Ein weiterer Trend ist die allmähliche Verdrängung von CCD- durch CMOS-Bildsensoren. Welche Strategie verfolgt Matrix Vision hier?
Horst Mattfeldt: Der Trend einer Ablösung von CCD- durch CMOS-Bildsensoren ist eindeutig. CMOS-Sensoren sind mittlerweile hochempfindlich, schneller als CCD-Sensoren und hochauflösend. Anders als CCD-Sensoren verursachen sie weder Smear- noch Blooming-Effekte.
Auf der Messe Vision 2012 waren auffallend viele neue Kameras mit CMOS-Bildsensoren von CMOSIS und e2v zu sehen.
Horst Mattfeldt: Richtig. Auch wir integrieren Sensoren von CMOSIS und e2v, aber zusätzlich noch von Aptina. Wir wollen uns nicht auf nur einen Anbieter beschränken, sondern die besten Sensoren der besten Hersteller in unsere Kameras einbauen. Jeder der drei Hersteller hat seine ganz spezifischen Stärken.
Nuray Inan: Ein wichtiger Punkt ist die Shutter-Technik des Bildsensors. Ein Rolling Shutter läuft rollierend über das Bild und liest Pixelzeile für Pixelzeile nacheinander aus, was zu Verzerrungen bei Bewegtbildern führt. Ein Global Shutter dagegen liest alle Bildpunkte auf einmal aus und vermeidet derartige Artefakte. In nichtindustriellen Anwendungen genügt oft ein Rolling Shutter; hier zählt vor allem hohe Auflösung. In Industrieanwendungen dagegen kommt es eher auf hohe Geschwindigkeit und verzerrungsfreie Bilder an, so dass der Global Shutter hier seine Vorteile ausspielen kann.
Horst Mattfeldt: Unsere USB-3.0-Kameras der Serie »mvBlueFOX3« sind zunächst nur mit CMOS-Bildsensoren erhältlich, weil diese eine kompakte Einplatinenlösung ermöglicht haben. CCD-Sensoren brauchen mehr Logikelemente drumherum und mehrere Versorgungsspannungen, sodass mit ihnen bestückte Kameras weniger kompakt sind. Ohnehin geht der Preis-Leistungs-Trend eindeutig Richtung CMOS-Sensoren, zumal sie in jüngster Zeit durch Varianten wie eine Verdickung der Epitaxialschicht an IR-Empfindlichkeit gewonnen haben. Die CMOSIS-Sensoren CMV2000 und CMV4000 eignen sich auch für Anwendungen im nahen Infrarotbereich und sind zudem extrem schnell. In unserer Dual-GigE-Standardkamera »mvBlueCOUGAR-XD« integriert, kann der CMV2000 bei voller Auflösung von 2 MPixel immerhin 275 Frames/s in den internen Speicher der Kamera einlesen. Der CMV4000 bewältigt in der »mvBlueCOUGAR-XD« bei voller Auflösung von 4 MPixel 135 Frames/s.
Inwieweit spielen die neuen Schnittstellen-Standards CoaXPress, CameraLink HS, 10GigE und Thunderbolt in Ihren Planungen eine Rolle?
Erhard Meier: Wir werden immer mehr als eine Schnittstelle berücksichtigen, weil es keine gibt, die für jede Anwendung passt, und weil es immer etwas Neues geben wird, das etwas Altes ablöst. Voraussetzung für den Erfolg einer Schnittstelle ist, dass es einen Standard gibt und dass die Kombination aus Schnittstelle, Sensor und Auswerteelektronik passt.
Horst Mattfeldt: 10GigE wäre als Netzwerkschnittstelle stringent und vorteilhaft, zumal ein Standard, nämlich GigE Vision, ja schon vorhanden ist. 10GigE-Kameras wären allerdings derzeit noch recht klobig und bräuchten viel Strom. Hier gilt es, auf kompaktere Komponenten mit weniger Strombedarf zu warten. Für CoaXPress und CameraLink HS erkennt unser Vertrieb bisher noch keine Nachfrage. Thunderbolt bietet eine hervorragende Performance mit Datenübertragungsraten bis 20 GBit/s, steht aber technisch noch nicht dem allgemeinen Bildverarbeitungsmarkt zur Verfügung. Die Daten lassen sich wie bei FireWire direkt in den Hauptspeicher der CPU schreiben, was jedoch implizit auch ein Sicherheitsrisiko darstellt.
Die meisten Standardkameras Ihres Unternehmens sind mit einem FPGA-Baustein ausgestattet. Welche Aufgaben erfüllt er?
