Die Kombination aus Digitaltechnik und wachsenden Anforderungen der Anwender führt dazu, dass Bedienkonzepten und Benutzeroberflächen in der Industrie inzwischen eine große Bedeutung zugemessen wird. Eine gute User Experience kann jedoch nur durch gezielte Planung und methodische Arbeit entstehen.
Wenn Maschinenbauer und externe Anwendungs-Entwickler zusammenkommen, dann treffen manchmal völlig verschiedene Welten aufeinander. Für letztere ist »Form follows Function« eine Herausforderung, die hart erarbeitet werden muss. Für manche Auftraggeber ist es dagegen scheinbar ein Naturgesetz, denn nach deren Meinung genügt es, eine Software nach funktionalen Gesichtspunkten zu entwickeln – die ansprechende Bedienoberfläche ergibt sich dann mehr oder minder zwangsläufig von selbst. Andere Hersteller dagegen haben bereits erkannt, dass ihre bisherigen Entwicklungen den Usability-Anforderungen ihrer Kunden nicht mehr genügen. Sie suchen deshalb gezielt nach externer Unterstützung bei der Entwicklung neuer Bedienoberflächen.
Ein Aspekt sind häufigere interne Abstimmungen zwischen Kunde und Hersteller, die dafür sorgen, dass die Entwicklung enger am gewünschten Ergebnis ausgerichtet wird. Dies ist Teil der agilen Arbeitsweise gemäß Scrum, nach der alle zwei bis drei Wochen Zwischenergebnisse oder Demos vorgestellt werden, die der Kunde bewertet und freigibt oder in die Überarbeitungsschleife schickt. So wird keine Zeit verschwendet, wenn die Entwicklung nicht gemäß den Vorstellungen des Kunden verläuft, und auch unproduktive Diskussionen zum Ende des Projekts werden vermieden.
Ein weiterer wichtiger Faktor ist jedoch der höhere Einfluss der eigenen User Experience (UX) und User Interface (UI) Designer. Denn deren Aufgabe ist es, schon früh im Projekt die Machbarkeit des Bedienkonzepts auf den Prüfstand zu stellen. Externen Agenturen fehlt häufig das technische Verständnis oder das nötige Domänenwissen. Sie fokussieren sich dagegen häufig eher auf die ästhetische Gestaltung der Bedienoberfläche.
Innere Werte zählen
Mit diesem »Skinning«, also dem alleinigen Fokus auf ein ansprechendes Äußeres, berauben sich Hersteller eines wichtigen Wettbewerbsvorteils. Ein ausgefeiltes Bedienkonzept verleiht einer Maschine eine unverwechselbare Persönlichkeit; die dazu passende Benutzerschnittstelle ergänzt sie um ein angemessenes Erscheinungsbild. Exklusivere, besondere Konzepte schaffen Differenzierungspotenziale, die bei den Anwendern einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Denn ihnen geht es weniger darum, ob eine Bedienoberfläche »hübsch« anzusehen ist. An erster Stelle stehen für sie Aspekte der User Experience: Ist das Gerät oder die Maschine intuitiv bedienbar (Usability)? Werden unnötige Aktionen vermieden? Sorgen Aufbau und Gestaltung für zuverlässiges, fehlerfreies Funktionieren? Welche Bedienschnittstellen stehen überhaupt zur Verfügung?
Wenn das Bedienkonzept Mängel aufweist, drohen Effizienzverluste oder gar Fehlbedienungen. In komplexeren Steuerungen kann dies auftreten, wenn Beschriftungen fehlen oder zu klein sind, ein Wechsel ins Untermenü nicht zur gewünschten Seite führt oder eine Steueroption an unerwarteter Stelle implementiert wurde. Die Aufgabe von UX-Experten ist es, aus Sicht der Anwender zu denken und ein Bedienkonzept zu entwickeln, das sich im täglichen Einsatz bewährt – ohne viele Klicks, ohne lange überlegen zu müssen. Hoher Schulungsaufwand und großer Bedarf an Nachschulungen weisen beispielsweise ebenso auf schlechte Usability hin wie ellenlange Handbücher. Konkret messbar ist die Qualität der Usability über die Effektivität (Erhebung der Erfolgsquote), die Effizienz (anhand des Verbrauchs von Ressourcen) und der Zufriedenheit der Anwender (Erfüllung der Bedürfnisse und Erwartungen der Benutzer).
Stellenwert von UX und UI
Das klassische HMI genügt den Kunden heute meist nicht mehr, angesichts der Breite der technischen Möglichkeiten. Die internen Entwickler stoßen dabei immer wieder an ihre Grenzen. Schon der festinstallierte Screen an der Maschine bietet heutzutage viel mehr Optionen: Vom einfachen Touchscreen bis zum Multitouch-Display, das auch Touch-Gesten versteht, selbst wenn man mit Schutzhandschuhen arbeitet.
Ein solches Bedienkonzept lässt sich zwar auf Tablets und Smartphones übertragen. Doch unterschiedliche Displaygrößen und Seitenformate stellen weitere Hürden dar, die es zu überwinden gilt. Alternativen wie Sprachsteuerung oder Bewegungserkennung – etwa in Verbindung mit Virtual Reality (VR) oder Augmented Reality (AR) – sind ebenfalls gefragte Optionen, die heutzutage bei der Entwicklung eines Bedienkonzepts eine Rolle spielen. Und auch die Schattenseiten dieser Vielfalt muss ein UX-Designer bedenken: Für den Anwender muss die Bedienung konsistent sein, egal ob er die Maschine vor Ort per Touchscreen bedient oder remote per App.
Getrennt davon ist die grafische Gestaltung der Benutzerschnittstelle zu betrachten.
Auch sie trägt zu einer besseren Usability bei: Gestalt, Farbe und Position der visuellen Elemente spielen dabei eine Rolle. Ein Not-Aus-Knopf direkt neben der Bestätigungstaste, die zigmal am Tag gedrückt wird, birgt eben die Gefahr, dass ein versehentliches Abrutschen auf dem Touchscreen zu kostspieligen Konsequenzen führt. Die Aufgabe der UI-Designer ist es daher, über die visuelle Gestaltung mit dem Nutzer zu kommunizieren und seine Aufmerksamkeit zu lenken. So leisten sie ebenfalls einen wichtigen Beitrag zur effizienten Bedienbarkeit.