Maschinen auf Basis von HTS an der Schwelle zur Markteinführung

Supraleiter für intelligente Netze

26. März 2012, 15:30 Uhr | Heinz Arnold
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Rotierende HTS-Maschinen: Systemvorteile sind entscheidend

HTS-Bandleiter der zweiten Generation
HTS-Bandleiter der zweiten Generation
© Theva

Auch auf dem Gebiet der rotierenden Maschinen tut sich einiges. So entwickelt Siemens eifrig Motoren und betreibt schon seit längerem – wie auf der Konferenz in Bonn zum ersten Mal offiziell bestätigt – auf dem Betriebsgelände in Nürnberg einen HTS-Generator zur Blindleistungskompensation, um Betriebserfahrungen zu sammeln. Der mittelständische Motorenhersteller Oswald entwickelt HTS-Motoren, um den Wirkungsgrad etwa von Pressen für die Metall- und Kunststoffumformung deutlich zu verbessern und effiziente Linearmotoren zu realisieren.

»Wir haben jetzt eine erfreuliche Kontinuität in der Entwicklung erreicht – nicht zuletzt auch durch die Unterstützung des BMWi«, so das Fazit von Prusseit. »Die deutsche Industrie konnte sich so eine einzigartige Stellung in der Welt auf dem Gebiet der Supraleitung schaffen.«

Das Henne-Ei-Problem bei der Kostenreduktion

Auch Prof. Rolf Hellinger, zuständig für Corporate Research and Technologies bei Siemens, sieht die Supraleitung jetzt an der Schwelle zur Einführung in Hochenergiesysteme. Allerdings sind auf dem Weg zum kommerziellen Einsatz noch einige Hürden zu nehmen. Dazu zählen nicht zuletzt die hohen Anfangsinvestitionen. So drehte sich auf der gesamten ZIEHL-III-Konferenz die Diskussion immer wider um einen magischen Wert: €/kAm (Euro pro Kilo-Ampère-Meter). Oder wie Dr. Frank Merschel, zuständig für New Technologies bei RWE, es formulierte: »Der wichtigste physikalische Parameter ist der Euro.«

Denn die Supraleiter der zweiten Generation sind preislich noch nicht dort, wo sie Kupfer ernsthaft Konkurrenz machen könnten. Ihr großer Vorteil gegenüber der ersten Generation liegt jedoch darin, dass sie keine teuren Rohstoffe wie Silber enthalten. Schon jetzt sind die Kosten gesunken und aufgrund von Fortschritten in der Prozesstechnik werden sie schnell witer fallen – so zumindest die vorherrschende Meinung auf der ZIEHL-III-Konferenz.

Blick auf einen 11-kV-Strombegrenzer auf Basis von Hochtemperatur-Supraleitern von Applied Superconductor
Blick auf einen 11-kV-Strombegrenzer auf Basis von Hochtemperatur-Supraleitern von Applied Superconductor
© Applied Superconductor

Die Fertigungskapazität reicht noch nicht mal für Pilotprojekte!

Allerdings stehen sich gegenwärtig die Hersteller von Leitern und die Anwender in einer Patt-Situation gegenüber. Die Hersteller sagen, sie könnten die Kosten schnell reduzieren, wenn sie ihre Produktionskapazitäten steigern könnten. Dazu bräuchten sie große Aufträge. Die Anwender sagen, sie können keine Aufträge geben, solange die Kosten zu hoch sind. Das ist derzeit ein ernsthaftes Problem, denn wenn plötzlich die ersehnten Aufträge bei den HTS-Herstellern eingingen, könnten sie nicht liefern. Die derzeitige Weltproduktion von HTS der zweiten Generation liegt bei 300 km pro Jahr, wie Prof. Bernhard Holzapfel vom IFW Dresden erklärte:  »Das reicht noch nicht einmal für den Bedarf der Pilotprojekte! Hierin sehe ich eine der großen Herausforderungen für die nächste Zukunft.«

