Expertenumfrage zur 3D-Bildverarbeitung

Räumlicher Durchblick in immer mehr Anwendungen

10. Februar 2022, 9:06 Uhr | Andreas Knoll
WEKA Fachmedien
Eine Ensenso-3D-Kamera hilft einem Roboter beim »Griff in die Kiste« – gesehen auf der Messe Automatica 2018.
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Die 3D-Bildverarbeitung hat sich in der Industrie vom Nischenphänomen zum Allgemeingut entwickelt. Über die aktuellen Trends in Technik und Anwendung der 3D-Bildverarbeitung informieren Experten aus sechs Unternehmen in Interviews.

Es gibt inzwischen viele erschwingliche Systeme mit unterschiedlichen Architekturen und technischen Verfahren, sodass die Hemmschwellen für die Nutzung der 3D-Technik in der Industrie stetig sinken. Und in Anwendungen wie der Robotik ist 3D-Vision für die räumliche Orientierung von Roboterarmen und fahrerlosen Transportsystemen sogar unentbehrlich geworden.

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Fabian Furtner, Matrix Vision: »Nur mithilfe von 3D-Bildverarbeitung kann ein Roboter seine Umgebung in allen Dimensionen wahrnehmen.«
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Fabian Furtner, Matrix Vision
»3D-Vision eignet sich für mehr Branchen denn je«

Weil 3D-Vision-Systeme immer mehr Leistungsdichte erreichen und zugleich kostengünstiger werden, halten sie in immer mehr Anwendungen Einzug. Doch welchen Nutzen bringt die 3D-Bildverarbeitung dort konkret? Fabian Furtner, Product Manager 3D bei Matrix Vision, gibt Antworten.

Markt&Technik: Was hat sich in der 3D-Bildverarbeitung in den vergangenen Jahren technisch getan? Welche technischen Trends zeigen sich dort momentan?

Fabian Furtner: Vor einigen Jahren war die 3D-Bildverarbeitung noch High-Tech-Applikationen vorbehalten, die nur mit entsprechender Expertise und großem finanziellem Aufwand umsetzbar waren. Heutzutage haben wir durch mehr Rechenleistung bei kleinerem Platzbedarf und geringeren Kosten mehr Möglichkeiten, in die Breite zu gehen. So haben auch Branchen wie Logistik, Robotik und Automatisierung die Chance, 3D-Bildverarbeitung performant genug und wirtschaftlich sinnvoll einzusetzen.

Was kann die 3D-Bildverarbeitung in industriellen und nichtindustriellen Anwendungen leisten, auch im Vergleich zur 2D-Bildverarbeitung?

3D-Bildverarbeitung liefert neben den 2D-Bildinformationen auch immer die zugehörigen Tiefeninformationen der Szene. Speziell bei Stereokameras stehen sowohl die 2D- als auch die 3D-Daten zur Verfügung. Damit lassen sich in industriellen Anwendungen durch die Ermittlung der geeigneten Greifpunkte und Ausrichtungen der zu greifenden Objekte unkompliziert Roboter führen. Zudem können Objekte dreidimensional vermessen oder Abweichungen und Fehler an Objekten erkannt werden. Ferner lassen sich beispielsweise Füllstände von Ladungsträgern ermitteln, was zweidimensional nicht möglich ist.

Außerdem kann die 3D-Bildverarbeitung in mobilen Robotersystemen bzw. fahrerlosen Transportsystemen zur Navigation und Hinderniserkennung eingesetzt werden. In der Landwirtschaft wird vermehrt 3D-Bildverarbeitung zur automatisierten Ernte und auch zur Navigation eingesetzt, was mit 2D-Daten nicht umsetzbar wäre.

In nichtindustriellen Anwendungen wird die 3D-Bildverarbeitung beispielsweise in der Modellierung von Objekten etwa zur Erstellung digitaler 3D-Modelle realer Objekte verwendet. Auch in der Verkehrstechnik kann die 3D-Bildverarbeitung zur Hinderniserkennung oder zum autonomen Fahren beitragen.

Welche 3D-Bildverarbeitungsverfahren eignen sich für welche Anwendungen besonders und warum?