Horst Mattfeldt: Sein Tätigkeitsfeld ist die »Glue Logic« der Kamera, d.h. er bindet die DDR-Speicher ein, erstellt das Sensorsignal und ist für die »Smart Features«, also die eigentliche Bilddaten-Vorverarbeitung, zuständig. Die »Running-Average«-Funktion beispielsweise sorgt für laufende Mittelwertbildung; sie gestattet es, bewegte Bilder zu entrauschen und trotzdem Bewegungs-Artefakte zu verhindern. Dank dem FPGA kann die Kamera die Funktion »on the fly« ausführen; im PC wäre dies erst möglich, wenn die Bilder angekommen sind. Eine weitere Funktion ist die »Flat Field Correction«, die Ungleichmäßigkeiten in der Beleuchtung ebenso korrigiert wie Ungleichmäßigkeiten oder Defektpixel in den Sensoren. Zudem kann man in den FPGAs Vorverarbeitungs-Algorithmen mit der vollen Kamera-Bittiefe von 12 oder gar 14 Bit laufen lassen, um die Bilder noch in der Kamera zu »verschönern«. Ansonsten würden die Daten mit 8 Bit zum Rechner übertragen. Vorverarbeitungs-Funktionen wie diese sind teils von Kunden gefordert und teils von der technischen Entwicklung getrieben. Die Funktionen werden vom Produkt-Management definiert und von der Entwicklung in VHDL programmiert. Ein interessantes Merkmal der in unseren Standardkameras eingebauten FPGAs ist die integrierte CPU: Sie ist für die Steuerung der ganzen Kamera und das Handling des GigE-Vision-Protokolls zuständig.
Die industrielle Bildverarbeitungstechnik dringt zunehmend in nichtindustrielle Anwendungen vor. Sie haben schon Pfand-Automaten und die Medizin genannt; welche nichtindustriellen Anwendungen hat Ihr Unternehmen ansonsten im Fokus?
Horst Mattfeldt: Die Medizintechnik ist für uns tatsächlich sehr wichtig. Mögliche Anwendungen unserer Kameras liegen auch in der Blutzellanalyse oder der Augenheilkunde. Ein Beispiel sind Scheitelbrechwert-Messsysteme, mit denen man die optimale Form von Brillengläsern bestimmen kann; sie tragen der Tatsache Rechnung, dass nicht jeder Mensch zwei gleich sitzende Pupillen hat. Weitere Anwendungen sind Verpackungsmaschinen in der pharmazeutischen Industrie oder die Verkehrstechnik, wo wir in vielen Feldern vertreten sind.
Inwieweit betreibt Matrix Vision eigentlich Systemintegration?
Erhard Meier: Im Rahmen kundenspezifischer Sonderlösungen haben wir schon immer Systemintegration praktiziert. Seit etwa drei bis vier Jahren gehen wir mit der Integration von Standardprodukten noch ein Stück weiter auf unsere Kunden zu. Wir wollen damit aber nicht unseren etablierten Systemintegratoren das Geschäft wegnehmen, sondern Kunden in bestimmten Situationen unter die Arme greifen, etwa wenn im üblichen Sinne tiefergehendes Spezialwissen gefragt ist. Kurzum: Wir sind kein echter Systemintegrator, was sich unter anderem auch daran zeigt, dass wir keine Inbetriebnahme-Unterstützung oder Wartung beim Endkunden machen.
Wie sehen Ihre Pläne für dieses Jahr aus?
Erhard Meier: Im Jahr 2012 haben wir unser geplantes Umsatzziel erreicht. Das bedeutet, dass wir 2011 und 2012 jeweils um etwa 20 Prozent zugelegt haben. Im laufenden Jahr werden wir eine Schippe drauflegen und nochmals ein Umsatzplus von etwa 10 Prozent erzielen. Im Jahr 2013 werden wir uns verstärkt auf ausgewählte Marktsegmente fokussieren, für die wir Produkte entwickeln, die auf gängigen Industriestandards beruhen, aber auf ganz bestimmte Anwendungen zugeschnitten sind. Vorantreiben werden wir auch die Internationalisierung - da besteht noch deutlicher Spielraum. In Indien und China verzeichnen wir ein hohes Wachstum. Wir arbeiten im Ausland sowohl mit eigenen Vertriebsbüros als auch mit Vertriebspartnern. In Indien haben wir einen eigenen Vertriebsmitarbeiter, in China kooperieren wir mit einem komplett exklusiven Distributor, und in Korea sind wir im Aufbau eines neuen Vertriebspartners. In den USA arbeiten wir mit einem Distributor zusammen, aber dieser Markt liegt momentan nicht in unserem Hauptfokus. Generell suchen wir Partner, die eine ähnliche Geschäftsphilosophie verfolgen und den von uns gebotenen Mehrwert entsprechend vermitteln können.