Die Systemvorteile zählen

Doch der Preis und die Verfügbarkeit der HTS sind nur ein Aspekt. Um die Nachfrage anzukurbeln – und damit die Chancen auf Preissenkungen zu eröffnen – müssen die Anwender die Systemebene betrachten. »Wir müssen die Systemvorteile aufzeigen«, fordert deshalb Prof. Rolf Hellinger. Ein Beispiel dafür gab Dr. Jens Müller, Geschäftsführer von ECO5: »HTS-Generatoren erhöhen den Ertrag von Windkrafträdern und verbessern deren Effizienz.« Bei den heutigen Kosten für die Leiter wäre dieser Vorteil wohl noch nicht ausschlaggebend. Aber die HTS-Technik erlaube es, Generatoren zu bauen, die deutlich leichter sind als konventionelle und weniger Vibrationen erzeugen. Deshalb könne der Turm weniger stark ausgelegt werden, was Geld spart. Das gleiche gelte für das Fundament des Turmes. Zudem ermögliche es die HTS-Technik, Generatoren hoher Leistungsfähigkeit zu bauen, deren Größe den Transport über die zur Verfügung stehenden Wege überhaupt noch erlaubt. Konventionelle Generatoren überschritten die magische Grenze von 4,5 m Durchmesser, ein Transport wäre kaum möglich.

 

Aufbau eines Supraleiterkabels
Aufbau eines Supraleiterkabels
© Nexans SuperConductor

HTS-Generatoren: Höhere Effizienz, stabiles Netz

 Dr. Tabea Arndt, ebenfalls aus der zentralen Forschungsabteilung von Siemens, erklärte die Systemvorteile am Beispiel eines 100-MW-Generators, dessen Rotor allein 250 t wiegt. Auf Basis von HTS lässt sich die Länge des Generators halbieren, eine Alterung findet wegen der Kühlung nicht statt. Die neuen „steiferen“ Rotoren geben den Ingenieuren ganz neue Design-Freiheiten – und sie ermöglichen es, die neuen Grid-Codes einzuhalten, die aufgrund der Einspeisung erneuerbarer Energien erforderlich sind. So tragen die HTS-Generatoren zusätzlich dazu bei, das dringend erforderliche Smart Grid auf zu bauen.

»Das Rad der Economy of Scale dreht sich«

Es gibt also berechtigte Hoffnung, dass sich die Patt-Situation zwischen Leiter-Herstellern und Geräteherstellern überwinden lässt. »Das Rad der Economy of Scale dreht sich«, wie Dr, Werner  Prusseit formuliert. Und er lässt sich sogar zu einer Prognose hinreißen: »HTS wird schon bald wettbewerbsfähig mit Kupfer.« Prof. Mathias Noe vom KIT sieht das genauso: »HTS-Kabel der zweiten Generation werden in wenigen Jahren günstiger sein, als konventionelle Lösungen mit Kupfer-Kabeln.«

Positiv gestimmt ist auch Dr. Frank Merschel von RWE: »Wir sind von der Technik überzeugt. Es kann sein, dass vor Ablauf des AmpaCity-Projekts in Essen ein zweites Projekt auf die Schiene gesetzt wird. Wir sind nicht übervorsichtig!«

»Weitere Forschung und Pilotprojekte sind dringend erforderlich!«

Aber wie gesagt, der Preis ist nicht alles, spielt in bestimmten Anwendungen noch nicht einmal die allererste Rolle. Denn gerade die Energieversorger und Netzbetreiber stehen – berechtigterweise, denn Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit der Versorgung stehen an erster Stelle – neuen Techniken zunächst einmal skeptisch gegenüber. Sie erwarten Betriebserfahrung und Aussagen zur Zuverlässigkeit – womit ein weiteres Henne-Ei-Problem angesprochen wäre. Doch Prof. Hellinger ist sich sicher, dass sich auch dieses Problem lösen lässt: »Weitere Forschung und Pilotprojekte sind dringend erforderlich!«

 


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