Onshore- und Offshore-Windenergie stehen sich nicht entgegen, sondern ergänzen sich

Windenergie: zu Lande oder zu Wasser?

23. Februar 2012, 11:19 Uhr | Andreas Knoll
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Fortsetzung des Artikels von Teil 3

Netzanschlusskosten onshore und offshore

Der Netzanschluss von Offshore-WEA ist wegen der schwierigen Arbeitsbedingungen auf hoher See aufwändiger als der von Onshore-WEA, so dass offshore höhere Netzanschlusskosten pro WEA zu erwarten sind als onshore. Bei näherem Hinsehen steckt der Teufel aber im Detail: Je mehr Offshore-Windparks geplant werden, desto eher wird ein genuines Offshore-Netz erforderlich – und wenn es eingerichtet ist, dürften die Netzanschlusskosten pro WEA bzw. pro Windpark fallen. »Der Aufwand der Netzanbindung hängt maßgeblich von den bestehenden Netzkapazitäten ab«, stellt Thorsten Herdan fest. »Generell ist der Ausbau der Offshore-Netzinfrastruktur nicht auf die einzelnen WEA umzurechnen, weil auch die Netzinfrastruktur an Land nicht den WEA zugerechnet wird. Das Offshore-Netz kann langfristig helfen, Kosten durch mehr Wettbewerb im europäischen Verbund zu senken.« Es sei eine Infrastrukturaufgabe wie das Netz an Land und werde daher zu Recht nicht dem einzelnen Windpark zugerechnet.

Auch Bernd Neddermann betont, dass eine vergleichende Gegenüberstellung der Netzanschlusskosten onshore und offshore pauschal nicht möglich sei: »Auf See wird der Netzanschluss von Offshore-Windparks regional in so genannten Clustern gebündelt«, erläutert er. »Pro Cluster dienen eine oder mehrere Konverterstationen als Anschlusspunkte für die Einspeisung der Offshore-Windparks in dem Seegebiet. Die Netzanbindung zwischen Konverterstation auf See und Festland erfolgt durch die zuständigen Übertragungsnetzbetreiber (Tennet TSO in der Nordsee bzw. 50 Hertz in der Ostsee). Der Windparkplaner trägt die Kosten für die Verkabelung der WEA innerhalb des Windparks, das erforderliche Umspannwerk auf See sowie die Anbindung zwischen Offshore-Windpark und Konverterstation. Projektspezifisch kommen unterschiedliche Technologien zum Einsatz, so dass keine pauschalen Kosten angegeben werden können.«

Auch an Land sind die Netzanschlusskosten beileibe nicht immer gleich: »Sie hängen dort ebenfalls von den örtlichen Gegebenheiten ab und können je nach Entfernung zum nächsten Einspeisepunkt (und eventuell erforderlichen Netzverstärkungsmaßnahmen) deutlich voneinander abweichen«, gibt Bernd Neddermann zu bedenken. »Für die nötigen Maßnahmen zu Netzausbau oder -optimierung ist der Netzbetreiber zuständig.«

Wie viel Netzausbau an Land erfordert die Offshore-Windenergie?

Je mehr Offshore-WEA-Kapazität entsteht, desto eher wird ein Ausbau nicht nur des Offshore-Stromnetzes, sondern auch der regionalen und überregionalen Stromnetze an Land erforderlich. Weil viele Industrien mit hohem Stromverbrauch in Süddeutschland angesiedelt sind, die WEA aber größtenteils im Norden stehen und fünf der acht im vergangenen Jahr abgeschalteten Atomkraftwerke im Süden liegen, müssen genug Leitungskapazitäten vorhanden sein, um gegebenenfalls überschüssigen Windstrom von Norden nach Süden transportieren zu können. Vor allem bei einem massiven Ausbau der Offshore-Windenergie sind hier zunehmend Engpässe zu erwarten. Wie viel Netzausbau im Einzelnen erforderlich ist, dazu verweisen die Experten auf die Netzstudien der Deutschen Energie-Agentur (dena). Laut Thorsten Herdan empfiehlt es sich aber auf jeden Fall, mehrgleisig zu fahren: »Es ist offensichtlich, dass der Mix einer Vielzahl von Maßnahmen wie etwa Hochtemperaturseile, Temperatur-Monitoring und Ausbau von Netzkapazitäten die Lösung sein wird«, sagt er. »Der Netzausbau ist abhängig von der Flexibilität der Netz- und Anlagentechnologien sowie von der bedarfsgerechten Erzeugung und den Speicheroptionen und lässt sich nicht einer Technologie zurechnen.« Bedauerlicherweise würden Netzstudien oft auf Kilometerzahlen verkürzt und werde der Ausbau dem Wind angelastet. »Faktisch erfordert aber der Wandel im Erzeugungsmix und im Verbrauch Anpassungen an der Infrastruktur«, betont der VDMA-Mann.

Auch Norbert Giese betrachtet den Ausbau der Stromnetze – sowohl vom Norden in den Süden Deutschlands als auch innerhalb Europas – als eine wichtige Voraussetzung für die Offshore-Ausbauziele der europäischen Länder, allen voran Deutschland und Großbritannien. In diesem Zusammenhang bringt er einen interessanten Gedanken ins Spiel: »Im Norden Europas brauchen wir analog zu Desertec ein ’Aquatec‘, also eine Vernetzung aller Nordseeanrainer-Staaten inklusive des Englischen Kanals.«


  1. Windenergie: zu Lande oder zu Wasser?
  2. Onshore und Offshore: Pro und Contra
  3. Investitionskosten onshore und offshore
  4. Netzanschlusskosten onshore und offshore
  5. Künftige Wachstumschancen von Onshore und Offshore

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