»Für die digitale Transformation brauchen Ingenieure Fähigkeiten, die über diese Basis hinausgehen. Sie möchten etwa die Funktionalität bereits im Einsatz befindlicher Systeme schneller erweitern. Sie möchten Betriebsdaten von Systemen nutzen, um deren Leistung und Effizienz zu verbessern. Mit anderen Worten wünschen sich Betreiber kontinuierlich aktualisierbare Maschinen«, stellt Jim Tung, MathWorks Fellow, in seinem Vortrag auf der munich_i fest.
Dafür müssen die Software-Entwicklung und Release-Zyklen agiler werden. Die Auswirkungen neuer Software oder Hardware auf die Systemleistung muss schnell bewertet und die von diesen Systemen erzeugten Daten müssen besser für die Entscheidungsfindung genutzt werden können.
Um dies besser zu verstehen, ist ein Perspektivwechsel erforderlich (Abbildung 2). Anstelle der in Bild 1 dargestellten linearen Sichtweise kann man sowohl Entwicklungs- als auch Betriebsprozesse als agile, miteinander verflochtene Kreisläufe betrachten. Verbunden werden sie in der einen Richtung durch kontinuierliche Auslieferung von Software-Upgrades, Continuous Delivery. In der anderen Richtung fließt kontinuierlich Anlagen-Telemetrie in die Entwicklung zurück. Dieses Bild ist Softwareentwicklern vertraut: Es handelt sich um einen DevOps-Zyklus.
Was dies in der Praxis bedeutet, lässt sich am besten anhand einer Fallstudie veranschaulichen. Atlas Copco ist ein belgischer Hersteller moderner Kompressorsysteme. Mit Model-Based Design wird dort Systemfunktionalität auf einer gemeinsamen Plattform der Ingenieurteams entworfen und implementiert. Auf der Vertriebsseite wiederum setzt Atlas Copco diese Modelle in Konfigurationstools ein. Gemeinsam mit dem Kunden wird exakt das individuell angepasste System zusammengestellt, das er benötigt. Atlas Copco hat damit die eingangs erwähnte flexible Massenproduktion realisiert. Die gleichen Modelle sind zudem in das Fertigungssystem integriert. Einfließende Produktionsdaten und Testergebnisse dienen zur Qualitätssicherung.
Die Kompressoren von Atlas Copco verfügen über eine Datenaufzeichnung und eine Verbindung zu einem zentralen Server. Das ermöglicht es, sich abzeichnende Probleme schnell zu erkennen, mögliche Energieeinsparungen zu realisieren und eine maximale Betriebsdauer zu erreichen. Atlas Copco verfügt damit über eine große Flotte digitaler Zwillinge, die Daten an den Entwicklungsprozess zurückliefern. Das wiederum erlaubt es dem Unternehmen, zuverlässigere und leistungsfähigere Systeme zu bauen und neue Dienstleistungen und Mehrwert für die Kunden zu definieren. Grundlage ist der erwähnte digitale Roten Faden, der den gesamten Produktlebenszyklus durchzieht.
Beispiele wie die von Atlas Copco zeigen uns, dass es anfangs zwar ein Umdenken bedeutet, Prozesse von Grund auf neu zu denken und neue Arbeitsweisen zu etablieren. Doch genau diese Schritte sind schließlich wegweisend, um digitale Transformation in der Produktion langfristig erfolgreich zu gestalten. (uh)