Stereoskopie und Time of Flight (ToF) sind Technologien, bei denen man durch eine einzige Auslösung der Belichtung direkt vollflächige 3D-Daten erhält. Sie eignen sich daher ideal für Greifsysteme auf Roboterbasis. Auch dynamische Szenen lassen sich gut mit Stereo-Vision-Systemen dreidimensional aufnehmen und verarbeiten. Stereo-Vision und ToF werden daher bevorzugt verwendet, wenn großflächige Szenen zu analysieren sind, etwa beim Depalettieren, aber auch für das Greifen von Objekten aus Ladungsträgern. Die Technologien eignen sich auch für Anwendungen im Freien, wie man sie beispielsweise in Maschinen zur automatisierten Ernte finden kann. Vor allem passive Stereo-Systeme, die nur mit Umgebungslicht auskommen, haben hier einen Vorteil.

Lasertriangulation und Streifenlichtprojektion benötigen jeweils viele Aufnahmen, die als Sequenz erstellt werden. Bei der Lasertriangulation muss dabei entweder das Objekt oder der Laserstreifen über das stehende Objekt verfahren werden. Mit ihr lassen sich hohe Genauigkeiten erreichen, und sie eignet sich auch zur Inspektion sehr kleinteiliger Objekte, etwa zur Platineninspektion. Für bewegte Objekte ist sie ebenfalls geeignet.

Die Streifenlichtprojektion dagegen wird meist nur in stehenden Szenen eingesetzt, weil hier verschiedene Streifenmuster in einer Sequenz von Aufnahmen auf die Szene projiziert werden. Während dieser Aufnahmesequenz darf sich das Objekt nicht bewegen. Sowohl die Tiefengenauigkeiten als auch die Größe des möglichen Arbeitsbereichs liegen hierbei zwischen der eines Stereosystems und der eines Lasertriangulationssystems. Daher wird diese Technologie häufig zum Greifen aus Ladungsträgern mittlerer Größe verwendet.

Weil sich mit ihnen verschiedene industrielle Anwendungen automatisieren lassen, werden alle genannten Technologien künftig weiter im Marktvolumen wachsen. Vor allem in der mobilen Robotik und bei fahrerlosen Transportsystemen werden Stereo-Vision-Systeme und ToF-Systeme eine übergeordnete Rolle spielen.

Welche Vorteile hat die 3D- gegenüber der 2D-Bildverarbeitung in der Robotik? Welche 3D-Bildverarbeitungsverfahren bieten sich dort besonders an?

Nur mithilfe von 3D-Bildverarbeitung kann ein Roboter seine Umgebung in allen Dimensionen wahrnehmen. Es gibt nur wenige Applikationen in der Produktionsautomatisierung oder automatisierten Qualitätskontrolle, in denen Robotersysteme von 2D-Bildverarbeitung geführt werden, weil dann nämlich die Abstandsinformation fehlt und somit keine Flexibilität möglich ist. Durch eine geeignete Zuführtechnik lässt sich dies zwar ausgleichen, sie ist aber meist teuer, komplex und ebenfalls nicht flexibel an verschiedene wechselnde Objekte anpassbar.

Um diese Flexibilität zu haben und um chaotisch angeordnete Bauteile aus Ladungsträgern greifen zu können, nutzt man besser die 3D-Bildverarbeitung. Im Vergleich zu einer Zuführtechnik mit 2D-Bildverarbeitung ist man damit sowohl effizienter als auch kostengünstiger bei weniger Platzbedarf.

Wie lassen sich 3D-Sensoren bzw. 3D-Kameras in Embedded-Vision-Systeme integrieren?

Embedded-Systeme verarbeiten Informationen dezentral am Ort der Datenaufnahme und werden immer mehr Einzug in die zukünftigen Bildverarbeitungssysteme finden. Durch die Nutzung moderner Computing-Plattformen eignen sich Embedded-Systeme auch für komplexe Bildverarbeitung und können durch die dezentrale Datenverarbeitung das Gesamtsystem stark vereinfachen, was Einsparpotenzial bei der Integration, bei der Wartung und bei den benötigten Komponenten und Kabellängen selbst bietet.

Alle genannten Technologien lassen sich auch in Embedded-Systeme integrieren. Besonders effizient ist dies bei passiven Stereo-Systemen möglich. Hierbei können zwei Kameramodule direkt auf dem Computing Board aufgebracht oder über Flachbandkabel direkt mit dem Board verbunden werden. Nach einer Kalibrierung der Kameramodule zueinander hat man eine schlanke und leistungsfähige 3D-Embedded-Kamera.


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