Künstliche Intelligenz ist reif für die mittelständische Industrie, aber nur wenige KMU haben bisher KI-Anwendungen eingeführt. Woran liegt das, was hindert die Unternehmen daran, und wie können sie KI mit Sinn und Verstand implementieren, um bestmöglichen Nutzen daraus zu ziehen?
Künstliche Intelligenz (KI) ist längst keine Zukunftsvision mehr, sondern hat sich zu einem erfolgsentscheidenden Innovationstreiber entwickelt. Wie eine gemeinsame Studie von IW Consult und Google zeigt, ließe sich durch den Einsatz von KI die Produktivität im verarbeitenden Gewerbe um fast 8 Prozent steigern und eine zusätzliche Wertschöpfung von 56 Milliarden Euro freisetzen. Doch trotz dieser enormen Entwicklungsmöglichkeiten hinkt der deutsche Mittelstand hinsichtlich des eigenen KI-Reifegrads noch immer hinterher, wie eine vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz beauftragte Studie belegt. Ihr zufolge befinden sich 52 Prozent der befragten kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs) beim internen Einsatz von KI-Anwendungen noch immer in der Experimentierphase. Lediglich 12 Prozent haben mit der konkreten Implementierung bereits begonnen.
Diese Zurückhaltung hat vielfältige Gründe. Viele mittelständische Unternehmer sehen in KI eine Black Box, deren Entscheidungsprozesse sie nicht nachverfolgen können. Die Sorge vor Datenschutzverletzungen und die Unsicherheit bezüglich rechtlicher Rahmenbedingungen verstärken die Skepsis. Zudem fehlt es oft an KI-Expertise im eigenen Haus, was sowohl Implementierung als auch Nutzung erschwert.
Die erhobenen Zahlen werfen deshalb eine dringende Frage auf: Wie kann der Mittelstand – besonders in der Fertigungsbranche – eine reine Versuchsphase überwinden und tatsächlichen operativen Mehrwert durch KI schaffen? Wachsende Herausforderungen wie steigende Energiekosten, wirtschaftliche Unsicherheit oder neue komplexe Regularien für das ESG-Reporting oder Lieferkettengesetz wären Gründe genug, hier schnellstmöglich aktiv zu werden.
Wenn Unternehmen in Deutschland nicht vom Innovationstreiber zum Getriebenen werden wollen, müssen sie dort ansetzen, wo der Einsatz von KI tatsächlich den höchsten Wirkungsgrad entfaltet: in den eigenen Fachabteilungen. Denn niemand kennt die Kernprozesse eines Unternehmens besser als die Fachressorts selbst.
Die Sorge, KI könnte menschliche Arbeitskraft teilweise komplett ersetzen, ist jedoch in vielen Fachabteilungen noch immer spürbar. Wie eine Studie von Zety zeigt, befürchten 89 Prozent der Befragten, sie könnten ihren Job durch den Einsatz von KI verlieren. Darüber hinaus haben laut einer McKinsey-Umfrage 44 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Sorge, dass Ungenauigkeiten bei KI-Technologien zu einer höheren Fehlerquote führen könnten.
Der Schlüssel für eine erfolgreiche Transformation liegt deshalb in der Entmystifizierung von KI. Regelmäßige Erfolgsmessungen und die Kommunikation konkreter Verbesserungen im Arbeitsalltag, wie etwa Kosteneinsparungen oder Produktivitätszugewinne, stärken das Vertrauen und die Akzeptanz von KI-Technologien. Bedenken lassen sich zudem abbauen, indem Mitarbeiter aktiv in den Einführungsprozess in Form von Schulungen und transparenter Kommunikation eingebunden werden. Die Akzeptanz ist zusätzlich steigerbar, wenn KI in Form vorgefertigter, praxisnaher Apps eingeführt wird. Diese Apps werden in die Lösungen integriert, die Mitarbeiter täglich anwenden, und liefern dadurch einen direkten, greifbaren Nutzen.
Der erfolgreiche Einsatz von KI in der Industrie hängt maßgeblich von einer intelligenten, systematischen Nutzung von Daten und ihrer Relation zueinander ab. Diese Informationen sind häufig nicht in großen Datenbanken, sondern in den täglichen Prozessen der Fachabteilungen verortet. Das Wissen der Mitarbeiter über Produktionsabläufe, Kundenanforderungen und Qualitätsmerkmale bildet dabei die Grundlage für erfolgreiche KI-Anwendungen. Nur durch die gezielte Sammlung, intelligente Verknüpfung und Auswertung dieser Daten können Unternehmen den vollen Nutzen aus KI ziehen – sei es zur Optimierung von Produktionsprozessen, Wartungsabläufen oder der Liefertreue.
