«, schildert er seine Erfahrungen aus der Volksrepublik. »Da steht von Anfang an ein viel stärkerer Business-Gedanke dahinter.«

Das Thema kollaborative Robotik und China beschäftigt auch Dr. Haddadin: »Robotik und kollaborative Robotik zählen zu den erklärten Zielen der „Made in China 2025“-Initiative der chinesischen Regierung, und dieser Plan wird unglaublich zielorientiert umgesetzt, wenn man sich ansieht, mit welch feinem Näschen China in den letzten Jahren Firmen im Robotikbereich gekauft hat.« Dr. Haddadin ist davon überzeugt, »dass wir als europäische, deutsche Kollaborative-Robotik-Szene dort früh präsent sein sollten; in ein, zwei Jahren, denke ich, könnte es dafür schon zu spät sein«.

So unterschiedlich die Herangehensweisen der auf dem Forum vertretenen Unternehmen auch sind, einig sind sich alle Teilnehmer darin, dass das Thema kollaborative Robotik nicht nur auf den Roboterarm beschränkt werden darf. »Das Werkzeug, das an der Spitze verbaut wird, muss entsprechend kollaborativ mitgestaltet werden«, stellt Dr. Müller fest; »wenn nur eines der beiden Systeme kollaborativ ist, gilt das für das Gesamtsystem aus Arm und Werkzeug nicht«.

Das notwendige Zusammenspiel aus Arm und Werkzeug bringt die Diskussionsrunde schnell zum Thema „intelligentes Werkzeug“. Für Hoene besteht zwischen Laser und kollaborativer Robotik ein enger Zusammenhang. »Mit Lasern kann man bohren, schneiden, gravieren, man kann mit ihnen viele Produktionsschritte durchführen und man ist extrem flexibel im Einsatz. Genau diese Vorteile gelten auch für die kollaborative Robotik. »Wenn man über flexible, wandelbare Fertigung individueller Produkte nachdenkt«, so Hoene, »dann kann ich das nicht mit klassischen, von Schutzzäumen umgebenen Indstrierobotern realisieren, dann brauche ich die Flexibilität der kollaborativen Robotik, und das ist ein wesentlicher Treiber für MRK«.

Ganz entscheidend für den zukünftigen Erfolg des noch zarten Pflänzchens kollaborative Robotik, so der einhellige Tenor, ist die rechtzeitige Mitnahme der Beschäftigten in den Betrieben. Geschieht das nicht, so Vetter, »und kann der Werker eine Wettbewerbssituation auch nur erahnen, wird er den kollaborativen Roboter so manipulieren, dass dessen Performance verpufft, nach der Devise, ich lasse mir von der Blechkiste doch nicht meinen Arbeitsplatz wegnehmen«. Vetter verweist auch darauf, dass es beim Thema Angst im Zusammenhang mit kollaborativer Robotik zwei Arten von Ängsten gibt: »Zum einen vom Roboter verletzt zu werden, und dann die Angst vor dem Roboter als Jobkiller«.

Dr. Müller erläutert in diesem Zusammenhang das Vorgehen von Infineon Technologies im Chipwerk in Dresden. »Hätten wir dort von oben kommuniziert, dass jetzt der Einsatz kollaborativer Roboter in der Produktion notwendig sei, wäre das Werk wohl zum Stillstand gekommen«, so sein Fazit. Stattdessen wurde die Notwendigkeit betont, bei steigenden Qualitätsanforderungen einen hohen Produktmix im 24/7-Betrieb zu produzieren. »Im Laufe dieses Prozesses hat die Belegschaft die Einführung und den Einsatz kollaborativer Roboter und den Umgang mit ihnen intrinsisch erarbeitet«, so Dr. Müller. Ergebnis dieses Prozesses sei es unter anderem, dass der Cobo Musik spielt, wenn er sich dem Menschen zu sehr nähert, »da haben sich die Kollegen drin wiedergefunden«. Das Fazit von Dr. Müller lautet deshalb: »Den Mitarbeitern muss aufgezeigt werden, welche Möglichkeiten diese Technologie bietet und wie man mit ihr umgehen kann. Erst dieses Vorgehen macht die Umsetzung des kollaborativen Gedankens wirklich möglich.«

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Dr. Simon Haddadin, Franka Emika: »Meist basieren Ängste auf Ahnungslosigkeit. Die Länder, die sich durch den höchsten Einsatz von Industrierobotern auszeichnen, haben die niedrigsten Arbeitslosenzahlen. Trotzdem haben die Leute Angst, dass ihnen die Roboter den Job wegnehmen.«
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  1. »Letztlich geht es um ein intelligentes Werkzeug«
  2. Einige Start-ups klopfen sich zu früh auf die Schulter....
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