Kollaborative Robotik

»Letztlich geht es um ein intelligentes Werkzeug«

18. Oktober 2018, 9:13 Uhr | Engelbert Hopf
Die Teilnehmer des Forums: Andrija Feher, CTO, Synapticon; Dr. Simon Haddadin, Geschäftsführer Franka Emika; Albrecht Hoene, Research & Development, Director Human Robot Collaboration, Kuka; Dr. Clemens Müller, Director Business Development Industrial Robotics und Industrial Power Control, Infineon Technologies; Christoph Ryll, Robotics Consulting; Helmut Schmid, Geschäftsführer & General Manager Western Europe, Universal Robots; Jochen Vetter, Customer Support, Consulting Services Manager, Pilz; Darius Wilke, Director European Business, rethink robotics
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Nicht alles lässt sich auf ein Hammer-und-Nagel-Problem reduzieren, und so sind auch kollaborative Roboter für vieles einsetzbar, aber nicht für jeden Prozessschritt die beste Lösung.

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Albrecht Hoene, Kuka: »Einen kollaborativen Roboter, den ich einfach aus der Kiste auspacke und einsetze, wird es nie geben, ich brauche immer eine applikationsspezifische Lösung, für die das CE-Zeichen vergeben wurde.«
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Gleichwohl boomt die Branche in Deutschland. Startups schießen wie Pilze aus dem Boden, und die Einsatzmöglichkeiten reichen von klassischen Industrieapplikationen bis in den Pflegebereich.
Am Beginn der noch jungen Geschichte der kollaborativen Robotik in Deutschland standen nach den Worten von Albrecht Hoene, Director Human–Robot Collaboration bei Kuka, »Leuchtturmprojekte und die Aufforderung von Geschäftsführern und Vorständen, mal in diese neue Technologie reinzuschnuppern, damit man nichts versäume und auch in Zukunft wettbewerbsfähig sei«. Wie sich die Teilnehmer des Forums „Aktuelle Entwicklungen und Trends in der kollaborativen Robotik“ erinnern, führte diese Aufforderung dann häufig dazu, dass letztlich so eine Maschine auf dem Hof stand und man sich Gedanken machen musste, was man mit so einem Cobo wohl anstellen könnte.

»Zwar wurden die vergangenen Jahre in erster Linie genutzt, um die Technik zu verstehen«, meint Jochen Vetter, Consulting Services Manager bei Pilz, »doch der Beratungsbedarf ist nach wie vor hoch und die Fragen verschieben sich mehr in die Richtung, wie diese kollaborativen Roboter in den modernen Fertigungsstätten betrieben werden können«. Wie sehr die neue Technologie mancherorts immer noch mit Vorsicht betrachtet wird, dokumentiert Vetter mit dem Verweis auf Anwender, die, nachdem der Systemintegrator den Cobo aufgebaut und das CE-Zeichen vergeben hat, noch einmal eine zweite, externe Freigabe einholen wollen, um ganz sicher zu sein, dass von dem „Neuen“ keine Gefahr ausgeht.

Unsicherheiten, so die versammelten Diskussionsteilnehmer, die in erster Linie darauf beruhen, dass vor der Anschaffung eines Cobots nicht geklärt wurde, wofür er eigentlich genau eingesetzt werden soll und wie beispielsweise die spezifischen Sicherheitsanforderungen in dieser Applikation sind. »Manchmal geht es aber auch schlicht darum, dass jemand, wenn er nicht MRK (Mensch-Roboter-Kollaboration) auf den Investitionsplan schreiben würde, die Gelder für die Anschaffung eines benötigten Industrieroboters nicht genehmigt bekommen würde«, berichtet Christoph Ryll von Robotics Consulting aus Gesprächen mit Anwendern.

Für Dr. Simon Haddadin, Geschäftsführer der Franka Emika, sollten sich potenzielle Anwender deshalb als Erstes die Frage stellen, „was will ich mit einem solchen Cobot fertigen“. In diesem Punkt ähnelt sie der Fragestellung, mit der sich junge Forscher Mitte der Nullerjahre auseinandersetzten: Was wäre mit einem Roboter, der fühlen kann, alles möglich? Natürlich stellt sich auch die Frage, »wie kriege ich einen kollaborativen Roboter in eine produktionsoptimierte Welt intergriert«, gibt Dr. Clemens Müller, Director Business Development Industrial Robotics und Industrial Power Control bei Infineon Technologies, zu bedenken, »denn es ist ja nicht von der Hand zu weisen, dass Cobots etwas langsamer in ihren Bewegungen sind als ihre Kollegen hinter den Schutzzäunen«.

Bei der Frage, was ich mit einem Cobot so alles machen kann, spukt in den Köpfen der meisten potenziellen Anwender nach den Erfahrungen von Vetter »eine gewisse Vorstellung von Daniel Düsentriebs kleinem Helferlein herum, mit dem sich heute hier, morgen dort völlig unterschiedliche Anwendungen realisieren lassen«. Ein Trugschluss, müsste sich doch der Betreiber für jede neue Applikation des Cobots erst wieder eine CE-Zertifizierung geben lassen, schließlich sind Roboter per gesetzlicher Definition unfertige Maschinen, die erst durch ihre jeweilige applikationstechnische Installation zu einer sicheren Maschine werden.

Ungeachtet dieser juristischen Feinheiten boomt die Branche und neue Anbieter schießen nach den Worten von Dr. Müller »inzwischen wie Pilze aus dem Boden«. »Die Stimmungslage in der Branche ist nach wie vor sehr positiv«, bestätigt denn auch Helmut Schmid, Geschäftsführer & General Manager Western Europe bei Universal Robots; »die Wachstumsraten liegen immer noch weit über 50 Prozent, was in einem jungen Markt wie diesem aber normal ist«. Wachstum, das natürlich auch neue Anbieter anzieht. Eine Entwicklung, die Schmid absolut begrüßt; »damit findet noch mehr Marktbearbeitung und Penetration statt, es kommen mehr neue Produkte auf den Markt, und das hilft der Branche in dieser Anfangsphase ganz entscheidend«.

»Es gibt viele Unternehmen, die in der Früh aufstehen und meinen, jetzt bauen wir auch einen kollaborativen Roboter«, meint Andrija Feher, CTO von Synapticon, etwas provokant. »Was vielen Leuten dabei aber im Weg steht, ist die Tatsache, das ihr Hardware-Team deutlich größer ist als das Software-Team, und das beginnen die „Neulinge“ dann ziemlich schnell zu merken.« Fehrer hält die nötige Software, die Robotersteuerung selbst, für die größte Herausforderung, bei der Umsetzung solcher Pläne: »Es gibt am Markt keine Off-the-Shelf-Robotersteuerung, die Mensch-Maschine-Kollaboration unterstützt«, warnt er.

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Christoph Ryll, Robotics Consulting: »Man kann nicht alles mit MRK machen, auch wenn man das gerne möchte und dieser Eindruck bei Anwendern auf Messen und Kongressen geweckt wird. Da steckt noch viel Beratungsbedarf drin.«
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