Der industrielle Mittelstand muss deshalb sein Mindset verändern und über die eigenen Produktionsprozesse hinausdenken. Es gilt, datengetriebene Geschäftsmodelle zu entwickeln, die den Kundennutzen in den Mittelpunkt stellen. So eröffnen sich neue Geschäftsmodelle wie Pay-per-Part, Industrie-Apps oder KI-basierte Self-Services, wie sie etwa bei der Maschinenwartung zum Einsatz kommen. Unternehmen, die bereits mit KI-Business-Apps arbeiten, haben einen klaren Wettbewerbsvorteil, weil sie ihre Prozesse effizienter gestalten und schneller auf Veränderungen reagieren können.
Unternehmen sollten den Einsatz von KI strategisch und zielgerichtet angehen. Statt des oft ineffizienten »Gießkannenprinzips«, bei dem KI mehr oder weniger willkürlich implementiert wird, ist ein schrittweises Vorgehen sinnvoll. KI sollte gezielt für einzelne Prozess- oder Geschäftsbereiche – idealerweise mit sofort einsatzbereiten Anwendungen – eingeführt werden. Hierbei werden die wichtigen Verknüpfungen von Datenquellen bereits vorab erstellt und als fertige Applikation für den praxisnahen Einsatz in den Anwendungen angeboten, die von Mitarbeitern bei der täglichen Arbeit mit ihrer Business-Software genutzt werden.
Es bedarf dabei eines hohen Commitments und Engagements von Seiten der Unternehmensleitung. KI muss strategisch verankert und ganzheitlich umgesetzt werden – beginnend als Top-down-Initiative, die durch Bottom-up-Erfahrungen aus den Fachbereichen ergänzt wird. Erste Praxiserkenntnisse fließen zurück an die Führungsebene und bilden die Basis für datenbasierte Entscheidungen und weitere Schritte.
Leistungsstarke Lösungen für den Einsatz von Industrial KI sind bereits verfügbar. Ein Beispiel hierfür ist die »Industrial AI Platform« von Proalpha (www.proalpha.com/de/ai-hub), die speziell für den industriellen Mittelstand entwickelt ist. Sie bietet ein maßgeschneidertes, vorpakettiertes Set an KI-Applikationen, mit denen Unternehmen KI direkt und praxisnah in die Geschäftsprozesse entlang ihrer Wertschöpfung integrieren können. Zusätzlich ermöglicht sie eine umfassende Datenintelligenz, indem sowohl strukturierte Informationen, etwa Einkaufstabellen, als auch unstrukturierte Daten wie Dokumente, Notizen oder Erkenntnisse aus dem Service verarbeitet werden.
KI-Anwendungen bieten Unternehmen durch ihr hohes Optimierungspotenzial schon heute Unterstützung in vielen Einsatzbereichen:
Der systematische Einsatz von Industrial KI im Mittelstand markiert einen unternehmerischen Wendepunkt. Inzwischen geht es längst nicht mehr um die Frage des »Ob«, sondern nur noch um das »Wie«. Denn KI-Technologie hat inzwischen einen Reifegrad erreicht, der ihren Einsatz auch in klassischen Industrieunternehmen wirtschaftlich macht. Entscheidend für den Erfolg ist dabei der Fokus auf die Fachabteilungen als Treiber der Implementierung. Nur wenn KI dort ansetzt, wo die Kernprozesse gesteuert werden, können nachhaltige Wettbewerbsvorteile entstehen.
Es gilt daher jetzt, KI systematisch und wertschöpfend in Unternehmensprozessen zu verankern. Unternehmen, die diesen Weg konsequent gehen, werden nicht nur in der Lage sein, ihre Effizienz zu steigern, sondern auch, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln und ihre Marktposition nachhaltig zu stärken. Die Zukunft der Industrial KI hat gerade erst begonnen – und der Mittelstand sollte einer ihrer wichtigsten Treiber sein.
Christoph Kull, President Business Applications bei Proalpha