Wichtige Markttrends in der Bildverarbeitung sind »eine zunehmende Konsolidierung, die Standardisierung von Technologien und eine stark wachsende Rolle der 'Emerging Markets‘«, wie Dr. Andreas Franz betont. Ein besonders massiver und nachhaltiger Markttrend ist aber das Vordringen der Bildverarbeitungstechnik in nichtindustrielle Anwendungsfelder: »Die industrielle Bildverarbeitung ermöglicht heutzutage Wachstumsraten von 5 bis 10 Prozent«, stellt Christof Zollitsch fest. »Unternehmen, die stärker wachsen wollen, müssen zusätzlich andere Bereiche angehen, etwa Verkehr, Unterhaltung, Sport oder Sicherheit.« Nichtindustrielle Anwendungen wachsen ihm zufolge prozentual stärker als industrielle, haben aber nach wie vor einen deutlich kleineren Anteil am Gesamtmarkt für Bildverarbeitungstechnik. »Ich glaube, dass der alte Satz immer noch gilt: Nur 10 Prozent der möglichen Anwendungen sind erschlossen«, ergänzt er. »Das Problem ist hier in vielen Fällen der Unterschied zwischen technisch Machbarem und wirtschaftlich Sinnvollem.«
Dass Industriekameras zunehmend in konsumenten-näheren Anwendungen zum Einsatz kommen werden, also außerhalb von klassischen industriellen Fabrikanwendungen, betrachtet Eva Tischendorf als mittelfristigen Trend: »Gründe hierfür sind vor allem die sinkenden Kosten, aber auch die immer kompakteren Baugrößen und die einfachere Bedienung«, sagt sie. »Dieser Trend hat vor wenigen Jahren mit den GigE-Kameras begonnen und wird sich mit den neuen USB-3.0-Kameras sicherlich fortsetzen.« Hier spiele auch der CMOS-Trend mit hinein: »Die neuen CMOS-Kameras erreichen nahezu Videogeschwindigkeit, was für zahlreiche Anwendungen nützlich ist«, führt sie aus. »Basler sieht beispielsweise in der Medizin bei Anwendungen in der Augenheilkunde, Bewegungsanalyse und Labordiagnostik große Potenziale.«
Dass die industrielle Bildverarbeitungstechnik aus ihren traditionellen Anwendungsfeldern herauswächst und sich nichtindustrielle Applikationen erschließt, kommt laut Michael Engel auch den intelligenten Kameras zugute: »Die Einsatzmöglichkeiten intelligenter Kameras sind nahezu unendlich«, sagt er. »Traditionell stehen die Maschinenbauer an erster Stelle. Doch im Laufe der Jahre haben wir festgestellt, dass auch - oder gerade - in Bereichen, die außerhalb der traditionellen Felder Automatisierung, Bildverarbeitung und Qualitätssicherung stehen, unsere Produkte erfolgreich einsetzbar sind, beispielsweise in der Medizintechnik oder im Sport.«
Lebensmittelindustrie als attraktive Zielbranche
Unter den industriellen Anwendungen sieht Christof Zollitsch in der Lebensmittelbranche die größten Wachstumschancen: »Die Bildverarbeitungstechnik ermöglicht es, Lebensmittel 'wertiger‘ zu verkaufen«, formuliert er. »Mit ihrer Hilfe lassen sich beispielsweise Spargelstangen nach Dicke, Schinkenscheiben nach Fettanteil und Cookies nach Bräunungsgrad sortieren. Sie kann aber auch Kiwis in runde Früchte für den japanischen und eiförmige für den deutschen Markt aufteilen. Salamischeiben lassen sich in 3D vermessen, um das Packungsgewicht genau auf ein bestimmtes Niveau zu bekommen. Zudem kann eine Industriekamera als 'Auge des Roboters‘ Hähnchenschlegel und Hähnchenbrust unterscheiden, damit der Roboter beides in die richtige Packung legen kann.«
Dass die Industrie auch in Zukunft einen erheblichen Beitrag zum Umsatzanstieg der Bildverarbeitungs-Branche leisten wird, dafür ist auch der Trend zur lückenlosen Qualitätskontrolle verantwortlich: »Um die Fehlerquote zu reduzieren und somit langfristig Zeit und Kosten zu sparen sowie die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, zeichnet sich in vielen Industriebranchen ein Trend zur hundertprozentigen Qualitätskontrolle ab«, hebt Bettina Ronit Hörmann hervor. »Diese umfassende Qualitätssicherung stellt jedoch enorme Anforderungen, die bisherige Bildverarbeitungs-Systeme häufig nicht oder nur mit erheblichen Aufwand leisten konnten. Gerade in der Automobilindustrie oder in der Solarwafer- und Solarpanel-Inspektion sind Mehrkamera- und 3D-Systeme erforderlich, die sich bisher nur aufwändig mit kostenintensiven CameraLink- und Framegrabber-Lösungen realisieren ließen.«
Die Vielfalt der Anwendungen industrieller Bildverarbeitungstechnik wird auch künftig viele verschiedene Arten von Bildverarbeitungs-Systemen nebeneinander her existieren lassen: »Im Bildverarbeitungsmarkt werden - ganz unabhängig von der fortschreitenden technologischen Entwicklung im Hard- und Softwarebereich - immer viele verschiedene Applikationen parallel existieren: einfache Anwendungen, die keine hohen Anforderungen an Auflösung, Geschwindigkeit und Rechenleistung stellen, und High-End-Anwendungen, die aus allen Komponenten - Optik, Kamera, Framegrabber, Software - das Maximum herauskitzeln«, resümiert Raoul Kimmelmann.